Handball:Gefräßige Allesgewinner

FC Barcelona - Aalborg HB

Die Unbesiegbaren: Die Spieler des FC Barcelona feiern mit Präsident Joan Laporta.

(Foto: Marius Becker/dpa)

61 Siege in 61 Spielen - gibt's das? Die Handballer des FC Barcelona zelebrieren eine perfekte Saison, verlieren nun aber den Erfolgstrainer.

Von Carsten Scheele, Köln/München

Im Februar war's knapp. In der Vorrunde der Champions League wäre die tolle Serie fast hinüber gewesen, zur Halbzeit hatten die Handballer des FC Barcelona gegen HB Nantes sogar mit drei Treffern zurückgelegen, dann aber 30:29 gewonnen. Kurzer Blick in die spanische Liga, da hatte das Team keinerlei kritische Situationen zu meistern: Hier ein 45:21 gegen Balonmano Nava, dort ein 43:21 gegen Balonmano Benidorm. Schon im Oktober gab es eine handballerische Höchststrafe für den Gegner, als den bemitleidenswerten Kollegen von Atlético Valladolid 50 Tore eingeschenkt wurden.

Um es kurz zu machen: Es war wirklich kein Spaß, in dieser Saison Gegner des FC Barcelona zu sein.

Am Sonntag hat der gefräßige spanische Rekordsieger auch noch die Champions League gewonnen, in einem spektakulär einseitigen Finale, 36:23 (16:11) gegen das dänische Überraschungsteam Aalborg Handbold. Für Barcelona war es im 61. Spiel der Saison tatsächlich der 61. Sieg. Liga, heimischer Pokal, Königsklasse, alles gewonnen. Nur ein einziges Spiel wurde in diesem Zeitraum verloren, das Champions League-Finale gegen Kiel im Dezember gehörte aber zur vergangenen Spielzeit. Ansonsten keine Niederlage, kein Remis. Gibt's das? "Wir wollten Geschichte schreiben", jubilierte Barças Ausnahmewerfer Dika Mem, "genau das haben wir getan."

Im nächsten Jahr soll Barça wieder etwas mehr Gegenwehr erfahren

Eine perfekte Spielzeit, war da nicht mal was? In Deutschland hat der THW Kiel einmal eine ähnlich unwiderstehliche Saison geboten, im Jahr 2011/12. Da spazierte der THW verlustpunktfrei durch die Liga, was zugegebenermaßen etwas schwieriger ist als in Spanien, wo der Meister seit 2011 immer nur Barcelona heißt - und es oftmals genügt, wenn Barça mit der B-Elf antritt. Kiel sicherte sich damals ebenfalls das Triple inklusive Pokal und Champions League, verlor allerdings in der Gruppenphase der Königsklasse 23:24 gegen HB Montpellier, gegen Ademar Leon gab's zudem ein Unentschieden. Zwei Mini-Makel, mehr nicht.

Barcelona hat nun wirklich jedes Spiel gewonnen. Das Finale des Final-Four-Turniers in Köln war dabei nicht einmal eine schwierige Übung, sondern eine einseitige Angelegenheit, da Gegner Aalborg tags zuvor im Halbfinale gegen Paris Saint-Germain viele Kräfte gelassen hatte. Barça warf schnell einen Vorsprung von sechs Treffern heraus, am Ende waren es 13 Tore plus, was für ein Champions-League-Finale, dem nominell hochwertigsten Spiel der Saison, ein bisschen unwürdig anmutete. "Alle haben perfekt gespielt, es ist wundervoll", jubilierte der kroatische Regisseur Luka Cindric: "Ich bin stolz, ein Teil dieses Teams zu sein."

Möglich wurde der Triumph auch, weil die Gegenwehr aus Deutschland diesmal etwas zaghaft ausfiel. Der THW Kiel hätte seinen erst im Dezember errungen Sieg im verspätet ausgetragenen Final-Four-Turnier der vergangenen Saison gerne wiederholt, scheiterte aber im Viertelfinale an Paris - gebeutelt durch die unglaubliche Spieledichte in der Pandemie-Saison. Auch die SG Flensburg-Handewitt ist normalerweise ein Kandidat für das Final-Four in Köln, verlor aber im Viertelfinale gegen Aalborg. Beide Klubs kämpfen nun Punkt an Punkt um den deutschen Meistertitel, zum Vergleich: In Spanien hat Barça den Titel seit Wochen sicher.

Im nächsten Jahr soll Barcelona zumindest international wieder etwas mehr Gegenwehr erfahren, und Hoffnung macht, dass im Team ein nicht zu unterschätzender Umbruch ansteht: Die ewige Rückraumkante Raul Entrerrios, 40, hat mit dem Champions-League-Erfolg seine Karriere beendet, und auch Coach Xavi Pascual wird den Klub nach zwölf Jahren verlassen, er geht zu Dinamo Bukarest nach Rumänien. Sein Nachfolger dürfte aus der Bundesliga kommen: Die Personalie ist zwar noch nicht final bestätigt, es soll sich aber um Carlos Ortega handeln, den früheren Barça-Spieler, der derzeit noch beim TSV Hannover-Burgdorf auf der Bank sitzt.

Am Sonntag in Köln war es deshalb kein Spieler, sondern Pascual, der die Trophäe als erster in die Luft recken durfte. Für ihn persönlich endet eine Ära: Pascual stand schon als Spieler, genauer als Torwart, für Barcelona auf dem Feld und hat in seiner Zeit im Verein insgesamt mehr als 50 Titel gewonnen. Noch so eine unwirkliche Zahl.

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