Handball-EM:Sicherheit ist gewährleistet

Slovenia v Germany - EHF Euro Croatia 2018

Sloweniens Trainer Veselin Vujovic beim Versuch, den gegnerischen Siebenmeterschützen zu irritieren - ohne Erfolg.

(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty)

Umstrittene Videobeweise, mitspielende Trainer, optimistische Zahlen und Vorbereitungen für den Notfall: Ein Streifzug durch die Kuriositäten des Turniers in Kroatien.

Von Ralf Tögel

Die größten Diskussionen bei der am Sonntagabend mit dem Finale zwischen Spanien und Schweden beendeten Handball-EM in Kroatien gab es über den Videobeweis. Der Weltverband IHF setzt seit der WM 2015 in Katar auf technische Hilfsmittel, in Europa werden sie seit dem Final Four in der Champions League 2016 in Köln angewendet. Das Instant Replay gibt den Schiedsrichtern die Möglichkeit, Bilder sofort in Zeitlupe zu sichten, was 17 Mal getan wurde, wie die EHF auf der Abschlusspressekonferenz feststellte. Die strittigste Entscheidung war ein Siebenmeter für Deutschland nach Ablauf der Spielzeit in der Partie gegen Slowenien - dafür schauten die litauischen Unparteiischen sieben Minuten lang die Bilder. Vielleicht hätten sich die Verantwortlichen das Geschehen beim Hauptrundenspiel Kroatien gegen Weißrussland intensiver ansehen sollen, denn da war genau zu sehen, wie Kroatiens Trainer Lino Cervar den weißrussischen Rückraumspieler Artur Karvazki festhält, der unmittelbar danach in ein Stürmerfoul stolpert - Kroatien bekommt den Ball und entscheidet im Gegenzug das Spiel. Sloweniens Trainer Veselin Vujovic stellte jedenfalls fest, dass der Sport "von Idioten" geleitet werde, womit er aber nicht die Entscheidung in der Causa Cervar meinte. In der Bundesliga soll der Videobeweis erstmals bei der Pokal-Endrunde am 5./6. Mai in Hamburg zum Einsatz kommen.

Dem Besten droht der Abstieg

Mikkel Hansen? Nikola Karabatic? Sander Sagosen? Der Däne, der Franzose und der Norweger verdienen beim fürstlich aus Katar subventionierten Starensemble von Paris St. Germain gutes Geld, und alle drei haben bei der EM überzeugt, sogar begeistert. Doch einer hat ihnen die Show gestohlen: Andrej Zdrahala. Der tschechische Nationalspieler verlor zwar das Spiel um Platz fünf gegen Gastgeber Kroatien mit 27:28 Toren, was sein Teamkollege Pavel Horak mit einem verklausulierten Hinweis auf die Unparteiischen kommentierte: "Jeder hat gesehen, wie viel Hilfe die Kroaten gebraucht haben, um uns zu besiegen." Zdrahala jedenfalls knallte den Kroaten 13 Mal den Ball ins Gehäuse und ist mit 55 Treffern bester EM-Torschütze. Hansen, Karabatic und Sagosen werden in dieser Saison sicher noch den französischen Titel gewinnen und vielleicht die Champions League, Ondrej Zdrahala wird mit seinem Verein TSV St. Otmar/St. Gallen in der Abstiegsrunde um den Verbleib in der Schweizer Nationalliga A kämpfen.

Clowns im Zirkus

Den größten Unterhaltungswert hatten bei der Europameisterschaft ganz klar die Trainer. Der slowenische stellte sich vor dem entscheidenden Siebenmeter ins Tor und versuchte, den Schützen zu verunsichern, was ihm nicht gelang. Tobias Reichmann traf gegen Matevz Skok zum Ausgleich, Veselin Vujovic bezeichnete das Spiel nachher als Zirkus - in dem er selbst den Clown gegeben hatte. Kroatiens Trainer Lino Cervar spielte ein bisschen mit, was ihn etwas Taschengeld gekostet hat (nämlich bloß 3000 Euro Strafe), und der deutsche Bundestrainer Christian Prokop gibt seit Tagen Anlass zu Debatten, obwohl er erst einmal abgetaucht ist. Vujovic ist 57, hat einen Vertrag bis 2020 und gilt trotz Platz acht weiter als Heilsbringer des WM-Dritten. Cervar ist 67, der fünfte Platz der Kroaten ist eine Enttäuschung, er überlegt, ob er weitermachen wird. Auch die Zukunft von Prokop als Bundestrainer ist fraglich, auch wenn er erst 39 ist und gerne weitermachen würde. Mit dem neunten Platz von Titelverteidiger Deutschland hat er sein erstes Turnier gründlich in den Sand gesetzt.

Volle Hütte

Den größten Lacher fabrizierte der kroatische Verbandspräsident Tomislav Grahovac auf der Abschlusspressekonferenz, als er allen Ernstes davon sprach, dass die Hallen immer recht voll gewesen seien. Was auch daran gelegen habe, dass 56 Prozent der Fans Gäste aus anderen Ländern gewesen seien. Grahovac kann sich möglicherweise auf einen Übersetzungsfehler beziehen, denn er war neben Organisationschef Silvio Njiric der einzige Funktionär, der auf dem Podium die Hilfe einer Übersetzerin in Anspruch nehmen musste. Im Spiel um Platz fünf zum Beispiel saßen gerade mal 3500 Zuschauer in der 15 000 Zuschauer fassenden Zagreb Arena, im ersten Halbfinale zwischen Spanien und Frankreich waren es 6000. Die offiziellen Zahlen wirken sehr optimistisch, die Organisation indes war nicht zu beanstanden, vor allem die Sicherheit war stets gewährleistet, wie DHB-Präsident Andreas Michelmann bei seinem Abschlussgespräch in Varazdin feststellte. "Daran hat es nicht gelegen", sagte Michelmann zum Abschneiden seiner Mannschaft, auch das war ein Lacher.

Torhüter auf dem Sprung

Meistens standen die Schlussmänner im Fokus bei diesem Turnier. Die Weisheit, dass man mit dem Angriff Spiele, mit der Abwehr Titel gewinnt, ist nicht neu, wurde aber in Kroatien erneut bestätigt. Die Torhüter waren auch der Grund, warum die großen Favoriten Dänemark und Frankreich in ihren Halbfinals scheiterten - es waren allerdings die der Gegner. Das schwedische Duo Palicka/Appelgreen und das spanische Gespann Corrales/Sterbik zählten zu den besten des Turniers. Für den dänischen Keeper Niklas Landin hingegen wäre es vielleicht sowieso nichts mit dem Finale geworden. Denn seine Frau liegt zu Hause in den Wehen, Geburtstermin für Landins zweites Kind ist der 2. Februar. Wenn es losgeht, ist er weg, komme was wolle, hatte der 29-Jährige vor dem Turnierbeginn klargestellt. Für den Notfall hatte der dänische Verband vorsichtshalber den Flensburger Kevin Möller einfliegen lassen.

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