Deutsche Handballerinnen:An der Abwehr lag es nicht

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Xenia Smits im Clinch mit der Dänin Michala Möller: Am Ende waren die Topnationen in der Hauptrunde der EM in Wien aber zu stark. (Foto: Liselotte Sabroe/AFP)

Xenia Smits ist eine der besten Abwehrspielerinnen bei der EM, sie blockt die meisten Würfe – trotzdem ist für die Deutschen bereits in der Hauptrunde Schluss. Der Abstand zu den Topnationen ist deutlich zu groß.

Ulrich Hartmann

Was Xenia Smits zu ihrer Verteidigung zu sagen hat? „Ich spiele schon wirklich sehr gern in der Abwehr“, sagt die Verteidigerin lächelnd. Die 30 Jahre alte Handball-Nationalspielerin ist da vollumfänglich geständig. Sie kommt zwar auch offensiv zum Einsatz, im Rückraum, allerdings bedeutet ihr das Bejubeln eigener Tore nicht ganz so viel wie hinten Tore zu verhindern. So ist das nun mal bei Xenia Smits.

Am Mittwoch geht für Smits und die deutsche Nationalmannschaft die Europameisterschaft zu Ende. Im abschließenden Hauptrundenspiel trifft ihr Team in Wien auf Slowenien (15.30 Uhr, Sportdeutschland.tv), aber es geht dann um nichts mehr. Die deutsche Mannschaft hat das erträumte Halbfinale längst verpasst, und auch das Spiel um Platz fünf. Drei Spiele wurden im Turnierverlauf klar gewonnen, gegen die Ukraine, Island und die Schweiz. Die drei entscheidenden Partien gingen jedoch klar verloren: in der Vorrundengruppe 22:29 gegen die Niederlande, in der Hauptrunde 22:30 gegen Dänemark und am Montagabend 27:32 gegen Norwegen.

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Von Ulrich Hartmann

So richtig Spaß gemacht hat den deutschen Spielerinnen diese EM letztlich wohl nicht, denn die drei Niederlagen fielen zu deutlich aus. Xenia Smits vom deutschen Meister HB Ludwigsburg war bei dieser EM trotzdem wieder eine der besten Abwehrspielerinnen: Sie blockte die meisten Würfe im ganzen Turnier, sie geht stets kompromisslos zur Sache und hatte die Hoffnung besessen, dass eine stabile Abwehr die Basis für einen erfolgreichen Turnierverlauf sein könnte. Insgesamt aber – vordergründig offensiv – war die deutsche Auswahl diesmal gegen die Topnationen nicht konkurrenzfähig.

Da ist es ganz gut, dass Smits jetzt nicht allzu lange grübeln und hadern muss. Zwei Bundesligaspiele stehen noch an in diesem Jahr, das ist zwar anstrengend, aber Smits sagt über sich: „Ich kann ganz schlecht stillsitzen.“ Und was wäre da besser, als nach einer mauen EM einfach direkt weiter Handball zu spielen?

Zum 16. Mal in Serie hat Deutschland bei einer Welt- und Europameisterschaft das Halbfinale verpasst

Das mit dem steten Bewegungsdrang hat sich auch nicht geändert, seit sie im April 30 Jahre alt geworden ist. Nicht stillsitzen zu müssen, heißt für die gebürtige Antwerpenerin, die mit 19 Jahren den deutschen Pass erhielt, dass sie mit ihrem Klub in der Bundesliga und der Champions League spielt, mit der Nationalmannschaft bei Europa- und Weltmeisterschaften; dass ihr Leben nahezu ausschließlich aus Handball besteht und ein beträchtlicher Teil ihrer Freizeit zusätzlich für freiwillige Gänge in den Kraftraum draufgeht. Vor allem in ihren fünf Jahren in Metz (2015 bis 2020), sagt sie, habe sie gelernt, wie athletische Arbeit gehe und wie wichtig diese sei.

Davon profitiert ihr Klub, mit dem sie dieses Jahr zum dritten Mal nacheinander Meister geworden ist und mit dem sie sogar im Champions-League-Finale gestanden hat – davon profitiert normalerweise auch die Nationalmannschaft. Diesmal leider nicht.

An Smits und der Abwehr lag es allerdings noch am wenigsten, dass Deutschland es zum 16. Mal in Serie bei Welt- und Europameisterschaften nicht ins Halbfinale geschafft hat. Bei der EM 2008 war das mit dem vierten Platz zum bislang letzten Mal gelungen, unter dem Bundestrainer Armin Emrich und mit der damals besten Rückraumspielerin des Turniers: Grit Jurack. So eine Schützin hatte die deutsche Mannschaft seither nicht mehr, und auch das ist ein Grund dafür, dass der Durchbruch in die Weltspitze, den man seit 16 Jahren herbeisehnt, nicht gelingt.

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Ulrich Hartmann

Umso besser für Smits, dass sie mit Ludwigsburg in der Bundesliga und der Champions League noch große Ziele hat. Am Freitag nach Weihnachten geht die Saison mit einem Auswärtsspiel bei der TuS Metzingen weiter, und zwei Tage später empfangen sie sonntags auch noch die HSG Blomberg-Lippe. Von der Belastung her ist das herausfordernd, aber für Handballerinnen, die schlecht stillsitzen können, ist es ein Jahresende wie gemalt.

Spielerin der Saison? „Die Auszeichnung macht mich glücklich, sie ist was Besonderes“, sagt Smits

Vielleicht wird Smits über den Jahreswechsel dann doch ein wenig zur Ruhe kommen und über ein Jahr 2024 nachdenken, das vollgepackt war mit Action: wieder deutscher Meister, erstmals im Champions-League-Finale, erstmals zur Bundesliga-Spielerin der Saison gewählt, erstmals bei Olympia. Und dann wurde Smits auch noch in die Athletenkommission des Weltverbands gewählt. „Vor mir hat Jogi Bitter zu dieser Kommission gehört, und für uns als Deutscher Handballbund ist es wichtig, da auch weiterhin mit einer Person vertreten zu sein“, sagt sie. Die erste Sitzung ist im nächsten Jahr.

Als Spielerin der Saison in der Bundesliga ausgezeichnet worden zu sein, belohnt all die Arbeit, die sich Smits macht. Ihrem Teamsportgedanken widerspricht so eine individuelle Auszeichnung allerdings ein wenig. „Toni Kroos hat beim Fußball die Frage aufgeworfen, warum es in einem Mannschaftssport überhaupt eine Einzel-Auszeichnung gibt“, sagt sie: „So denke ich auch ein bisschen, aber gefreut habe ich mich trotzdem sehr. Die Auszeichnung macht mich glücklich, sie ist was Besonderes.“

Und so wird das olympische Jahr 2024 als ein besonderes in ihre Karriere eingehen. „Ich habe sehr viele sehr spezielle Sachen erlebt“, sagt sie und fügt hinzu: „Einiges fühlt sich an, als wär’s schon viel länger her. Daran merkt man, wie die Zeit verfliegt.“ Und wie wenig Xenia Smits wieder stillgesessen hat.

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