Handball-EM-Fazit:König Mikkel und die Wunderwirbler

Die Dänen überragen, die Franzosen versagen, serbische Fans verletzen ihren eigenen Spieler mit einer Flasche: Die Handball-EM in Serbien brachte verwunderliche Geschichten hervor. Der deutsche Kapitän Pascal Hens spielt indes so schlecht, dass er gleich seinen Rücktritt erklärt. Die EM-Bilanz in Bildern.

Carsten Eberts

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Serbia v Denmark - Final - Men's European Handball Championship 2012

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Die Dänen überragen, die Franzosen versagen, serbische Fans verletzen ihren eigenen Spieler mit einer Flasche: Die Handball-EM in Serbien brachte verwunderliche Geschichten hervor. Der deutsche Kapitän Pascal Hens spielt indes so schlecht, dass er gleich seinen Rücktritt erklärt. Die EM-Bilanz in Bildern.

Von Carsten Eberts

Kampf der Systeme

Das Finale wurde zum Duell der Handball-Systeme. Auf der einen Seite die Serben mit ihrer krachend harten Abwehr, die im Turnierverlauf nie mehr als 22 Tore in einem Spiel kassierten - die im Angriff jedoch auf starren Positionshandball setzten und ihren Idividualisten vertrauten. Auf der anderen Seite die Dänen mit ihrem überfallartigen Tempo-Handball: Sie überrannten ihre Gegner regelmäßig, verwirbelten sie, vor allem über ihre schnell aufrückenden Außenspieler Lars Christiansen, Anders Eggert oder Hans Lindberg. Durchgesetzt haben sich schließlich die Dänen: Sie wurden neuer Europameister, weil sie den spektakulärsten Handball zelebrierten. Was eine ziemlich gute Nachricht ist.

EHF Handball European Championships 2012

Quelle: dpa

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Überragender Spieler des Turniers

Auch wenn der serbische Rückraummann Momir Ilic als wertvollster Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde: Überragender Akteur der Finalrunde war der Däne Mikkel Hansen. Der faszinierte schon bei der WM in Schweden, agierte nun, ein Jahr später, noch stärker: Niemand geht wuchtiger auf die gegnerische Abwehrreihen zu und hat dabei noch so viele Möglichkeiten, wie er zum Torerfolg kommt. Links vorbei, rechts vorbei, Hüftwurf, Stemmwurf oder einfach mal wunderbar fliegen: Mikkel Hansen kann alles. Und das mit gerade 24 Jahren.

EHF Handball European Championships 2012

Quelle: dpa

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Pascal Hens tritt zurück

Für die deutschen Handballer verlief die EM mit Platz sieben und der verpassten Olympia-Qualifikation nicht gerade zufriedenstellend, jedoch weniger desaströs als erwartet. Anders für Pascal Hens: Als Kapitän in die EM gestartet, saß er meist auf der Ersatzbank; spielte er, dann so schlecht, wie man es von Hens nicht kannte. Nur einen Tag nach dem Finale dann der logische Schritt: Hens erklärte seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. "Nach elf Jahren Handball ohne Pausen im Verein und in der Nationalmannschaft muss ich meinem Körper Erholungsphasen geben", sagte der Rückraumspieler: "Ich werde bald 32 und will noch einige Jahre im Verein spielen. Da bleibt mir keine andere Wahl." Die Anzahl der Weltmeister von 2007 wird im deutschen Team immer geringer.

Germany's head coach Heuberger reacts during Men's European Handball Championship match against Poland in Belgrade

Quelle: REUTERS

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Martin Heuberger, der neue Chef

Besser verlief die EM für den Bundestrainer. Viele waren unglücklich mit der Entscheidung des DHB, den bisherigen Ko-Trainer Martin Heuberger zum Nachfolger des zurückgetretenen Heiner Brand zu machen. Weil er kein mitreißender Typ ist, weil mit ihm kein Neuanfang zu schaffen sei. Vor diesem Hintergrund war Heuberger einer der wenigen deutschen Gewinner bei der EM: Nicht nur, weil er dem Team mit goldrichtigen Einwechslungen in entscheidenden Situationen zu Punktgewinnen verhalf (siehe Sven-Sören Christophersen gegen Serbien). Sondern auch, weil er als Typ gut ankam - und weil er bei seinen Timeout-Ansprachen humoristisches Potential bewies. Unvergessen sein heiser-geschwäbeltes "Los Jungs, denne hau' mer jetzt um!"

Gensheimer of Germany celebrates a goal against Denmark during their Men's European Handball Championship main round match in Belgrade

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Deutsche Außen

Auf vielen Positionen hakte es im deutschen Team: im Rückraum, am Kreis, manchmal auch im Tor. Nur auf den Außenpositionen hat Bundestrainer Heuberger keine Sorgen. Auf Rechtsaußen bildeten Patrick Groetzki und Christian Sprenger ein sehr treffsicheres Duo, auf Links hatte Uwe Gensheimer (im Bild) sehr gute Auftritte, der zudem als Siebenmeterschütze überzeugte. Im entscheidenden Spiel gegen Polen setzte Heuberger überraschend auf den Kieler Dominik Klein, mit dem Ergebnis: Klein war bester Mann auf dem Platz. Zum Halbfinaleinzug hat es trotzdem nicht gereicht. Denn Außenspieler gewinnen im Handball höchst selten allein.

Serbia v Denmark - Final - Men's European Handball Championship 2012

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Laut, lauter, Serbien

Was die Unterstützung des Heim-Teams anging, setzten die Serben bei dieser EM Maßstäbe. Angetrieben vom Hallensprecher brüllten die 20.000 fanatischen Fans, wie man es im Handball selten zu hören bekam, wenn auch nicht immer fair: Im Halbfinale gegen den Erzrivalen Kroatien pfiffen sie die kroatische Hymne gnadenlos nieder, ständig flogen Feuerzeuge oder Münzen auf den Platz. Einmal flog sogar eine Flasche aus dem serbischen Block in Richtung kroatische Bank. Getroffen wurde jedoch der eigene Spieler, der Serbe Zarko Sesum (im Bild). Er musste ins Krankenhaus, wurde lange behandelt - und verpasste das Endspiel.

HANDBALL-EURO-2012-MEN-FRA-ISL

Quelle: AFP

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Schwache Franzosen

Mit dieser Option hatte niemand gerechnet. Die Handball-Weltmacht Frankreich (im Bild Kreisläufer Bertrand Gille), die alle vier vergangenen Großturniere in Serie gewann, kam nicht mal ins Halbfinale. Was war geschehen? Die Spieler von Nationalcoach Claude Onesta wirkten nicht fit, verloren gegen Spanien, Ungarn und Kroatien, waren weit von ihrer Form vergangener Turniere entfernt. Besiegelte das frühe EM-Aus gar das Ende einer Ära? Onesta warnt: "Erst die Olympischen Spiele im Sommer werden zeigen, ob diese Generation am Ende ist." Onesta glaubt natürlich: Sie ist nicht am Ende. Eines ist dennoch gewiss: Eine alles dominierende Mannschaft im Welthandball gibt es nicht mehr.

EHF Handball European Championships 2012

Quelle: dpa

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Spanischer EM-Fluch

Die Angelegenheit schien klar: Als die Franzosen frühzeitig das EM-Turnier verlassen mussten, sollte endlich die Stunde der Spanier schlagen. Noch nie konnte Spanien einen EM-Titel holen, der letzte WM-Erfolg ist auch schon sieben Jahre her. Dabei hat Spanien eine formidable Generation, die sich als einziges Team überhaupt souverän durchs Turnier spielte. Bis zum Halbfinale: Da kamen die Dänen, wie schon bei der EM 2011 und kegelten die Spanier raus. Die waren konsterniert - und hatten die Gewissheit: Der spanische Angstgegner heißt definitiv Dänemark.

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Quelle: AFP

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Überraschung durch Mazedonien

Das kleine Land war die eigentliche Überraschung des Turniers: In der Vorrunde noch knapp an Deutschland gescheitert, bissen sich die unerfahrenen Mazedonier regelrecht in die EM. Angeführt von ihren ungemein lautstarken Fans, die ihrer Mannschaft zu Tausenden folgten, zog Mazedonien in die Hauptrunde ein - und schaffte am Ende das Unmögliche: Durch einen Sieg im letzten Spiel gegen Slowenien sicherte sich Mazedonien Platz fünf und damit den Platz im olympischen Qualifikationsturnier. Wem sie das zu großen Stücken verdanken hatten, wussten alle: Kiril Lazarov (rechts im Bild). Der stellte mit 61 Turniertoren einen neuen EM-Rekord auf.

Germany's Sprenger reacts during Men's European Handball Championship match against Poland in Belgrade

Quelle: REUTERS

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Fragwürdiges All-Star-Team

Zu guter Letzt: Auch in diesem Jahr verwunderte die EHF mit der Besetzung des All-Star-Teams. Sicher, die Nominierung von Torhüter Darko Stanic (Serbien), Linksaußen Valur Gudjon Sigurdsson (Island) und Mikkel Hansen (Dänemark) im linken Rückraum waren unstrittig. Diskussionswürdig schon die Adelungen des Slowenen Uros Zorman als bester Mittelmann und Kreisläufer Rene Toft Hansen (Dänemark). Unverständlich war dann die Nominierung von Marko Kopljar (Kroatien) im rechten Rückraum, hatte die EHF hier doch den starken Mazedonier Lazarov übersehen. Grund zur Freude hatte auch Christian Sprenger (im Bild) vom THW Kiel: Er wurde als bester Rechtsaußen ausgezeichnet. Was jedoch eine sehr freundliche Geste sein musste. Auch der überragende dänische Rechtsaußen Hans Lindberg wird es mit Verwunderung aufgenommen haben.

© Süddeutsche.de
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