Süddeutsche Zeitung

Philipp Weber bei der EM:Der Lichtblick der deutschen Handballer

  • Mit fünf Treffern war Philipp Weber beim 26:22 der Handballer gegen Tschechien am Mittwoch der erfolgreichste Angreifer der Deutschen.
  • Für Weber ist die EM ein Erfolg, dabei war sein Start unter Christian Prokop eine Katastrophe.
  • Der Spielplan mit allen Terminen.

Von Saskia Aleythe, Wien

Auf seine Anfänge als Nationalspieler möchte Philipp Weber am liebsten gar nicht mehr angesprochen werden. Ist ja auch verständlich: Wie er 2018 bei der EM beim letzten Angriff gegen Mazedonien mit einem falschen Pass die Chance auf den Sieg vertändelte und anschließend vom Bundestrainer vor Millionen TV-Zuschauern einen Rüffel abbekam, das weckt in keinem Handballer positive Erinnerungen. Aber es hat sein Gutes, dass diese Szene heute wieder relevant ist, denn nun sagt der gleiche Bundestrainer, Christian Prokop, über Weber: "Es macht Lust auf mehr, was er da anbietet."

Mit fünf Treffern war Weber beim 26:22 gegen Tschechien am Mittwochabend in Wien der erfolgreichste Angreifer der Deutschen; es war eine sportlich nachrangige Partie, aber dennoch eine mit wertvollen Erkenntnissen: Dieser Philipp Weber hat sich trotz der Enttäuschungen der vergangenen Jahre nun in die erste Reihe gespielt und könnte sich zu dem entwickeln, was man händeringend sucht: einen überzeugenden Spielgestalter. Weber zeigt, dass sich Missverständnisse korrigieren lassen, das hat er dann auch mit Prokop gemein.

"Ich finde, dass sich die Mannschaft vom Gefühl her hervorragend nach vorn entwickelt", sagte Prokop nun, als gegen Tschechien die Hauptrunde abgeschlossen war; nach verunglückter Vorrunde hatte das Team um Kapitän Uwe Gensheimer gegen Weißrussland, Österreich und Tschechien gesiegt und war erst in den letzten Minuten knapp am Halbfinalisten Kroatien gescheitert. Der Aufschwung in Wien lässt sich auch mit den positiven Erscheinungen dieser EM erklären.

Kastening, Bitter und Weber: Drei spielen sich in den Vordergrund

Da ist etwa der junge Rechtsaußen Timo Kastening, der laut Prokop eine "freche" EM abliefert, da ist Veteran-Torhüter Johannes Bitter - nach 15 Paraden gegen Österreich nun mit zwölf abgewehrten Bällen gegen Tschechien - und da ist eben Weber, der sich auf der deutschen Problemposition im Rückraum ins Turnier gespielt hat. Die Partie gegen Tschechien war der beste Beleg, dass der Weber von vor zwei Jahren mit dem heutigen nur noch wenig zu tun hat. Und dass manche Ideen von Prokop erst mit der Zeit aufgehen.

Die DHB-Auswahl hat im gesamten Turnier immer wieder fehleranfällige Spiele hingelegt, auch gegen die Tschechen brachte man sich mit Ballverlusten und Stürmerfouls aus dem Konzept - doch Weber ist derzeit so selbstsicher, dass ihm fast alles gelingt. Wo ihn früher noch Schrittfehler oder Zeitspiele in Verlegenheit brachten, war er in Wien ein Garant für ein flüssiges Angriffsspiel, auch wenn noch nicht jeder Wurf im Tor landete. "Er beschäftigt sich intensiver als in der Vergangenheit mit der Spielführung und ist selber torgefährlich dazu", sagte Prokop. Ersteres führte dazu, dass Weber verstärkt auf der Mitte zum Einsatz kam statt auf Halblinks wie im Verein und Paul Drux verdrängt hat. "Das ist meine Aufgabe hier, ich soll das Spiel leiten", sagte Weber selbstbewusst.

Weber hat Übersicht und gelernt, sie zu behalten

Seine Würfe sind genauso hart wie die von Norwegens Sander Sagosen oder von Domagoj Duvnjak aus Kroatien, er hat Übersicht und gelernt, sie auch zu behalten: Weil er das Spielsystem von Prokop so gut kennt wie niemand sonst im Team. "Vielleicht ist es deshalb für mich ein bisschen leichter, weil ich es auch schon in Leipzig gespielt habe", sagte er. Beim SC DHfK Leipzig war Prokop bis 2017 Trainer, Weber trainierte drei Jahre unter ihm, doch der Analytiker Prokop und der Freigeist Weber prallten auch immer wieder aufeinander. Der junge Angreifer wechselte nach Wetzlar, wurde Torschützenkönig der Bundesliga und kam erst nach Leipzig zurück, als Prokop Leipzig schon Richtung des Deutschen Handballbundes (DHB) verlassen hatte. Mittlerweile haben sich beide Welten aber so vereint, dass beide Seiten voneinander profitieren. "Er hat eine sehr erwachsene EM gespielt", fand schließlich auch Bob Hanning, Vizepräsident des DHB.

So gab es nicht nur für Weber mit seinen 20 Turniertreffern nach dem Hauptrunden-Abschluss als Belohnung Wiener Schnitzel vom Mannschaftskoch; das sollte nun noch mal die Lebensgeister wecken, um nach der Weiterreise nach Stockholm gegen Portugal am Samstag noch auf Rang fünf bei dieser EM zu kommen. "Es ist schon jetzt ein versöhnlicher Abschluss", fand Prokop, "weil die Mannschaft einfach eine tolle Entwicklung nimmt und eine tolle Einstellung hat." In Fabian Wiede, Tim Suton, Simon Ernst, Martin Strobel, Steffen Weinhold und Franz Semper hatten einige Impulsgeber im Rückraum bei dieser EM gefehlt, nun hofft man im DHB darauf, dass bis zum Olympia-Qualifikationsturnier im April der ein oder andere ins Team zurückkehrt.

Davon ist der einzig gelernte Mittelmann mit beachtlicher DHB-Erfahrung Martin Strobel, mit 33 Jahren eher nicht der Mann der Zukunft. Mit 27 Jahren liegen die besten Jahre vielleicht noch vor Philipp Weber. Die größte Chance liegt manchmal in der Krise.

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