Handball-EM:Was bei den deutschen Handballern besser werden muss

Handball EM: Spanien - Deutschland

Deutschlands Patrick Wiencek (r) setzt sich gegen Spaniens Julen Aguinagalde Akizu durch.

(Foto: dpa)
  • Deutschland verliert das zweite Gruppenspiel der Handball-EM gegen Spanien deutlich und verdient mit 26:33.
  • Das Team offenbart zahlreiche Schwächen. Neben diskutablen Personalentscheidungen von Trainer Prokop sind die Leistungsträger Gensheimer und Wollf noch nicht im Turnier.
  • Dennoch hat die deutsche Mannschaft noch alle Chancen auf das Halbfinale.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Handball-EM.

Von Joachim Mölter, Trondheim

Christian Prokop, der Bundestrainer der deutschen Handballer, und Uwe Gensheimer, sein Kapitän, saßen am Samstagabend nebeneinander auf einem Podium im Keller der Trondheimer Sportarena und lieferten sich dabei eine Art Kopf-an-Kopf-Rennen: Wer würde es schaffen, den Kopf tiefer hängen zu lassen nach der 26:33 (11:14)-Niederlage, welche die Auswahl des Deutschen Handballbundes kurz zuvor erlitten hatte im EM-Vorrundenspiel gegen Spanien? Gensheimer lag schließlich knapp vorne: Bevor sein Kopf auf dem Tisch aufschlagen konnte, stützte er ihn vorsichtshalber mit den Händen ab. Aber Prokop war nicht weit zurück - die beiden führenden Männer der deutschen Nationalmannschaft gaben ganz unglückliche Figuren ab.

Zwei Partien hat die deutsche Auswahl erst gespielt bei dieser Europameisterschaft, die erste hat sie gewonnen am vorigen Donnerstag, 34:23 gegen den EM-Neuling Niederlande, die zweite nun verloren, gegen Spanien eben. Aber das hat gereicht, um den Krisenmodus auszulösen. "Das Ergebnis ist eine Katastrophe", fand jedenfalls Hendrik Pekeler, mit fünf Toren der erfolgreichste Werfer im deutschen Team.

Nun ist das Ergebnis allein kein Drama: Man kann auch als WM-Vierter wie Deutschland durchaus verlieren gegen Spanien; das ist immerhin der Titelverteidiger. Aber die Art und Weise der Niederlage war besorgniserregend, fast erschreckend. Die Deutschen waren chancenlos und lagen phasenweise zehn Tore zurück (19:29/51. Minute und 22:32/56.). "Wir haben unsere Defizite klar aufgezeigt bekommen", resümierte Prokop.

Der Rückraum ist Baustelle Nummer eins

Das letzte Gruppenspiel findet an diesem Montag (18.15 Uhr/ZDF) statt, gegen den bislang erfolglosen EM-Neuling Lettland. Bei der Gelegenheit muss Prokop damit anfangen, die Defizite beheben. Sonst wird das nichts in der Hauptrunde in Wien und dem angestrebten Halbfinale.

Der dringendste Handlungsbedarf herrscht im Rückraum, wo dem Bundestrainer ohnehin ein halbes Dutzend Spieler wegen diverser Blessuren fehlt. Schmerzlich vermisst wird vor allem ein Regisseur wie Martin Strobel (noch nicht fit nach Kreuzbandriss) oder Fabian Wiede (Schulter-Operation), der den Angriff in Schwung bringt. Die gelernten Halblinken Paul Drux, Fabian Böhm und Philipp Weber können das Spiel im Zentrum jedenfalls nicht so lenken, wie man es gegen starke Gegner müsste. Und ein Talent wie den 22 Jahre alten Marian Michalczik, der es vielleicht könnte, hatte sich Prokop gegen Spanien nicht einzusetzen getraut.

Mangelnde Routine und fehlende Abstimmung hatten dazu beigetragen, dass die deutschen Handballer gleich am Anfang dreimal den Ball im Angriff verloren. Dabei hatten sie gewusst, wie sehr es auf Pass- und Ballsicherheit ankommen würde. Die Spanier sind ja bekannt für ihre Gegenstöße nach Ballgewinnen. "Wenn sie zu viele einfache Kontertore werfen, haben wir ein Problem", hatte Pekeler am Freitag noch gewarnt.

2020 EHF European Men's Handball Championship - Spain v Germany

Andreas Wolff fängt sich ein Gegentor nach einem Trick-Wurf von Raul Entrerrios Rodriguez ein.

(Foto: via REUTERS)

Insgesamt elf Ballverluste durch Fehlpässe oder technische Fehler leistete sich die DHB-Auswahl - die Spanier nutzten das gnadenlos aus. Auf der anderen Seite schafften es die deutschen Handballer nicht, ihre Kontergelegenheiten genauso konsequent zu nutzen. Symptomatisch dafür war die Szene, als sie zum 10:10 hätten ausgleichen können: Torwart Johannes Bitter hatte einen Wurf abgewehrt, Drux den Gegenangriff aber zu zögerlich eingeleitet - der Spanier Jorge Maqueda schlug ihm den Ball aus der Hand, und Alex Duschebajew vollendete die Rückholaktion mit einem seiner sieben Tore zum 11:9 (22.). Näher kamen die Deutschen nicht heran.

Schon bei der Heim-WM im vorigen Jahr galt das Tempospiel als Manko der DHB-Auswahl. Gerade angesichts der absehbaren Rückraumschwäche wollte man das in diesem Jahr besser machen. "Wir hätten mehr Mut haben müssen, mehr Zug zum Tor", fand Drux am Sonntag. Aber mit der Umsetzung der Vorhaben hapert es offensichtlich generell im deutschen Team. Wenn man den Spielern glaubt, hatte ihnen der Trainer jedenfalls einen guten Plan zurechtgelegt für die Partie gegen Spanien. "Er war richtig, und er hätte auch funktioniert", war Böhm selbst im Nachhinein sicher, schränkte aber ein: "Wenn wir ihn gut umgesetzt hätten."

Die beste Taktik nützt halt nichts, wenn die Spieler sie nicht ausführen. Allerdings waren auch einige Personalentscheidungen von Prokop durchaus diskutabel. So beorderte er den am Samstag indisponierten Torwart Andreas Wolff nach der Pause wieder ins Tor, obwohl Johannes Bitter nach seiner Einwechslung ordentlich gehalten hatte. Wolff ließ dann erneut jeden Wurf passieren, und als Bitter wieder aufs Feld kam, war er aus dem Rhythmus und sowieso schon alles zu spät.

Führungsspieler Gensheimer landet auf der Bank

Zudem ließ der Trainer seinen Kapitän und Führungsspieler Gensheimer in der zweiten Halbzeit komplett auf der Bank sitzen. Der Linksaußen hat überhaupt noch nicht ins Turnier hineingefunden, im Auftaktspiel gegen die Niederlande sah er nach einer Viertelstunde die rote Karte; bis dahin hatte er schon zwei Siebenmeter verworfen. Auch gegen Spanien scheiterte der ansonsten sichere Schütze zweimal von der Linie. "Von der Chancenverwertung her spielt Uwe momentan nicht optimal", sagte Prokop, versicherte aber: "Ich habe vollstes Vertrauen in ihn."

Das sieht allerdings nicht so aus, wenn man einen anerkannten Weltklassemann wie Gensheimer aus einem als wichtig deklarierten Spiel nimmt und durch einen Länderspiel-Neuling wie Patrick Zieker vom TVB Stuttgart ersetzt. Gensheimer spielte die Sache anderntags herunter, er halte die Entscheidung des Bundestrainers für "völlig legitim", sagte er: "Es lief nicht ganz optimal bei mir, und Christian wollte frischen Wind reinbringen." Nachdem er eine Nacht über die Niederlage geschlafen hatte, trug Gensheimer seinen Kopf zumindest wieder oben. "Die Abwehr war okay", resümierte er, "und von der schwachen Angriffsleistung lassen wir uns nicht unterkriegen." Na, dann scheint ja alles bald wieder okay zu sein.

Zur SZ-Startseite
-

Handball im Fernsehen
:Jedes Jahr ein Quotenhit

Erst die Vierschanzentournee, jetzt Handball: Im Januar zeigt sich, dass neben Fußball auch andere Sportarten ein Millionenpublikum finden. Die Regie vertraut auf den Serien-Effekt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: