Süddeutsche Zeitung

Handball-EM:"Das tut im Moment einfach nur weh"

  • Trotz großem Kampf verliert das DHB-Team gegen Kroatien, danach gibt es viele leere Gesichter im Team.
  • Trainer Christian Prokop bescheinigt seinen Spielern ein "großes Herz", muss am Ende aber wieder die Cleverness der Gegner loben.
  • Hier geht es zum Spielplan der Handball-EM.

Von Saskia Aleythe, Wien

Für einen kurzen Augenblick gerieten bei Uwe Gensheimer die Gefühle durcheinander. Tragik kann auch komisch sein und da hätte er fast lachen können, als er über die Absurdität dieses Spiels sprach, aber dafür war der Schmerz dann doch zu groß. Ein bitteres "Hehehehe" kam so nur aus dem Linksaußen heraus, es war dem Umstand geschuldet, dass die Kroaten "1:0 führen und dann in der letzten Minute noch mal." Wäre die Partie nur knapp drei Minuten vor dem Ende abgepfiffen worden, wären die deutschen Handballer als verdiente Sieger vom Feld gegangen. Stattdessen nun: Leere Gesichter.

"Das tut im Moment einfach nur weh", sagte Gensheimer zum 24:25 (14:11) gegen die Kroaten im zweiten Hauptrundenspiel dieser EM, "wir haben es nicht verdient zu verlieren nach so einer Leistung". Trotz großem Kampfgeist ist das anvisierte Turnierziel Halbfinale nun nur noch theoretisch und unter sehr unrealistischen Umständen möglich. Trainer Christian Prokop versuchte, sich am Positiven zu orientieren; er sei stolz auf sein Team, "weil wir heute mit einem großen Herz gespielt haben". In das sich schließlich der Stachel der Enttäuschung bohrte, und Gensheimer sagte: "Der Stachel sitzt tief."

Eine Halbzeit wie die ersten 30 Minuten dieser Partie hatte man im ganzen Turnierverlauf noch nicht von den Deutschen gesehen: Hinten gelangen Torwart Andreas Wolff acht Paraden, die Abwehr um Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler machte den Gegner immer nervöser und offensiv gelangen neben schnellen Toren auch feine Aktionen aus dem Rückraum. "Sie haben alles im Griff gehabt", sagte Kroatiens Domagoj Duvnjak später anerkennend, vor so viele Probleme war das Team bisher bei dieser EM noch nicht gestellt worden. Bis zur 37. Minute lagen sie noch mit fünf Toren zurück.

Doch je mehr Zeit verstrich, umso zittriger wurden die Deutschen. "Vorne haben die Bälle weggeworfen und hinten standen wir nicht mehr so gut wie am Anfang", sagte Wiencek später. Dazu kam, dass die letzten Tempotore zu Beginn der zweiten Halbzeit fielen, danach gar nicht mehr. Und so bestätigte sich dann, was sich schon vor diesem Turnier abgezeichnet hatte: Dass es bei all den Absagen erfahrener Rückraumkräfte auf die schnellen Tore ankommen würde. Nur hat man die außer im Spiel gegen Weißrussland selten zu Gesicht bekommen.

Allein sechs Ballverluste in der zweiten Halbzeit brachten die Kroaten wieder heran, dazu erwischte Julius Kühn keinen guten Tag. Ausgerechnet Kühn, den man als Waffe aus dem Rückraum für genau solche Spiele ins Team geholt hatte. Prokop sprach davon, "dass wir heute von halblinks nicht das Wurfglück hatten, das wir gebraucht hätten", damit war dann auch Fabian Böhm gemeint, der von drei Würfen nur einen verwandeln konnte. Trotz der vielen technischen Fehler wollte Prokop keinen Einbruch in der zweiten Hälfte gesehen haben, "sondern die Kroaten machen's total clever, holen Zeitstrafen raus", fand der Bundestrainer später. Insgesamt 16 Minuten hatten die Deutschen dezimiert spielen müssen, doppelt so lange wie Kroatien.

Das Wort "clever" fiel an diesem Abend oft und es ist ja schon ein Muster, das sich in den letzten Jahren zusammengesetzt hat: Clever sind am Ende oft die anderen. Als im vergangenen Jahr bei der WM das Spiel um Platz drei gegen Frankreich ähnlich dramatisch verloren ging, sagte Torwart Andreas Wolff: "Wir haben uns mit Dummheiten um Bronze gebracht." Was auch damit zu tun hat, dass vor allem die DHB-Spieler im Rückraum in ihren Vereinen wie Melsungen oder Hannover selten solche Stresstests zu bestehen haben wie bei den großen Turnierspielen. "Wir können ja mal rüberschauen zu den Kroaten, wer da in der Champions League aktiv ist, was die für Spieler haben und was meine Mannschaft entgegensetzt. Da kann ich nur den Hut ziehen", sagte Prokop nun.

Seine Spieler waren für Stolz auf ihr kämpferische Leistung noch zu traurig; die Atmosphäre in der Wiener Stadthalle mit zahlreichen kroatischen und deutschen Fans brannte sich aber als gute Erinnerung ein. "Wir hätten ihnen heute gerne den Sieg geschenkt", sagte Kai Häfner; Hendrik Pekeler meinte: "Von der Emotionalität hätte es auch das EM-Finale sein können." Die nächsten Spiele gegen Österreich am Montag und Tschechien am Mittwoch sollen die deutschen Handballer zumindest noch ins Spiel um Platz fünf führen.

Wie man das hinbekommt nach so einem Spiel? "Ziemlich schwierig", sagte Gensheimer nur. Die Enttäuschung war riesengroß.

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