Handball-EM:Ein positives Gefühl für die deutschen Handballer

BAU// 04.01.2020 Mannheim Handball Länderspiel Deutschland vs. Island, Johannes Bitter (GER) *** BAU 04 01 2020 Mannheim; Johannes Bitter

Comeback nach 2030 Tagen: Johannes Bitter hält wieder für die deutsche Nationalmannschaft.

(Foto: Julia Rahn/imago images/Pressefoto Baumann)
  • Wenige Tage vor dem Beginn der Handball-EM gewinnt die deutsche Nationalmannschaft ihren Test gegen Island mit 33:25 (16:13).
  • Das Team von Bundestrainer Christian Prokop zeigt gute Ansätze im Tempospiel, aber Schwächen im Positionsangriff.
  • Torhüter Johannes Bitter überzeugt bei seinem Comeback - genauso wie einige Junge.

Von Tim Brack

Es war ein trügerisches Bild, wie Johannes Bitter da im Trikot der deutschen Handball-Nationalmannschaft jubelte und ihm das Publikum in der ausverkauften Halle applaudierte. Erinnerungen an die Heim-Weltmeisterschaft 2007 wurden wach, als der blonde Hüne sich auf dem Weg zum Titel mit seinen Paraden ins Gedächtnis vieler Beobachter gespielt hatte.

Die Bilder des jubelnden Bitter stammten selbstredend aus der Gegenwart. Bundestrainer Christian Prokop hatte den 37-Jährigen aus seinem Nationalmannschafts-Ruhestand geholt, in den er 2014 getreten war. Für die Europameisterschaft, die am Donnerstag beginnt, bildet der Schlussmann zusammen mit Andreas Wolff das deutsche Torhüter-Gespann.

2030 Tage nach seinem letzten Länderspiel hielt Bitter also wieder für Deutschland - und er tat es sehr gut. Genauso wie Wolff. "Die Nationalhymne hier mit den Jungs Arm in Arm zu singen, ist auf jeden Fall schöner, als sie vor dem Fernseher zu singen", sagte Bitter. Die beiden Torhüter waren wichtige Faktoren für den 33:25 (16:13)-Sieg der DHB-Auswahl im Testspiel gegen Island. "Wir können sehr zufrieden sein und nehmen heute ein gutes Gefühl mit", sagte Bitter. Die überzeugende Leistung im Härtetest war mit Sicherheit eine gute Nachricht für die deutsche Auswahl. Noch besser war aber vielleicht diese: Kein Spieler verletzte sich.

Mit Martin Strobel, Fabian Wiede, Steffen Weinhold, Tim Suton, Simon Ernst, Franz Semper und Niclas Pieczkowski fehlen Bundestrainer Prokop gleich sieben Rückraumspieler in seinem Aufgebot aufgrund von Verletzungen oder Krankheit. Und so wurde das Spiel gegen Island auch weniger zur Feinjustierung genutzt, wie man es wenige Tage vor EM-Start erwarten könnte, sondern vielmehr zur groben Abstimmung. Kapitän Uwe Gensheimer hatte vor der Partie noch gescherzt, angesichts der vielen neuen Gesichter sei im Team zwar keine Vorstellungsrunde nötig gewesen, aber "technisch-taktisch muss man sich aufeinander einstellen".

Der Berliner Paul Drux soll im Konzept von Prokop eine wichtige Säule werden

Von dieser Prämisse ausgenommen war größtenteils das Prunkstück der deutschen Mannschaft: die Abwehr. Dort gehe es vielmehr darum, das Niveau des vergangenen Auftritts bei der WM zu halten, wie Prokop sagte. Gegen Island gelang das in der Anfangsphase recht gut. Im Zusammenspiel mit Torhüter Wolff erarbeitete sich die DHB-Auswahl einige Ballgewinne und nutzte diese für ein schnelles Umschaltspiel. Diese Komponente des Handballs hatte die deutsche Mannschaft im vergangenen Turnier noch ignoriert. Zu Beginn demonstrierte vor allem Paul Drux den Willen für die einfachen Tore: Vier der ersten fünf deutschen Treffer erzielte er, allesamt nach Umschaltsituationen. Am Ende war er zusammen mit Gensheimer bester Werfer (je vier Treffer).

Der Berliner Drux soll im Konzept von Prokop eine wichtige Säule werden, da er im Mittelblock spielen und auch in die Rolle des Spielmachers schlüpfen kann. So kann er aus der Abwehr heraus gleich das schnelle Spiel nach vorne antreiben. Was im Umschaltspiel klappte, funktionierte im Positionsangriff dafür nur mäßig. Die Abläufe sind noch nicht eingeschliffen, am Samstag waren viele Ballverluste und Stürmerfouls die Folge. Die Isländer konnten so immer dran bleiben, gingen nach 22 Minuten sogar 12:11 in Führung. Erst ein Schlussspurt der deutschen Mannschaft führte zum 16:13-Pausenstand. "Sicherlich haben wir ein bisschen zu viele technische Fehler gemacht", sagte Prokop nach dem Spiel. "Aber ich habe sehr viel Positives gesehen."

Damit dürfte er auch den Auftritt seines Teams in der zweiten Hälfte gemeint haben. Nun mit Johannes Bitter im Tor und unerfahreneren Kräften wie Neu-Nationalspieler Patrick Zieker und Timo Kastening auf den Außenpositionen hängte die DHB-Auswahl Island nach und nach ab. Erst nach sieben Minuten in der zweiten Hälfte überwanden die Isländer die deutsche Abwehr wieder, es war der Treffer zum 20:14. "Wenn die Abwehr stand und wir das Tempo hochhalten konnten, haben wir sehr viele gute Aktionen gesehen", sagte Prokop.

Rechtsaußen Timo Kastening sorgt mit einer feinen Einzelaktion für das schönste Tor des Spiels

Bis zu acht Tore betrug die deutsche Führung, was auch den unbekümmerten Auftritten der Neuen zu verdanken war. Linksaußen Zieker warf seine beiden ersten Länderspieltore, auch Rückraumspieler David Schmidt gelang mit einem wuchtigen Wurf in den Winkel die Premiere. Rechtsaußen Timo Kastening sorgte mit einer feinen Einzelaktion für das schönste Tor des Spiels: Der 24-Jährige entschied sich auf der Außenposition gegen die einfache Lösung, nach innen zu ziehen, ging stattdessen mit einer Körpertäuschung außen an seinem Gegenspieler vorbei und verwandelte unter Bedrängnis mit einem schicken Heber. "Wir haben heute mit vielen Wechseln sehr schwungvoll, sehr spielfreudig das Spiel dominiert", lobte Prokop.

Ein bisschen Lehrgeld musste die jüngere Truppe dann aber doch noch zahlen. Mittelmann Marian Michalczik etwa sah zwei Zwei-Minuten-Strafen, weil er sich im Mittelblock überlisten ließ. Gegen Ende schlichen sich auch vermehrt Unkonzentriertheiten ein, sonst wäre der Sieg womöglich noch etwas höher ausgefallen. "Wir fahren froh nach Wien", resümierte Torhüter Bitter nach seinem Comeback. Dort trifft die die deutsche Auswahl zum letzten Testspiel am Montag auf Österreich. Danach geht es weiter nach Trondheim, zum EM-Auftakt gegen die Niederlande.

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