Deutschland bei der Handball-EM:Ein sehr hartes Stück Arbeit

Deutschland bei der Handball-EM: Erster Sieg bei der EM: Torwart Andreas Wolff ballt die Faust.

Erster Sieg bei der EM: Torwart Andreas Wolff ballt die Faust.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Die deutschen Handballer liegen zum EM-Auftakt gegen Belarus früh zurück, berappeln sich aber und gewinnen 33:29. Ein Manöver mit Torhüter Andreas Wolff missglückt dem Bundestrainer jedoch.

Von Carsten Scheele

Zehn Minuten saß Andreas Wolff auf der Bank und starrte nach vorne. Angesäuert wirkte er, wer mochte es ihm verdenken, zum EM-Auftakt nur Ersatzmann, das hatte sich Wolff, der beste und bekannteste deutsche Handballtorwart, anders vorgestellt. Statt ihm stand überraschend Till Klimpke zwischen den Pfosten, der junge Mann von der HSG Wetzlar, mit nicht einmal zehn Länderspielen auf dem Buckel.

Wolff saß da und sah, wie sich Klimpke den Bällen der Belarussen entgegenwarf. Doch die Würfe zischten an ihm vorbei, rechts, links, unten. Sieben Würfe, sieben Gegentore, so ging es los.

Deutschland bei der Handball-EM: Wühlte sich immer wieder durch und traf acht Mal: Kai Häfner.

Wühlte sich immer wieder durch und traf acht Mal: Kai Häfner.

(Foto: Vladimir Simicek/AFP)

Lange tat sich die Mannschaft des Deutschen Handballbunds (DHB) sehr schwer mit dem Gegner, am Ende wurde es für das neu formierte, erheblich verjüngte Team von Bundestrainer Alfred Gislason trotzdem der so wichtige Auftaktsieg bei der Handball-Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei. Das 33:29 (17:18) vor 1291 Zuschauern in Bratislava war ein sehr hartes Stück Arbeit, aber eben auch ein Erfolg, der neugierig macht auf die weiteren Auftritte bei dieser EM. "Wir haben das erste Spiel gewonnen", sagte Kai Häfner, mit acht Toren treffsicherster deutscher Spieler, in der ARD: "Das tut gut, obwohl wir überhaupt nicht gut reingekommen sind",

Am besten läuft es über die rechte Seite, über Häfner und Steinert

Gislason hatte zum Turnierstart gleich die ganze Breite seines renovierten Kaders präsentiert. Nach den Absagen etlicher etablierter Spieler von Hendrik Pekeler bis Paul Drux hatte er neun Turnier-Debütanten berufen; viele junge Spieler, denen vielleicht die Zukunft gehört, die aber erst ihre erste große internationale Aufgabe vor sich haben. Also begann Klimpke im Tor, auf Rechtsaußen agierte der international ebenfalls unerfahrene Erlanger Christoph Steinert, obwohl viele Timo Kastening erwartet hatten. Der Start geriet arg nervös, frühe Treffer von Kai Häfner und Philipp Weber brachten wenig Sicherheit, erst mal spielte nur Belarus. Die Deutschen fingen sich viele leichte Gegentreffer über den Kreis, weil sie Kreisläufer Artsem Karalek überhaupt nicht in den Griff bekamen. 2:7 nach elf Minuten, ein Fehlstart.

Also reagierte Gislason und brachte Andreas Wolff. Der parierte gleich den ersten Ball, Faust nach oben. Geht doch!

Doch wirklich viel leichter ging es der deutschen Mannschaft auch mit Wolff nicht von der Hand. Gislason hatte gewarnt vor Belarus, dieser eingespielten Mannschaft, gespickt mit Spielern von osteuropäischen Spitzenteams wie Vive Kielce. Belarus gehört nicht zu den Titelkandidaten bei dieser EM, rangiert aber auch nicht weit dahinter. Ein unangenehmes Team, zudem trainiert von einem Schlaufuchs des Welthandballs: dem in Deutschland bestens bekannten Coach Juri Schewzow.

Erst nach rund 20 Minuten war die deutsche Mannschaft wieder dran; der Angriff lief meist über die rechte Seite, Häfner und Steinert erzielten die nötigen Treffer. Nach 21 Minuten dann die erste Führung, Häfner auf Steinert, 11:10.

Nach dem Spiel erklärt Gislason das Manöver mit Wolff

Zur Halbzeit hatten die Deutschen den inakzeptablen Wert von 18 Gegentoren gesammelt, weshalb das Vorhaben für den zweiten Durchgang klar definiert war: hinten besser stehen, vorne nicht die Nerven verlieren. Es dauerte einige Minuten, ehe das Spiel deutlich in die gewünschte Richtung kippte. Wolff tauchte ab und fischte einen Wurf unten rechts aus der Gefahrenzone; vorne trafen Linksaußen Marcel Schiller (acht Tore, davon fünf Siebenmeter), Rückraumshooter Julius Kühn (sechs) sowie Kreisläufer Johannes Golla (vier). Und immer wieder Häfner.

Der Melsunger ist mit 32 Jahren der zweitälteste Spieler im deutschen Kader und zog die mitunter wacklig agierenden Kollegen mit seiner Erfahrung mit. Häfner riss ohne Unterlass Löcher und wühlte sich durch, war von den Belarussen selten zu halten. 25:21, jetzt lief es fürs deutsche Team.

In der Auszeit mahnte Gislason, das Tempo bitte hoch zu halten, um den müder wirkenden Belarussen das Spiel endgültig zu entreißen. Und näher als auf zwei Tore kamen die Gegner nicht mehr heran. Ein deutlicherer Erfolg wäre möglich gewesen, hätten Rechtsaußen Kastening und Mittelmann Weber nicht frei ihre Tempogegenstöße vergeben. Eine späte rote Karte für Patrick Wiencek (drei Zeitstrafen) fiel nicht mehr ins Gewicht. So sind die Perspektiven vor dem zweiten Gruppenspiel am Sonntag (18 Uhr, ARD) gegen Österreich plötzlich ganz gut: Zwei Punkte sind geschafft, es wartet der vermeintlich schwächste Gegner in der Gruppe - und einiges an Verbesserungspotenzial steckt auch noch im Team. "Ich denke, wir können uns sehr steigern in der Abwehr und im Tor", sagte Gislason.

Mit Torhüter Wolff sei übrigens alles in Ordnung, erklärte der Bundestrainer, trotz der Degradierung zu Beginn der Partie. Nein, Wolff sei nicht sauer. "Andi wusste seit Wochen, dass er nicht anfangen würde", verriet Gislason. Und er lachte.

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