Handball-EM:Alles gewagt, alles verloren

Germany v Spain - EHF Euro Croatia 2018

Deutschlands Handballer: Kollektive Ratlosigkeit

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Deutschlands Handballer können ihren Titel nicht verteidigen: Bei der EM verpassen sie das Halbfinale mit einem 27:31 gegen Spanien.
  • Zur Halbzeit steht es 13:14, danach bricht das deutsche Team ein.
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Von Ralf Tögel, Varazdin

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft ist bei der Europameisterschaft in Kroatien krachend gescheitert. Im entscheidenden und letzten Spiel der Hauptrunde verlor der Titelverteidiger gegen Spanien mit 27:31 (13:14) und verpasste den Einzug ins Halbfinale.

Dabei war das deutsche Lager vor dem Spiel von auffälligem Optimismus beseelt. DHB-Vizepräsident Bob Hanning hatte forsch einen Sieg gegen Spanien versprochen. In diesem Fall hätten die Deutschen die K.o.-Runde erreicht. Doch was die deutsche Auswahl in Varazdin zu leisten in der Lage war, konterkarierte diesen Optimismus aufs heftigste. Bundestrainer Christian Prokop nahm mit versteinerter Miene zur Kenntnis, dass "wir verdient verloren haben. Ich bin enttäuscht, wir haben unser Ziel verpasst, das muss man anerkennen. Aber ich konnte wichtige Erfahrungen sammeln, die man in Zukunft sehen wird." Welche das sind, wird Prokop bald erläutern müssen, denn nach einer indiskutablen Leistung in der zweiten Halbzeit, in der der Europameister vorgeführt wurde, hat der deutsche Handballbund das ausgegebene Mindestziel deutlich verpasst.

Schon in der Vorrunde war die DHB-Auswahl mit den glücklichen Punkteteilungen gegen Slowenien und Mazedonien in die Kritik geraten; der Sieg gegen Tschechien und die Steigerung bei der knappen Niederlage gegen Olympiasieger Dänemark konnten ebenfalls keine Sicherheit in die deutschen Reihen bringen. Prokop, der mit seinen Nichtberücksichtungen von Leistungsträgern und ihrer anschließenden Nachnominierung diese Unsicherheit zum Teil mit verursacht hat, wird sich unangenehmen Fragen stellen müssen.

Den Spaniern hätte für die K.o.-Runde bereits ein Unentschieden genügt, weil die Tschechen am finalen Spieltag der beiden Hauptgruppen nur ein 26:26 gegen Slowenien geschafft hatten. Somit war in einer außerordentlich engen Hauptrunde, in der sich vor dem letzten Spieltag alle Teams außer Mazedonien noch Chancen auf das Halbfinale ausrechnen durften, im letzten Spiel der Deutschen alles bereitet für das Finale um das Halbfinale. Nur Olympiasieger Dänemark war als Gruppensieger bereits für die K.o.-Phase qualifiziert.

Für die Deutschen sprach auch, dass die Iberer einen Tag weniger Zeit hatten, um zu regenerieren. Spanien ging obendrein mit einer frustrierenden 27:31-Niederlage vom Vorabend gegen Slowenen in das Spiel, was in der Anfangsphase zu spüren war: Die Spanier zeigten sich da sichtlich beeindruckt von der deutschen Abwehr, die wie gewohnt nicht lange brauchte, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Finn Lemke organisierte den Innenblock, das bekannt starke Herzstück des deutschen Bollwerks, hinter dem Torhüter Andreas Wolff die Iberer das Fürchten lehrte. Allein in der Anfangsphase fing er zwei Würfe der Spanier sicher, die Höchststrafe für jeden Werfer. Dem Gegner war der Respekt anzusehen, oft kamen die Spanier in Zeitnot, oft schlossen sie erfolglos ab.

Wolff mit der Höchststrafe - und dann leidet Deutschland

Freilich verpasste es der die DHB-Auswahl erneut im Angriff, daraus Kapital zu schlagen. Dabei gelang es im Gegensatz zu den vergangenen Partien, einigermaßen druckvoll aus den Startlöchern zu kommen. Spielmacher Philipp Weber zeigte in der ersten Halbzeit gute Ansätze, hatte viel Zug zum Tor und hielt die deutsche Mannschaft mit vier Treffern im Spiel. Auch Julius Kühn spielte druckvoll, steuerte drei Treffer zum 13:14-Halbzeitstand bei. Dass die Deutschen zur Pause einmal mehr hinten lagen, war ihrem wankelmütigen Spiel geschuldet.

Nach einer 5:3-Führung schlichen sich leichte Fehler, schlechte Würfe und technische Aussetzer ins Spiel ein. Erneut brachte sich das Team völlig unerwartet selbst aus dem Rhythmus, vor allem aus dem rechten Rückraum gelang gar nichts. Steffen Weinhold, der bisher die meisten Spielanteile auf dieser Position stemmen musste, wirkte müde, Kai Häfner überfordert. Kapitän Uwe Gensheimer, der den Vorzug von Rune Dahmke bekam, wollte erneut nichts gelingen. Die Spanier suchten immer wieder den Weg über den Kreis, entweder traf Julen Aguinagalde oder es gab einen Strafwurf.

Dennoch gab es mit einem Tor Rückstand und der gezeigten Defensivleistung keinen Grund zur Panik. Den lieferten die Spieler erst kurz nach Wiederanpfiff. Nach dem 15:15-Ausgleich durch Häfner ging ein unerklärlicher Bruch durch das Spiel. "Wir lagen zwei Toren hinten, dann haben wir fahrig und hastig gespielt und leichte Fehler gemacht. Und wenn man vier Tore hinten liegt, wird es nicht leichter", erklärte Prokop. Er brachte den siebten Feldspieler, um den "Rückstand abzuknabbern", das ging nach hinten los: Haarsträubende Fehlpässe durch Häfner, Weber, Kühn und Steffen Fäth, der ins Spiel gekommen war, drei Treffer ins leere Tor und ein 8:0-Lauf der Spanier entschieden das Spiel innerhalb von zehn Minuten. Spanien steht nun im Halbfinale gegen Frankreich, das Gastgeber Kroatien besiegte. Im zweiten Halbfinale spielen Dänemark und Schweden.

Und Deutschland? Muss begreifen, was warum schief gelaufen ist. Prokop sagte: "Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden. Im gesamten Turnier sind zu viele Dinge nicht am Optimum gelaufen." Andere Worte fand Torwart Andreas Wolff: "Ich bin absolut schockiert. Wir haben uns teilweise aufgegeben und insgesamt eine enttäuschende EM gespielt."

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