Süddeutsche Zeitung

Handball:Einsatz als Lösung

In Erlangen hat Andreas Schröder die Erwartungen nicht erfüllt, nun ist er beim HSC Coburg Kapitän. Über einen Grenzgänger.

Von Sebastian Leisgang

Andreas Schröder lächelt nicht. Er verzieht auch nicht die Augenbrauen, als er auf die Frage antwortet, was ihn als Handballer ausmache und wie er, der Kapitän des HSC Coburg, sein Spiel beschreiben würde. Schröder zeigt keine Regung, als er sagt: "Die Körperlichkeit. Und Emotionen."

Schröder, 29, sitzt in einem Café in der Coburger Innenstadt. Vor ihm, auf dem Tisch, liegen ein paar Fotos aus seiner Karriere. Schröder, wie er mit langen Haaren beim HSC Bad Neustadt spielt. Schröder, wie er nach einem Tor für den TV Neuhausen die Faust ballt. Schröder, wie er als Spieler des VfL Gummersbach mit einem zerrissenen Trikot gestikuliert. Schröder, wie er nach einem Nasenbeinbruch beim HC Erlangen mit Gips im Gesicht in der Nürnberger Halle steht.

Schröder soll über seine Karriere sprechen, über seine Zeit in Erlangen, darüber, wie er mit Neuhausen in die Handball-Bundesliga aufgestiegen ist, über die Frage, ob er sich diese Erfahrung zunutze machen kann, jetzt, da er auch mit Coburg in der kommenden Saison wieder gegen Spitzenteams wie den THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt spielt. Schröder schaut sich die Fotos an und sagt: "Ich hatte bis jetzt immer das Glück, dass ich in Mannschaften gespielt habe, in denen sich alle gut miteinander verstanden haben." Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, das dunkelblaue T-Shirt spannt derart an den Oberarmen, dass man sich nicht vorstellen will, wie es ist, ihm in einer Halle gegenüberzustehen. Und doch: Leute, die ihn gut kennen, beschreiben ihn als gefühlvollen Menschen, als sensibel, als äußerst loyal. Schröder sei nicht nur zu jeder Sekunde für die Mannschaft da - er zerreiße sich auch für sie. Das tut er in Coburg, das hat er zuvor auch in Erlangen getan. Der Punkt ist nur: In Erlangen hat ihnen das nicht genügt.

Es waren große Worte, mit denen sie Schröder in Erlangen einführten. Vielleicht zu große?

Als Schröder vor gut drei Jahren zum HCE kam, war er ein Versprechen. In Gummersbach hatte er zeitweise derart famos gespielt, dass ihn Geschäftsführer René Selke "einen der besten deutschen Spieler" auf seiner Position nannte und im Zuge des Transfers beteuerte, dass es "wirklich keine Erfindung" sei, dass Schröder auf der Liste der Wunschspieler "seit geraumer Zeit an erster Stelle" gestanden habe.

Es waren große Worte, mit denen die Verantwortlichen Schröder in Erlangen einführten. Vielleicht zu große Worte? Hat ihn der Druck, der mit solchen Worten stets einhergeht, daran gehindert, das Versprechen einzulösen?

Schröder muss keine Sekunde nachdenken: "Nein. Ich hatte selbst den Anspruch, Abwehrchef zu sein." Und ohnehin: "Ich sehe die zwei Jahre nicht als verkorkst an. Es gab zwar Phasen, in denen ich weniger gespielt habe, aber das ist Handball, das ist professioneller Leistungssport." Die Zeit in Erlangen sei zwar "mit Pech behaftet" gewesen, da er sich erst eine Bänderverletzung im Knie zuzog, dann einen Nasenbeinbruch - dennoch sei er auch beim HCE als Spieler vorangekommen und erinnere sich gerne an diese erfolgreiche Zeit. Dann sagt Schröder einen Satz, der nahelegt, dass doch etwas dran ist an den Erlanger Stimmen: dass er, Schröder, zu viel gewollt habe, dass er manchmal verkrampft gewesen sei, nicht frei, nicht locker genug. Schröder also sagt: "Ich finde es sehr schwer, das zu analysieren, aber ich habe mir schon viel Druck gemacht."

Und vielleicht ist es genau das: dass ausgerechnet Schröder, der Mannschaftsspieler, in Erlangen deshalb nicht funktioniert hat, weil es ihm nicht immer gelungen ist, seinen Eifer, seinen bedingungslosen Einsatz für das Team in die richtigen Bahnen zu lenken.

Der Grat zwischen Kampf und Krampf ist manchmal ein schmaler.

Nach zwei Jahren haben sie Schröders Vertrag beim HC Erlangen nicht verlängert. Jetzt, in Coburg, ist er nicht nur Abwehrchef; Ende August hat ihn sein neuer Trainer Alois Mraz auch noch zum Mannschaftskapitän ernannt. Schröder soll das Team nun führen, ihm in schlechten Zeiten Halt geben und in guten dafür sorgen, dass demnächst nicht schon wieder schlechte Zeiten anstehen.

Andreas Schröder weiß, welch anspruchsvolle Saison dem HSC bevorsteht. In den vergangenen Jahren haben die Coburger stets mehr Spiele gewonnen als verloren, nun werden sie auch Phasen durchstehen müssen, in denen der Erfolg ausbleibt. Schröder wird das Team darauf einstellen, und er wird das einbringen, was ihn auszeichnet: Körperlichkeit. Und Emotionen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5041153
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.09.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.