Handball:Der Meister als Underdog?

SG Flensburg-Handewitt v THW Kiel - PIXUM Supercup 2019

Vor seiner ersten Saison als Chef: Kiels Trainer Filip Jicha.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die SG Flensburg-Handewitt geht zwar als Meister in die neue Saison, dennoch favorisieren viele den Nordrivalen THW Kiel - der mit einem Trainer-Novizen antritt.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Am 9. Juni sind die Handballer der SG Flensburg-Handewitt in Düsseldorf deutscher Meister geworden. Damals waren sie Gäste des Bergischen HC aus Wuppertal, der das zuschauerträchtige Spiel in die große Halle der NRW-Landeshauptstadt verlegt hatte. 73 Tage später haben die Flensburger in dieser Halle am Mittwochabend auch den Handball-Supercup gewonnen. Leider, sagte ihr Trainer Maik Machulla hinterher, habe sein Team diesmal nicht dieselbe Kabine bekommen wie im Juni, "aber die wird wahrscheinlich immer noch gereinigt."

Am 9. Juni waren die Flensburger in der Gästekabine untergebracht, diesmal galten sie gegen den Pokalsieger THW Kiel offiziell als Gastgeber. Flensburg gewann den Supercup nach 28:28-Endstand im Siebenmeterwerfen, und wer jetzt denkt, in der Düsseldorfer Halle sei ein Reinigungsteam gerade mit der Wiederherstellung auch noch der Gastgeberumkleide beschäftigt, der überschätzt den emotionalen Wert des Supercups. "Dieser Titel", erklärte Machulla, "macht die lange Heimfahrt ein bisschen angenehmer."

Dass Flensburgs Manager Dierk Schmäschke gleich nach dem Ende den Spielball einsteckte und ankündigte, ihn auf der Geschäftsstelle in eine Vitrine zu setzen, lag nicht an diesem dritten Supercup-Gewinn in der Flensburger Vereinshistorie, sondern daran, dass der Erfolg gegen Kiel zugleich der Sieg im 100. Nordderby zwischen den beiden Klubs war. "Flensburg gegen Kiel ist für mich das größte Derby im europäischen Handball", sagte Schmäschke, und so hatte das kurz vor dem Bundesligastart sonst eher als Aufwärmpartie geltende Pokalduell diesmal tatsächlich eine emotionale und historische Bedeutung. Die Flensburger jubelten und hüpften kurz nach dem Sieg ähnlich euphorisch wie am 9. Juni, bloß die Kabine ließen sie diesmal in jenem Zustand, in dem sie diese vorgefunden hatten.

Vor einem Jahr, als der Supercup schon einmal in Düsseldorf ausgetragen wurde und Flensburg deutlich gegen die Mannheimer Rhein-Neckar Löwen verlor, da mussten sich die Norddeutschen außer mit der Niederlage noch mit jener Demütigung abfinden, dass sie zwar als Titelverteidiger in die neue Bundesligasaison gingen, dass ihnen aber kein einziger Bundesligatrainer erneut den Titel zutraute. "Das sind alles kompetente Fachleute", witzelte Machulla damals spöttisch und feierte zehn Monate später mit seinen Flensburgern entgegen allen Prognosen tatsächlich wieder die Meisterschaft. Wenn nun am Wochenende eine neue Spielzeit beginnt, ist alles wieder ebenso: Flensburg geht als Titelverteidiger ins Rennen, aber fast alle Trainer setzen auf den THW Kiel. War Machulla also am Mittwochabend abermals spöttisch und machte sich lustig über die Fachkenntnis seiner Kollegen? Nein, diesmal nicht.

Flensburgs Sorgen vor einer Entthronung sind nicht allzu groß

Denn diesmal gehen die Flensburger in die neue Saison ohne zwei Spieler, die Machulla zum Gewinn der jüngsten beiden Titel für höchst relevant hielt. Flensburg muss ab sofort ohne Tobias Karlsson und Rasmus Lauge auskommen. Der Schwede Karlsson, der seine Karriere mit 38 Jahren beendet hat, war nach Ansicht von Machulla "der beste Abwehrspieler der Welt". Der dänische Rückraumspieler Lauge, 28, spielt fortan in Veszprem, Ungarn. Flensburg konnte die beiden Profis nicht gleichwertig ersetzen, weshalb Machulla nun nicht so richtig weiß, wie "der erfolgreiche Weg der vergangenen beiden Jahre weitergeht, denn wir haben zwei absolute Leader verloren". So würde sich Machulla nicht wundern, wenn die neue Saison womöglich nicht den dritten Meistertitel nacheinander bringt, "denn es wird auch mal eine Delle geben, und das ist für mich die größte Herausforderung: Wie gehen wir damit um, wenn es mal nicht so läuft?"

Doch noch sind die Flensburger Sorgen vor der Entthronung nicht allzu groß, denn in dem spannenden Supercup-Spiel machten beide Mannschaften einen ähnlich starken Eindruck. Flensburg war schon auf dem Weg zum Sieg in der regulären Spielzeit, als Kiels Domagoj Duvnjak, der vielleicht größte Leader in der Handball-Bundesliga, seine Kieler in der letzten Viertelstunde zurück ins Spiel brachte. Der 31-jährige Kroate wurde hinterher zum Mann des Spiels erkoren, obwohl er den letzten Angriff vergeben und den letzten Siebenmeter verworfen hatte. "Wir müssen viel besser spielen", knurrte er danach mit Blick auf die Saison.

Das müssten die Kieler eigentlich schaffen. Die Erfahrung von Akteuren wie Torhüter Niklas Landin, Kreisläufer Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler oder Rückraumspieler Steffen Weinhold und Duvnjak spricht für Kiel, obwohl der junge tschechische Trainer Filip Jicha, 37, seine Premierensaison als Chef bestreitet. Für Flensburgs Trainer Machulla, 42, war deshalb die wichtigste Erkenntnis aus dem Supercup: "Dass meine Jungs gesehen haben, dass sie Kiel besiegen können."

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