Handball:"Die Nationalhymne macht süchtig"

Handball: Erfahrung auf internationalem Topniveau: Hier versucht Sebastian Firnhaber (re.) Spaniens Spielmacher Raul Entrerrios zu stoppen.

Erfahrung auf internationalem Topniveau: Hier versucht Sebastian Firnhaber (re.) Spaniens Spielmacher Raul Entrerrios zu stoppen.

(Foto: Petr David Josek/AFP)

Die beiden Erlanger Handballer Sebastian Firnhaber und Antonio Metzner sind nach dem enttäuschenden Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der Weltmeisterschaft in Ägypten wieder in der Heimat. Der Kreisläufer wurde kritisiert, der Rückraumspieler nicht eingesetzt - doch Vereinstrainer Michael Haaß nimmt seine Spieler in Schutz.

Von Ralf Tögel, Erlangen

Am Dienstag ist die deutsche Handball-Nationalmannschaft um 17.30 Uhr am Flughafen Köln/Bonn mit einer Chartermaschine der Egypt Air gelandet, danach gingen die Spieler ihrer Wege und die Weltmeisterschaft in Ägypten war Geschichte. Abgeschlossen auf dem zwölften Platz, das historisch schlechteste WM-Ergebnis, das Minimalziel Viertelfinale verpasst. Dennoch war die verfrühte Abreise keine Flucht vom Ort einer Schande, wie das manch Beobachter trüben Blickes einordnen mag. Das hatte Bundestrainer Alfred Gislason in ruhigen Worten schon direkt nach dem Abpfiff der letzten Partie gegen Polen festgehalten: "Ich bin stolz auf diese Mannschaft, auch wenn man es nicht immer so gemerkt hat." Vom erfahrenen Isländer darf erwartet werden, dass er das Turnier mit Blick auf die Rahmenbedingungen seriös einzuordnen weiß.

Zwei Deutsche, ein Slowene, ein Norweger: Noch nie in seiner Geschichte hat der HC Erlangen vier Nationalspieler zu einer WM abgestellt

Mit an Bord waren Sebastian Firnhaber, 26, und Antonio Metzner, 24, Kreisläufer und Rückraumspieler des HC Erlangen. Der Bundesligist hat zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte zwei deutsche Nationalspieler zu einem Weltturnier abgestellt. Dass im slowenischen Torhüter Klemen Ferlin und im norwegischen Kreisläufer Petter Overby zwei weitere WM-Teilnehmer bei den Oberfranken unter Vertrag stehen, ist ebenso einen Eintrag in die Klubhistorie wert.

Dass das Abschneiden der deutschen Auswahl als Enttäuschung gewertet werden muss, findet auch Michael Haaß, Weltmeister von 2007 und Trainer des Erstligisten HC Erlangen. "In den entscheidenden Momenten war die Mannschaft nicht da", sagt der 37-Jährige, "mit ein bisschen mehr Erfahrung aber hätte sie es ziehen können." Mindestens "ein, zwei Testsiele gegen gute Gegner", hätten gefehlt, "dann hätten sie sich besser gefunden." Die Kritik an seinem Kreisläufer ging ihm zu weit, der Nationalmannschafts-Neuling stand Haaß zu oft im Zentrum der Beanstandungen.

Firnhaber bildete mit Johannes Golla den deutschen Innenblock, traditionell das Prunkstück deutscher Auswahlen, wobei er von den Corona-bedingten Absagen der etatmäßigen Akteure Hendrik Pekeler, Patrick Wiencek und Finn Lemke profitiert hatte. Eine "Hammer-Aufgabe", findet Haaß. "Man hat gesehen, dass die Abwehr nicht eingespielt war, das kann man nicht an einem Spieler festmachen, da stehen sechs andere mit mehr Erfahrung daneben." Er habe von seinem Schützling "viele gute Dinge gesehen", gerade im letzten Spiel gegen Polen habe er "seine Sache gut gemacht". Gerade mal drei Trainingstage hatte Firnhaber, dann stand er schon in seinem ersten Länderspiel gegen Österreich auf dem Parkett.

Man könne die Niederlagen nicht auf den Innenblock reduzieren, sagt Haaß

Er hätte gerne mehr Zeit gehabt, sich mit den Kollegen einzuspielen, sagt er: "Es war ja schon zwischen den beiden Österreich-Spielen eine deutliche Entwicklung zu sehen." Für einen weiteren Feinschliff war die erste WM-Partie gegen Uruguay nicht dienlich, das Spiel gegen Kap Verde wurde abgesagt. Keine guten Voraussetzungen für die folgenden Spiele gegen die Weltklasseteams Ungarn und Spanien. Gegen die Magyaren bekam es Firnhaber mit Bence Banhidi zu tun, ein Fels von einem Kerl: 2,04 Meter groß, 110 Kilogramm schwer und Champions-League-erfahren, viele halten ihn derzeit für den besten Kreisläufer der Welt.

"Es ist mir schon bewusst, dass es nicht gut lief, gerade die frühen Zeitstrafen haben mich verunsichert und gehemmt", sagt Firnhaber selbstkritisch. Wobei mindestens eine völlig unberechtigt und dem Status des Novizen geschuldet war. Im Spiel gegen Spanien etwa durfte die hünenhafte Abwehr-Legende Viran Morros auf der Gegenseite wie ein Holzfäller mit Krakenarmen unbeschadet wüten. Man könne die Niederlagen sowieso nicht auf den Innenblock reduzieren, sagt Haaß, allein im Spiel gegen Polen wurden sechs freie Würfe versemmelt. Er habe aber auch "gesehen, dass Flamme nicht so gedeckt hat wie bei uns, er kann das besser."

Germany v Austria - Handball EURO Qualification

Erfolgreicher Start: Antonio Metzner war in seinem Nationalmannschafts-Debüt im EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich mit fünf Treffern bester deutscher Schütze. Die WM schloss er ohne eine einzige Spielminute ab.

(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Von seinem zweiten Akteur dagegen durfte er gar nichts sehen, Antonio Metzner schloss das Turnier ohne eine einzige Spielminute ab. Gerade nach dem feinen Einstand des rechten Rückraumspielers im zweiten EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich, in dem er mit fünf Treffern bester Torschütze war, "hätte ich schon gedacht, dass ich in Ägypten ein bisschen zum Zug komme". Dennoch zieht Metzner ein positives Fazit: "Es hat trotzdem Spaß gemacht, mit der Nationalmannschaft so im Mittelpunkt zu stehen." Auch Firnhaber will zuvorderst das Positive sehen: "Ich habe auf internationalem Topniveau für mein Vaterland spielen dürfen, das macht mich stolz. Das Gefühl auf der platte zu stehen und die Nationalhymne zu hören, macht süchtig." Die Zeit mit der Nationalmannschaft hätten beide Erlanger sehr genossen. Wie es nun weitergeht? Gislason werde mit jedem Spieler noch in eine detaillierte Turnieranalyse gehen, sagt Firnhaber, das sei abzuwarten.

Bis dahin gelte es, sich mit guten Leistungen in der Bundesliga, die am 6. Februar den Spielbetrieb wieder aufnimmt, für den Bundestrainer zu empfehlen. Eine Ankündigung, die Erlangens Coach Michael Haaß sicher gerne hört. Noch sind Metzner und Firnhaber in häuslicher Quarantäne, Ende der Woche ist die Rückkehr ins Team geplant. "Nun werde ich mich voll auf die Bundesliga konzentrieren", sagt Firnhaber, "ich bin sehr motiviert für kommende Aufgaben." Metzner erzählt, dass er sich angesichts der wenigen Spielpraxis "sogar auf das Training" freue, erst recht auf die nächsten Partien. "Sie haben jetzt zwei Tage frei, dann will ich sie wieder im Kader haben", sagt Haaß. Und: "Überspielt können sie ja nicht sein, was ich so gehört habe."

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