Vor wenigen Wochen lieferte sich Axel Kromer im Fernsehen einen sauberen Schlagabtausch mit Alexander Bommes. Der ARD-Kommentator, selbst früher Handballprofi, hörte nicht auf, Kromer zur Art und Weise der Vertragsverlängerung von Bundestrainer Alfred Gislason zu löchern. Diesem hatte der Deutsche Handballbund (DHB) eine ziemlich unnötige Klausel ins Vertragswerk diktiert, wonach Gislason unbedingt die Olympia-Qualifikation schaffen musste, um im Amt zu bleiben. Bommes bohrte ("Warum diese Klausel? Von wem kommt sie?"), Kromer parierte gereizt ("Welche Option wäre Ihnen recht gewesen?"). Zack, zack, ging das hin und her.
Am Ende löste sich die Sache mit Gislason zwar gefällig auf. Die deutschen Handballer besiegten Österreich im finalen Qualifikationsspiel in Hannover, das Team qualifizierte sich für Olympia in Paris und Gislasons Vertrag verlängerte sich automatisch bis zur Heim-WM 2027. Was blieb, war jedoch der Eindruck, dass der Verband seinem beliebten Bundestrainer ohne Not viel Stress beschert und auch ein wenig beschädigt hatte.
Handballer Renars Uscins:Ein Spieler wie ein Geschenk
Wer ist dieser Renars Uscins, der im Handball-Nationalteam plötzlich so viele Tore wirft? Der 21-Jährige trägt sehr früh viel Verantwortung - und beweist, dass man im Rückraum gar kein Brecher sein muss.
Die Nachwehen kamen mit sechswöchiger Verspätung, denn eine der beiden Personen, die für das Gislason-Wirrwarr öffentlich mitverantwortlich gemacht wurden, ist ihren Job demnächst los. DHB-Präsident Andreas Michelmann steht aktuell nicht zur Disposition, der Vertrag mit Sportvorstand Kromer, der noch bis Ende 2024 läuft, wird jedoch nicht verlängert. Das entschied das DHB-Präsidium am Wochenende in Bremen. Kromer war zuletzt einer der starken Männer des Verbands, verantwortlich für das große Ganze rund um die Nationalmannschaft und direkter Ansprechpartner für Gislason. Wobei, wie stark seine Position wirklich war, daran gab es leise Zweifel.
"Wir haben jetzt Klarheit für alle Beteiligten geschaffen", sagt DHB-Präsident Michelmann über das Kromer-Aus
Grobe Schnitzer hatte sich Kromer nicht geleistet, mal abgesehen davon, dass er an der misslungenen Kommunikation rund um Gislasons neuen Vertrag entscheidend beteiligt war. Kromer wollte öffentlich für Ruhe sorgen - und hatte das Gegenteil erreicht. Generell war der Sportvorstand immer präsent, wenn die Mannschaft spielte, zog im Hintergrund manche Fäden, die der Öffentlichkeit verborgen blieben. Doch dass sich Kromer mal in den Wind stellte, eine Diskussion abmoderierte, damit Mannschaft und Bundestrainer in Ruhe arbeiten konnten, das war lange nicht mehr passiert. Es war Gislason, der in Personalunion als Bundestrainer, Außenminister und Gesicht des deutschen Handballs auftrat, besonders zu den schweren Corona-Zeiten. Kromer blieb häufig blass dahinter. Ein kämpferischer Auftritt wie bei Bommes am ARD-Mikro war die Ausnahme.
Schon im März hatte das DHB-Präsidium Aufsehen erregt, als es die Position eines Managers für die Nationalmannschaft ausgeschrieben hatte, für die Schnittstelle zwischen Bundestrainer, Mannschaft und Verband, was als leises Misstrauensvotum gegen Kromer interpretiert werden konnte. Die Mannschaft sei mit jungen Kräften wie Juri Knorr, Julian Köster oder Renars Uscins auf dem Weg, wieder ein Weltklasseteam zu werden, hieß es da immer. Der Verband sei im Gegenschnitt nicht so gut aufgestellt und müsse nachjustieren.
Kromer, früher selbst Kreisläufer und mit dem VfL Pfullingen für zwei Jahre in der ersten Liga aktiv, hatte seine DHB-Karriere 2012 begonnen, damals noch als Honorartrainer unter dem Juniorencoach Markus Baur. Später war er Co-Trainer von Dagur Sigurdsson beim EM-Gewinn 2016, ehe er Sportdirektor wurde und schließlich in den DHB-Vorstand berufen wurde. Präsident Michelmann dankte ihm für die "geleistete Arbeit", Kromer habe "als Vorstand Sport den sportlichen Rahmen für das Jahrzehnt des Handballs gesetzt", mit Heim-Turnieren in Deutschland, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen. "Wir haben jetzt Klarheit für alle Beteiligten geschaffen", sagte Michelmann. Mehr Details gab er nicht bekannt.
Kromer ist noch sieben Monate im Amt - im Hintergrund sucht der DHB einen Nachfolger
Kromer selbst äußerte sich am Sonntag, er sei "von der Nicht-Verlängerung meines Vertrages völlig überrascht worden", sagte er dem Sportinformationsdienst. Kromer erklärte weiter, er sei "ziemlich enttäuscht, doch kurzfristig betrifft diese Entscheidung nur mich persönlich". Es gehe jetzt darum, "in Paris erfolgreich zu sein. Dafür werde ich alles geben".
Ach ja, Paris. Die Sommerspiele in drei Monaten. Der DHB scheint mittlerweile ein Faible dafür zu entwickeln, seine Personalien zu seltsamen Zeitpunkten zu verkünden. Erst die Sache mit Gislasons Klausel direkt vor dem Olympia-Qualifikationsturnier, jetzt die nächste Baustelle um Kromers Nachfolge kurz vor Olympia. In der Politik nennt man das eine lame duck, wenn der Zeitpunkt des Rücktritts eines Amtsträgers öffentlich ist. Im Sport, wenn der Abschied eines Trainers oder eines Funktionärs bereits feststeht. Wie handlungsfähig Kromer noch ist, wird sich zeigen: Sieben Monate ist der Sportvorstand noch im Amt - doch der Verband sucht im Hintergrund schon einen Nachfolger.