Süddeutsche Zeitung

Bob Hanning:Napoleon tritt ab

Er ist streitbar und streitlustig, trägt wilde Pullover, bewegt aber auch viel: Bob Hanning hört als DHB-Vizepräsident auf, rechnet dabei mit Heiner Brand ab - und hinterlässt einen gut dastehenden Verband.

Von Carsten Scheele

Wer es übertrieben findet, dass Bob Hanning zu seinem Abschied als Vizepräsident des Deutschen Handballbunds (DHB) eine Autobiografie in die Buchläden bringt, auf deren Cover er auf einem goldenen Thron sitzt, dem sei gesagt: Das war ja nun wirklich erwartbar! Hanning, 53, ist der größte Medienprofi, den der deutsche Handball je gesehen hat. Einer, der sich selbst "Napoleon" nennt, der zum Tagesthemen-Interview im quietschbunten Pullover erscheint, der sich immer in den lautesten Wind stellt - und dabei im Hintergrund viel bewegt hat. Wenn Hanning nun abtritt, ist im Handball eines gewiss: Es wird künftig etwas leiser zugehen in der Sportart.

Acht Jahre war Hanning der prominenteste Kopf des DHB-Präsidiums, streitbar und streitlustig, mit großem Reformwillen. Darum geht es auch in seinem Buch "Hanning. Macht. Handball." (Edel Sports), das zwar "kein Abrechnungsbuch" sei, wie Hanning versichert. In dem er aber auch keine Kontroverse auslässt: Er beschreibt den Knatsch, der herrschte, als Hanning 2013 mit seinem umstrittenen Thesenpapier die bisherige Verbandsspitze herausforderte. Er rekapituliert den Krach mit dem früheren DHB-Präsidenten Bernhard Bauer; ebenso die Amtszeit des Bundestrainers Christian Prokop, den Hanning gegen Widerstände erst installiert, dann im Amt gehalten hat und schließlich konstatieren musste, dass all dies keine ausgereifte Idee war. "Mich auszuhalten", sagt Hanning, "war gewiss nicht immer einfach."

Die schärfsten Sätze fallen zu Heiner Brand, dem Weltmeisterspieler und -trainer, den viele "Lichtgestalt" nennen, ähnlich wie Franz Beckenbauer im Fußball. Brand beschuldigte Hanning 2015, dieser habe die Spaltung des DHB zu verantworten, attestierte ihm eine "narzisstische Persönlichkeitsausprägung". Hanning sagt, dieses Kapitel zu schreiben sei ihm schwer gefallen. Er setzt sich auf elf Seiten mit seinem früheren Freund und Förderer auseinander und beschreibt, weshalb Brand für ihn eben keine Lichtgestalt mehr sei. Die persönlichen Angriffe hätten ihn zutiefst getroffen. "Ich gab mir am Totenbett meiner Mutter Layla das Versprechen", schreibt Hanning, "ich werde nicht auf seine Beerdigung gehen".

Die Menschen sehen ihn als Provokateur - Hanning bevorzugt "Problemlöser"

Viel lieber spricht Hanning über seine eigentliche Passion, die Nachwuchsförderung, und über seine Erfolge im Verband. Er habe den DHB 2013 in einem "zweitklassigen" Zustand erlebt, seitdem habe man den Verband auf links gedreht. Mit "Bob 'n' Roll" (Hannings Wortkreation) sei er über den DHB hinweggefegt, mit wenig Rücksicht auf die Verdienste einstiger Handball-Legenden. Und auch wenn zeitweise etwas zu sehr über die Farbe und Musterung von Hannings Pullovern gesprochen wurde, anstatt über das Sportliche: Strukturell steht der DHB heute gut da.

Hannings Traum von Olympia-Gold in Tokio platzte zwar mit lautem Knall, doch die Jugend-Nationalteams sind erfolgreich, einige große Turniere wurden nach Deutschland geholt: die Junioren-WM 2023, die Europameisterschaft der Männer 2024, die Frauen-WM 2026 und schließlich die Männer-WM 2027.

Für Hanning ist seine Aufgabe damit erledigt. Es sei nicht immer leicht gewesen, den harten Sanierer zu geben: "Es gab Momente, in denen ich mir gewünscht hätte, nicht als Provokateur gesehen zu werden, (...) der sich überall Feinde macht." Eher als "Problemlöser, der ich in meinen Augen immer war". Am Sonntag übergibt Hanning sein Amt an Jörg Föste, den Geschäftsführer des Bergischen HC. Man wird sich kaum Sorgen machen müssen, dass Hannings Terminkalender künftig leer sein wird. Handball wird weiterhin sein Leben bestimmen, er fungiert nach wie vor als Geschäftsführer des Erstligisten Füchse Berlin; Trainer ist er auch, seit Sommer beim Füchse-Kooperationspartner VfL Potsdam, der in der dritten Liga spielt, aber dringend aufsteigen möchte.

Und wenn ihn künftig jemand nach seiner Meinung zur Großwetterlage im Handball fragt? "Man wird mich punktuell hören", verspricht Hanning via Sportinformationsdienst: "Da, wo es wichtig ist. Und vielleicht auch mal da, wo es wehtut."

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