Handball:Deutsche Handballer preschen Richtung Zukunft

Germany v Slovenia - Men's EHF European Championship 2016

Steffen Weinhold führt das junge deutsche Team an.

(Foto: Adam Nurkiewicz/Getty)
  • Bundestrainer Sigurðsson hat aus einer Ansammlung von Talenten eine widerspenstige Einheit geformt.
  • Mit dem 25:21 im letzten Gruppenspiel gegen Slowenien hat sie sogar weiter Olympia-Chancen.

Von Joachim Mölter, Breslau

Man konnte geradezu sehen, wie die Anspannung in den Körpern der deutschen Handballer nachließ, wie sich die Muskeln entspannten, wie der Druck wich, der auf ihnen gelastet hatte in ihrem letzten Vorrundenspiel bei dieser Europameisterschaft in Polen. Sieg oder Niederlage, Weiterkommen in die Hauptrunde oder nach Hause fahren - darum war es in der Partie gegen Slowenien gegangen. Erleichtert fielen sich die deutschen Männer in die Arme und klopften sich gegenseitig auf Schultern und Rücken, als sie den Sieg errungen hatten. 25:21 (12:10) lautete das Ergebnis, die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) bleibt nun in Wrocław, dem früheren Breslau, wo schon am Freitag die nächste Runde beginnt. Gegner sind dann Dänemark, Russland und Ungarn. Aus der Vorrunde nehmen die Deutschen die beiden Punkte aus dem 27:26-Erfolg gegen Schweden mit; die Zähler gegen die ausgeschiedenen Slowenen werden aus der Wertung gestrichen. "Wir freuen uns tierisch auf die Hauptrunde", sagte der Rückraumspieler Steffen Fäth, "dort wollen wir so viel wie möglich rausholen."

Mit dem Einzug in die Runde der zwölf besten europäischen Teams hat die DHB-Auswahl freilich schon ihr EM-Ziel erreicht. Mehr war vor Turnierbeginn nicht zu erwarten von einer Mannschaft, die von etlichen Verletzungen erfahrener Spieler gebeutelt war und notgedrungen mit 14 EM-Neulingen angereist war. Dafür hat sie viel erreicht, wie auch Sloweniens Trainer Veselin Vujovic anerkannte: "Das ist eine junge Mannschaft mit einer großen Zukunft, sehr gut gecoacht", lobte der ehemalige Welthandballer.

Erstmals hielt auch die Abwehr stand - eine Basis für die nächsten schweren Spiele

Dass die Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurðsson steigerungsfähig ist, hat sie bereits im Verlauf des Turniers bewiesen. In der Partie gegen Slowenien hielt erstmals auch die Abwehr stand, "das war der Grundstein", sagte der Kieler Linksaußen Rune Dahmke.

Das DHB-Team kam am Mittwoch-Nachmittag in der Jahrhunderthalle von Wrocław auch besser ins Spiel als zuvor beim 29:32 gegen den WM-Vierten Spanien (nach 11:18-Rückstand) und dem 27:26 gegen den Rekord-Europameister Schweden (nach 10:14-Rückstand). "Ein guter Start ins Spiel würde einiges einfacher machen und die Nerven schonen", hatte Deutschlands bislang bester Torschütze Tobias Reichmann (insgesamt 19 Treffer, elf per Siebenmeter) gehofft. So ganz ohne Anfangsprobleme ging es aber nicht.

Rückraumspieler Christian Dissinger durfte nach seiner roten Karte in der Schlussphase des Schweden-Spiels zwar wieder mitmachen; sein von den Schiedsrichtern mit einer direkten Disqualifikation geahndetes Foul wurde von der Disziplinarkommission der EHF als nicht so schwerwiegend angesehen, dass es eine weitere Sperre nach sich ziehen müsste.

Umstellungen funktionieren

Doch gegen Slowenien fing sich der 24-Jährige bereits nach acht Minuten die zweite Zeitstrafe ein wegen etwas zu ungestümen Verteidigens. Das brachte die Taktik von Sigurðsson durcheinander, der Bundestrainer ließ den wurfgewaltigen Rechtshänder eine ganze Weile vorsichtshalber auf der Bank sitzen und stellte sein Team um. Das fand nach dem 2:5 (10.) besser in die Partie und gab nach dem 6:5 (16.) die Führung nicht mehr ab.

Immer wieder war die Begegnung aber von Zeitstrafen auf beiden Seiten unterbrochen. Hendrik Pekeler und Vid Poteko sahen nach ihrer jeweils dritten Verwarnung dann auch noch die rote Karte sahen (beide in der 55. Minute). Dennoch baute die DHB-Auswahl den Vorsprung sukzessive aus. "Es war ein schwieriges Spiel", fand Spielmacher Martin Strobel, "weil die Slowenen dauernd ihre Abwehr umgestellt haben und wir clever darauf reagieren mussten." Das tat Sigurðsson, indem er seinerseits viel wechselte, was wiederum den Spielfluss weiter hemmte. "Aber man hat auch gesehen, wie variabel wir im Angriff spielen können", fand Strobel.

Er bezog sich dabei explizit auf den Kreisläufer Jannik Kohlbacher, mit 20 Jahren der Jüngste im Team, mit 105 Kilo aber auch einer der Schwersten. "Der konnte die Abwehr der Slowenen heute ein bisschen mehr beschäftigen als ich", gab Hendrik Pekeler zu, der normalerweise die Kreise im deutschen Angriff zieht. Kohlbacher, mit dem die Slowenen offensichtlich nicht gerechnet hatten, blockte nicht nur Gassen für die Rückraumschützen frei, er erzielte selbst drei Tore, die meisten nach Reichmann (fünf, davon drei Siebenmeter), Kapitän Steffen Weinhold und Rune Dahmke (je vier).

Für den Rückhalt sorgte derweil Torwart Andreas Wolff, der aufgrund seiner bisherigen Leistungen den Vorzug vor Routinier Carsten Lichtlein bekam. "Er hat uns am Anfang den Hintern gerettet", fand Abwehrchef Pekeler, "weil er den Slowenen viele Würfe weggenommen hat." Die waren offenbar so sehr beeindruckt von dem großen Wolff (1,98 Meter), dass sie es besonders gut machen wollten - und dabei häufig knapp verfehlten. Man kann auch das durchaus als Zeichen des Respekts verstehen. Und den haben sich die deutschen Handballer verdient bei dieser EM.

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