Handball:Der Handball kämpft ums Hallen-Publikum

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Kiels Domagoj Duvnjak (l.): Meister und zum Spieler der Saison gewählt - gefeiert wurde in einer leeren Halle (Foto: dpa)

Die Handball-Bundesliga startet im Oktober in die Saison - und arbeitet an einem Konzept, mit dem trotz Corona die Arenen zur Hälfte gefüllt werden können. Auf die Spieler wartet ein heftiger Terminplan.

Von Saskia Aleythe, München

Die Kaninchen-Tage sind erst einmal vorbei. Eine Schockstarre hatte ja auch die Handball-Bundesliga (HBL) erfasst, als sie im April ihre Saison corona-bedingt für beendet erklärte. Aber mittlerweile darf sich wieder etwas regen und Gedanken an Sprungwürfe dürfen aufleben, findet Uwe Schwenker, der Präsident der HBL. "Man kann jetzt nicht wie das Kaninchen vor der Schlange verharren", sagt der ehemalige Linksaußen des THW Kiel, deshalb geht die Sportart nun mit neuen Plänen in den Sommer: Vom 1. Oktober an soll der Ball wieder durch die Hallen fliegen, und zwar am liebsten natürlich vor Publikum.

In einer Telefonkonferenz mit den Klubvertretern aus erster und zweiter Liga gab das Präsidium am Mittwoch bekannt, was es am Vorabend beschlossen hatte: Dass man sich nicht für den diskutierten früheren Termin im September entschieden hatte - und damit womöglich Geisterspiele in Kauf hätte nehmen müssen -, sondern das Projekt "Saisonstart mit Zuschauern" Vorrang erhält. Geisterspiele sind im Handball nicht lukrativ, weshalb es auch schnell zum Abbruch der vergangenen Spielzeit gekommen war. "Zuschauer-, Sponsoring-, Catering-Einnahmen, das ist das Wesentliche, auf dem die wirtschaftliche Existenz der Klubs basiert", sagt Schwenker, deswegen wird seit Wochen in Arbeitsgruppen an Konzepten gewerkelt, wie sich Hygiene-bestimmungen mit einer reduzierten Anzahl an Fans umsetzen lassen. Denn die Schlange in Form von Corona zischt ja immer noch durch die Länder und macht auch vor Handballhallen nicht Halt.

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Die Hoffnung bei allen Planungen beruht darauf, dass sich das Virus bis zum Herbst so weit zurückgezogen hat, dass die Politik eine gewisse Anzahl von Fans in den Hallen zulässt - basierend auf einem überzeugenden Konzept der Liga. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann hat eine "50-prozentige Zuschauerauslastung in allen Hallen" im Sinn. Im Austausch mit anderen Hallensportlern wie Basketballern und Eishockeyspielern wird gegrübelt, wie das umsetzbar wäre. Personalisierte Tickets zur Kontaktverfolgung; Zuschauer mit Abstand in die Hallen zu schleusen, Sitzreihen im Sicherheitsabstand zu platzieren - das alles gehört zu den Ideen, die diskutiert werden. Und die von den Behörden abgenickt werden müssen, Bundesland für Bundesland.

Schwenker weiß, dass sie gerade ins Ungewisse planen. "Bis alles erledigt ist, wir einen Impfstoff haben, darauf können wir nicht warten", sagt er, "dann sind die Klubs kaputt." Umso erleichterter reagierten die Vereinsvertreter auf den kommunizierten Termin. Der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt sollen die Saison am 26. oder 27. September in Düsseldorf mit dem Super Cup eröffnen. "Nach monatelangem Warten endlich so etwas wie eine Perspektive" zu haben, sei gut, sagte Viktor Szilagyi, Geschäftsführer von Meister Kiel. Flensburgs Trainer Maik Machulla blickt schon sportlich in die Zukunft: "Nun haben wir ausreichend Zeit, das Training vorausschauend zu steuern und unsere Mannschaft an die höhere Belastung zu gewöhnen." Und Belastung wird ein großes Thema werden.

20 statt 18 Teams, die Belastung wird noch größer

Für die Bundesliga-Handballer ist die kommende Spielzeit mit noch größeren Herausforderungen verbunden als ohnehin schon, auch vor Corona hatte es Belastungsdebatten über zu eng getaktete Spielpläne gegeben. Nun steht eine Saison mit 20 statt 18 Teams an, da durch den Saisonabbruch kein Absteiger ermittelt werden konnte, wohl aber HSC 2000 Coburg und TuSEM Essen aus der zweiten Liga aufsteigen. Bis Ende Juli soll der konkrete Terminplan veröffentlicht werden; weil viele Klubs in Mehrzweckhallen spielen, konkurrieren sie mit anderen Veranstaltern. "Nach reiflicher Abwägung haben wir uns entschieden, am klassischen Saisonmodell festzuhalten", sagte Bohmann; so werden 38 statt 34 Spieltage zu absolvieren sein. Und wenn Schwenker davon spricht, dass "größtmögliche Flexibilität" gefordert sein wird, kann man ahnen, was auf jene zukommt, die zusätzlich Champions-League- und Europa-Pokal-Spiele bestreiten. Im November stehen für die Nationalspieler EM-Qualifikationsspiele an, im Januar soll die WM in Ägypten ausgetragen werden - der Weltverband IHF hat vorsorglich die Abstellprämien für die Klubs um 50 Prozent erhöht. Nach dem vorgesehenen Saisonende am 30. Juni 2021 bleiben dann noch 23 Tage bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele. Wofür man sich beim selbst ausgerichteten Turnier im März aber noch qualifizieren muss. Immerhin setzt der DHB-Pokal für eine Saison aus; das ausgefallene Final Four der Corona-Saison wird aber im Februar 2021 nachgeholt - sollte nicht doch alles anders kommen, wegen einer zweiten Corona-Welle. "Wie fragil die Lage immer noch ist", sagt Schwenker, "zeigen die Ereignisse im Kreis Gütersloh."

© SZ vom 25.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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