Süddeutsche Zeitung

Handball:Das Mittelfranken-Biotop

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Der HC Erlangen zeigt trotz der knappen 36:38-Niederlage gegen den designierten Meister SC Magdeburg, dass die Richtung stimmt. Der Klassenerhalt ist Formsache, die Weichen für eine bessere Zukunft sind längst gestellt.

Von Ralf Tögel, Erlangen

Raul Alonso nahm sich Zeit. Stand im Bauch der riesigen Barclays Arena in Hamburg und erklärte geduldig, was er der Niederlage im Pokal-Halbfinale Positives zu entnehmen gedenke: "Wir werden viel Selbstvertrauen aus diesem Wochenende mitnehmen." Der Trainer der Handballer des HC Erlangen sprach von Ansporn und Motivation für den Rest der Saison, was in diesem Moment arg optimistisch klang. Gerade hatte seine Mannschaft das Halbfinale gegen den SC Magdeburg 22:30 verloren, nur in den ersten 20 Minuten hatte sie gegen den designierten Meister mitgehalten.

Zwei Wochen später wiederholte Alonso seine Sicht der Dinge, das Ligaspiel gegen Magdeburg stand an, und diesmal klang seine Einschätzung fundierter. Der Trainer sprach also vor dem Heimspiel am Samstag von jenem "Push aus Hamburg", den ihnen allein das Erreichen des Pokal-Final-Four gegeben habe. Das Team hatte seiner Prognose Taten folgen lassen, mit Siegen gegen Melsungen und beim TBV Lemgo, dem ersten in der Klub-Historie, und damit die Frage beantwortet, wie es nach dem Rausch des Pokal-Wochenendes in den Ligaalltag zurückfinden würde, der bis dahin nicht gerade nach Wunsch verlaufen war. Das Spiel gegen Magdeburg bestätigte nun den Aufwärtstrend, der Tabellenführer mühte sich in den Schlussminuten zum 38:36-Auswärtssieg.

Im Kader steckt viel Qualität, der bleibt auch in der kommenden Saison nahezu unverändert

Erlangen bot eine leidenschaftliche Vorstellung mit gutem Tempospiel und stellte in Linksaußen Johannes Sellin (neun Treffer) den besten Werfer des Abends. Alonso wird auch dieser Niederlage Positives entnehmen, sich auf seinem Weg bestätigt sehen. Im Januar hat der Spanier das Team von Michael Haaß übernommen, unter dem es enorme Leistungsschwankungen mit verstörenden Aussetzern gezeigt hatte. Gekommen war er als Sportdirektor, mit der Expertise als Cheftrainer des weißrussischen Champions-League-Klubs Brest. Nun wirkt er in Doppelfunktion.

Verein und Trainer denken strategisch. Der Ligaverbleib ist nur noch rechnerisch in Gefahr, der Vorsprung auf die Abstiegszone beträgt fünf Spiele vor Schluss zehn Punkte. Und Alonso kann mit fast unverändertem Kader weiterarbeiten, der viel Qualität birgt: Christoph Steinert, Sebastian Firnhaber, Antonio Metzner und Tim Zechel zählen dazu, die alle beim HCE deutsche Auswahlspieler wurden. Auch der Schwede Hampus Olsson und der slowenische Torhüter Klemen Ferlin sind Auswahlspieler. Rückraumwerfer Simon Jeppsson zählt zu Schwedens Perspektivkader, die ehemaligen deutschen Nationalspieler Sellin und Steffen Fäth, der lange verletzt war, haben zuletzt ihre Klasse unter Beweis gestellt.

Gerade Fäth ist ein Beispiel für die Stärke des HC Erlangen, der sich allein finanziell mit Konkurrenten wie Magdeburg, das noch hinter Kiel, Flensburg oder Berlin einzuordnen ist, nicht messen kann. Fäth konnte sich bei den Rhein-Neckar Löwen nicht durchsetzen, findet aber in Erlangen das Biotop, in dem er sich mit weniger Druck entfalten kann. Gleiches gilt für Steinert. In Magdeburg wurde er in zwei Spielzeiten nicht glücklich - zurück in Erlangen wurde er von Bundestrainer Alfred Gislason entdeckt und zählte bei der EM in Bratislava zu den Besten im deutschen Team. Gleichwohl muss man konstatieren, dass man von diesem Kader schon in dieser Saison mehr hätte erwarten dürfen als den späten Klassenverbleib.

Das soll kommende Saison besser werden. Auf nur drei Akteure muss Alonso verzichten: Norwegens Nationalspieler Petter Overby, der zum Pokalsieger THW Kiel wechselt, Torhüter Martin Ziemer (Kadetten Schaffhausen) und Linksaußen Max Jaeger (HSC Coburg). Kreisläufer Overby steht für einen weiteren Trend der Erlanger: Sobald Akteure das Interesse der Branchengrößen erregen, sind sie für die Mittelfranken nicht zu halten. Overby ist nach Torhüter Nikolas Katsigiannis und Abwehrstratege Pavel Horak der dritte Weggang Richtung Kiel.

Die Lücken sind perspektivisch gestopft: In Bertram Obling kommt der Torhüter des schwedischen Meisters Sävehof, für Overby übernimmt der isländische National-Kreisläufer Sveinn Johannsson. In Lutz Heiny kommt ein Rückraumspieler vom Tabellenletzten Lübbecke. Der junge Schweizer Spielmacher Manuel Zehnder wechselt vom Erstligisten Aarau und steht für den ersten Auftrag des Erlanger Trainers: Er soll beim HCE reifen und sich für höhere Aufgaben empfehlen.

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