Corona-Fälle im Handball:"Jetzt haben wir den Salat"

Marian Michalczik (Nr. 22, Deutschland) ist niedergeschlagen / deprimiert / enttaeuscht. Tschechien vs. Deutschland, Han; Marian Michalczik

Marian Michalczik ist nach Johannes Bitter der zweite positiv getestete Nationalspieler.

(Foto: imago images/Agentur 54 Grad)

Die Handballer waren stolz darauf, wie ihr Hygienekonzept funktionierte. Doch nach den Länderspielen gibt es positive Tests - drei Spiele müssen verschoben werden. Der enge Terminkalender droht zu implodieren.

Von Carsten Scheele

Jetzt ist doch passiert, was im deutschen Handball alle verhindern wollten. Sechs Spieltage lang konnte die Handball-Bundesliga (HBL) ihren Spielbetrieb trotz der Corona-Krise problemfrei durchziehen: zwar großteils ohne Zuschauer, dafür auch ohne positive Tests bei den Spielern. Während im Basketball schon an den ersten Spieltagen Partien verlegt wurden, waren die Handballer stolz darauf, wie ihr Hygienekonzept flutschte: sechs Spielrunden, null coronabedingte Absagen.

Bis die Nationalspieler in der vergangenen Woche zu ihren Nationalmannschaften gereist sind. Nun beginnt der komplizierte Teil der Saison.

Ein Ligabetrieb lässt sich auch in Corona-Zeiten einigermaßen verlässlich durchplanen, das hat die HBL stets betont. Schwierig werde es, wenn die besten Spieler zu ihren Nationalteams reisen: raus aus den Blasen ihrer Klubs, rein in die Flugzeuge, sternförmig durch ganz Europa, hin und her zwischen den Hotspots. Die deutschen Nationalspieler haben jetzt zwei Spiele hinter sich, erst in Düsseldorf gegen Bosnien-Herzegowina (25:21), dann in Tallinn gegen Estland (35:23). Am Sonntagabend wurde die Mannschaft vor der Rückreise nach Deutschland durchgetestet, dabei gab es den ersten positiven Fall: Torhüter Johannes Bitter. Bei einem am Montag abgegebenen Test zeigte sich der nächste positive Befund: bei Mittelmann Marian Michalczik. Beide waren in beiden Partien zum Einsatz gekommen.

Wo sie sich angesteckt haben, ist ein großes Rätsel. Bitter sagt, er habe sich die ganze Reise über sicher gefühlt. Zuvor waren alle Mitglieder der DHB-Delegation mehrmals negativ getestet worden. Doch nun ist das Problem in Deutschland in den Klubs angekommen. Bitter flog, ohne von seiner Infektion zu wissen, mit der Mannschaft zurück nach Köln; von dort ging es zu dritt im Auto weiter in den Südwesten: Bitter spielt in Stuttgart, seine Nationalteamkollegen Marcel Schiller und Sebastian Heymann spielen in Göppingen. Die gemeinsame Fahrt im Auto dauerte rund vier Stunden - Bitter befindet sich nun in häuslicher Isolation, Schiller und Heymann haben sich vorsorglich in Quarantäne begeben. Alle sind symptomfrei.

Die Klubs hetzen im Dreitagesrhythmus durch die Republik

Die erste Spielverlegung kam aber nicht aus dem Südwesten, sondern aus dem Norden. Das Spitzenspiel der SG Flensburg-Handewitt gegen MT Melsungen, bei dem sieben Nationalspieler dabei gewesen wären, wurde vorsorglich abgesagt. Die Melsunger waren gerade mit dem Bus in Flensburg angekommen, als sie direkt wieder den Heimweg antraten. Eine "rein präventive Maßnahme", sagte HBL-Boss Frank Bohmann, die auch aus der Sorge heraus getroffen worden sei, dass weitere Infektionen den Spielbetrieb nachhaltig lahmlegen könnten. Er bedauere die Absage, sagte SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke, man werde sich "leider mit solchen Situationen in Zukunft arrangieren müssen".

Die Klubs hetzen im Dreitagesrhythmus durch die Republik

Die nächsten schlechten Nachrichten sind dann im Laufe des Mittwochs eingetrudelt. Sowohl das geplante Spiel der Füchse Berlin beim THW Kiel wurde angesichts von Michalcziks Infektion auf einen späteren Termin verlegt als auch der Auftritt der Göppinger bei Hannover-Burgdorf. "Jetzt haben wir den Salat", sagte Ligachef Bohmann dem Sport-Informations-Dienst. Nur eine Länderspielreise, und schon brechen der Handball-Bundesliga drei Partien weg. Auch das Spiel des HC Erlangen stand auf der Kippe: Dort kehrte Torwart Klemen Ferlin positiv vom slowenischen Nationalteam zurück.

Die Hoffnung ist nun, dass nicht der ganze Terminkalender implodiert. Da der Ligabetrieb coronabedingt erst im Oktober startete und vor den auf 2021 verschobenen Olympischen Spielen beendet sein muss, sind die Termine extrem eng getaktet. Die Klubs hetzen im Dreitagesrhythmus durchs Land; wirklich viele Tage, um entfallene Partien nachzuholen, gibt es nicht, höchstens im Januar, wenn aber auch die WM in Ägypten stattfinden soll. Überhaupt, die Weltmeisterschaft: Bislang haben die obersten deutschen Handball-Funktionäre stets bestritten, dass die Austragung eines internationalen Turniers mit 32 Teams aus der ganzen Welt keine richtig gute Idee sein könnte. Als die Bosse aus Kiel und Flensburg frühzeitig über eine Absage spekulierten, wies DHB-Vizepräsident Bob Hanning beide energisch zurecht, es sei ja "anmaßend, einem Land wie Ägypten die Fähigkeit, eine WM auszurichten, in dieser Form abzusprechen".

Jetzt rückt das Turnier näher, die Infektionszahlen sind hoch - und jeder hat gesehen, dass von Nationalmannschaftsreisen eine besondere Gefahr ausgeht. Wenn sich der Gedanke durchsetzt, dass der Wiedereinstieg in den Ligaalltag nach der WM ernstlich gefährdet ist, könnte eine neue Dynamik entstehen.

Und die ersten Nationalspieler positionieren sich. Hendrik Pekeler sagte beim Sender Sky, er wisse ja, welchen Stellenwert die WM für den DHB habe. Wenn man aber betrachte, "wie sich jetzt die Fälle entwickelt haben in den ganzen Mannschaften, ist es eigentlich nicht vertretbar".

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