Die Auslosung hat sich Rune Dahmke zusammen mit den Magdeburgern angeschaut. „Das ist immer ganz lustig“, sagte der Linksaußen des THW Kiel, der auf einem Lehrgang der deutschen Nationalmannschaft in Kopenhagen weilte, als die Paarungen für das Halbfinale der Champions League gezogen wurden. Und der Spaß wurde den Nationalspielern nicht verdorben, schließlich muss der Kieler Dahmke nicht schon im Halbfinale des Final-Four-Turniers in Köln gegen die Magdeburger Kollegen Tim Hornke und Lukas Mertens antreten.
Der THW trifft zunächst auf den FC Barcelona, ein unwesentlich besseres Los, denn die Katalanen sind nach dem deutschen Double-Sieger der wohl zweitschwerste Gegner. Bevor der deutsche Rekordmeister an diesem Samstag (18 Uhr) versucht, trotzdem das Finale zu erreichen, trifft Magdeburg auf den dänischen Topklub Aalborg Handbold (15 Uhr).
Handball:Eine Lizenz und jede Menge Streit
Nach wochenlangen Wirren erhält der HSV Hamburg nun doch die Bundesliga-Lizenz – sehr zum Ärger des Bergischen HC, der absteigen muss. Oder wird die Liga doch auf 19 Klubs aufgestockt?
Die Sachsen-Anhalter sind im Gegensatz zu Kiel favorisiert, Magdeburg gilt als das derzeit weltbeste Handballteam und zeichnet sich durch eine kaum zu stillende Titelgier aus. Inklusive Super Globe, der Klubweltmeisterschaft, hat Magdeburg bereits drei Trophäen eingeheimst und könnte in der Lanxess Arena sogar Titel Nummer vier gewinnen. Es wäre ein historischer Erfolg. Gleichwohl ist der dänische Meister eine hohe Hürde. Aalborg leistet sich eine Mannschaft aus nahezu ausschließlich dänischen Topkräften um Rückraumspieler Mikkel Hansen und Torhüter Niklas Landin. Den in dieser Spielzeit noch titellosen Kielern bleibt immerhin der Ansporn, eine bis dato sehr mäßige Saison zu einem guten Ende zu führen. Und was diese Mannschaft zu leisten in der Lage ist, hat sie im Viertelfinale gezeigt: Nach der deftigen 30:39-Niederlage in Montpellier spielte sich das Team von Trainer Filip Jicha im Rückspiel in einen Rausch und warf die Franzosen mit einem Zehn-Tore-Sieg (31:21) aus dem Wettbewerb. „Tiefer als nach dem Hinspiel waren wir in der ganzen Saison noch nicht“, erinnerte sich Dahmke: „Alles ist möglich.“
Die großen, alten Männer im Kieler Kader haben schon einmal gezeigt, wozu sie in der Lage sind
Einen solchen Coup hatte dem etwas in die Jahre gekommenen Kieler Kader kaum jemand zugetraut, aber die großen, alten Männer im Zebra-Trikot haben es allen gezeigt. Für Spieler wie Domagoj Duvnjak, 37, Niclas Ekberg, 35, Patrick Wiencek, 35, oder Steffen Weinhold, 37, wird es wohl die letzte Chance sein, die wichtigste Trophäe im Vereinshandball noch einmal zu gewinnen. Viermal hat der deutsche Rekordmeister sie geholt, zuletzt vor vier Jahren – im Finale gegen Barcelona. Vor der Saison wurde bei den Zebras der Umbruch eingeleitet, in Niklas Landin oder dem Norweger Sander Sagosen verließen tragende Säulen das Team, der Aderlass hat Spuren hinterlassen. Man befinde sich in einem Prozess, erklärte Geschäftsführer Victor Szilagyi, für Weinhold und Ekberg, die zehn und zwölf Jahre für die Kieler spielten und beide den Klub verlassen werden, wäre es ein großer Abschied.
„Dass es national nicht so gut lief in dieser Saison, ist bekannt. Umso wichtiger war es für uns, das Final Four zu erreicht zu haben“, sagte Dahmke. Kiel wurde in der Bundesliga Vierter, ist also kommende Saison nicht für die Champions League qualifiziert. Im deutschen Pokal kam das Aus gar in der dritten Runde, eine deprimierende Heimpleite gegen die HSG Wetzlar – dabei galt die Wunderino Arena mit den mehr als 10 000 Fans lange als uneinnehmbare Festung. Das ist viel zu wenig für das Selbstverständnis eines Klubs, der als der FC Bayern des Handballs gilt, immerhin: Die Leistung gegen Montpellier habe viel Selbstvertrauen in das Team zurückgepumpt, sagte Dahmke.
Mitleid muss man mit diesen Kielern nicht haben, denn die Kaderrenovierung schreitet voran. Der schwedische Rückraumwerfer Eric Johansson, 23, wird immer stärker, für das Final Four verschiebt er sogar eine Operation an der Patellasehne – die Olympischen Spiele wird er aber verpassen. Das 22-jährige Spielmacher-Talent Elias Ellefsen á Skipagötu von den Färöern, der bei der EM viel Aufsehen erregt hat, war von vielen Topklubs umworben. In Magnus Landin, Nikola Bilyk oder Hendrik Pekeler sind weitere klingende Namen des Welthandballs dabei.
Favorit im Halbfinale ist dennoch Barcelona, das sich zwar angesichts achtstelliger Verbindlichkeiten der Handballsparte einen Sparkurs verordnet hat, jedoch sagt Trainer Carlos Ortega: „Wir werden immer einen Kader haben, der um Titel spielt.“ Stimmt wohl, es sei nur das Torhüter-Duo Emil Nielsen und Gonzalo Pérez de Vargas (der 2025 nach Kiel wechselt) genannt, das wohl weltbeste derzeit. Oder das französische Weltmeister-Trio Dika Mem, Melvyn Richardson und Timothey N’Guessan.
Kein Grund für Angst, erklärte Dahmke, zumal das Final Four stets eigene Gesetze habe: „Meine Erfahrung ist, dass selten die Mannschaft gewonnen hat, die alle oben auf dem Zettel haben.“