Der Plan war so stimmig wie klar: Der HC Erlangen hatte Manuel Zehnder 2021 als Talent vom Schweizer Erstligisten HSC Suhr Aarau verpflichtet. Das konnte sich in seiner Bundesliga-Debütsaison aber nicht so recht durchsetzen. Deshalb verliehen ihn die Mittelfranken an Aufsteiger ThSV Eisenach, wo Zehnder Spielpraxis sammeln sollte – und verlängerten seinen Vertrag vorher bis 2026. In Eisenach stieß der Spielmacher auf seinen ehemaligen Aarauer Trainer und Mentor Misha Kaufmann, unter dem er sich so gut entwickelte, dass der 24-Jährige die abgelaufene Saison als Torschützenkönig der Bundesliga beendete.
Besser hätte es für Erlangen, das gerade noch den Klassenerhalt schaffte, kaum laufen können: Die Mannschaft mit dem schlechtesten Angriff der Liga holt den Torschützenkönig und baut um diesen ein neues Team auf. Dem Vernehmen nach hatten die Verantwortlichen bereits Gespräche mit dem Spieler geführt, alles schien in Harmonie seinen Gang zu gehen. Bis dem HCE nun Zehnders Kündigung ins Haus flatterte: Der Schweizer Nationalspieler will nicht zurück nach Erlangen und geht gegen seinen Arbeitsvertrag gerichtlich vor.
Als Grundlage dient den Anwälten des Handballprofis eine arbeitsrechtliche Feinheit: Die Vertragsverlängerung zwischen den Beratern Zehnders und dem HC Erlangen wurde nach üblicher Praxis per Mail abgewickelt, bei befristeten Arbeitsverträgen ist jedoch das unterschriebene Original notwendig. Ein fragwürdiger Formfehler, der nach Ansicht der Spieler-Partei die Vereinbarung außer Kraft setzt. Die Erlanger Rechtsanwälte sind jedenfalls anderer Meinung. Um die Kündigung zu bestätigen, will Zehnder eine einstweilige Verfügung erwirken. Die Parteien sind angehalten, sich außergerichtlich zu einigen, was wohl eine Ablöse bedeuten würde – sonst wird das Gericht kommende Woche entscheiden.
Will ein Klub einen Spieler in seinem Team, der gegen eine Anstellung klagt?
Dem sieht der HC Erlangen entspannt entgegen, gleichwohl stellt sich die Frage: Will ein Verein einen Schlüsselspieler in seinen Reihen wissen, der gegen eine Anstellung klagt? Trainer Johannes Sellin zumindest ist nach SZ-Informationen über den Vorgang nicht amüsiert. Und wie würden die künftigen Kollegen den Rückkehrer nun aufnehmen? Immerhin könnte Zehnder eine große Schwäche im Kader beheben, denn kein Erstligist hat weniger Tore erzielt als Erlangen. Auch bei der Heim-EM im Januar wusste der Mittespieler im Team der Eidgenossen zu überzeugen.
Zehnder will jedenfalls bei seinem Mentor und Landsmann Kaufmann in Eisenach bleiben; die Gerüchte, wonach der Schweizer als Nachfolger von Juri Knorr bei den Rhein-Neckar Löwen im Gespräch ist, haben nach SZ-Informationen wenig Substanz. Möglich wäre auch, dass die Parteien in Berufung gehen. Angesichts der bevorstehenden Saison ist letzteres aber eher keine Option – Erlangen sondiert schon den Markt, auf der Suche nach Ersatz.