Handball-Bundesliga:Lichtlein und die aufgehenden Sterne

13.10.2019 - Handball - 1. Bundesliga DKB HBL - Saison 2019 2020 - 09.Spieltag: HC Erlangen Metropolregion Nürnberg HCE

Wegbereiter: Der Kroate Sime Ivic traf acht Mal für den HC Erlangen, sieben Mal bereits in der ersten Spielhälfte.

(Foto: Oliver Gold/Sportfoto Zink)

Die Rhein-Neckar-Löwen sind für den HC Erlangen der richtige Gegner: Das 29:29 bringt die Mittelfranken in der Suche nach Harmonie voran.

Von Ralf Tögel

Dem HC Erlangen ist in der Handball-Bundesliga eine große Überraschung gelungen. Dank einer mitreißenden kämpferischen Leistung brachten die Mittelfranken den Meisterschaftsanwärter Rhein-Neckar Löwen beim 29:29 (17:16) an den Rand einer Niederlage, aber im letzten Angriff fand der letzte Pass von Rechtsaußen Johannes Sellin keinen Abnehmer mehr. Dennoch zeigten die Erlanger ihre bisher beste Saisonleistung, die durchaus mehr verspricht, wie Kapitän Michael Haaß "sehr, sehr, sehr zufrieden" zur Kenntnis nahm.

Erlangens Trainer Adalsteinn Eyjolfsson hatte angesichts der doch recht umfangreichen Umgestaltungen in seinem Kader davon gesprochen, dass sich selbiger weiterhin in "einer Findungsphase" befinde. Denn die neuen Spieler sind für Schlüsselpositionen vorgesehen, der Franzose Quentin Minel im linken und der Kroate Sime Ivic im rechten Rückraum. Dazu kommen Kreisläufer Sebastian Firnhaber sowie Torhüter-Urgestein Carsten Lichtlein.

Bislang lief das Spiel des HC Erlangen nicht nach Wunsch, es holperte, wie es in einer Findungsphase eben vorkommt. Nun sprach der Isländer von der richtigen Reaktion auf die jüngste Heimniederlage gegen Göppingen, man "hätte meinen können, dass zwei verschiedene Mannschaften auf dem Feld standen". Mutig und konsequent seien seine Spieler gegen die Löwen aufgetreten, eine Leistung, "die so passt", wie Spielmacher Haaß ergänzte, "darauf werden wir aufbauen". Die Suche nach spielerischer Harmonie dürfte nach diesem Auftritt gegen die Rhein-Neckar Löwen ein gutes Stück vorangekommen sein.

Vielleicht war es genau das, was die neu formierte Mannschaft benötigte: ein Gegner, gegen den man befreit aufspielen und mit der Unterstützung der 5134 begeisterten Zuschauer über sich hinauswachsen kann, ein Gegner wie der Klub aus Mannheim eben. Denn vom Tabellenzehnten war ein Erfolg gegen dieses europäische Topteam nicht zu erwarten gewesen. Der Löwen-Kader ist dem der Erlanger nominell turmhoch überlegen, genannt sei da nur Uwe Gensheimer. Der Kapitän des Nationalteams, mehrmals Torschützenkönig der Bundesliga und Champions League, war nach drei Jahren beim neureichen französischen Meister Paris St. Germain, der sich einer märchenhaften Alimentierung aus Katar erfreut, zurückgekehrt. Der Linksaußen war mit 13 Treffern auch bester Schütze am Sonntagnachmittag.

Angeleitet wird Mannheims Ansammlung europäischer Topakteure vom schwedischen Nationaltrainer Kristjan Andresson, der auch auf eine Reihe Spieler der eigenen Auswahl zurückgreifen kann, unter anderem das Torhüter-Duo Mikael Appelgren und Andreas Palicka. Der Schwede war bedient, "das war nicht, was wir uns vorgenommen haben". Nun werde man "mit einem Punkt heimreisen und überlegen, was wir besser machen müssen".

Denn die Akzente setzten lange die Erlanger Akteure, allen voran die neuen. In Minel, vom französischen Erstligisten Chambery gekommen, erhoffen sich die Mittelfranken ja einen Anführer erster Güte; Ivic, vom weißrussischen Champions-League-Klub aus Brest gewechselt, soll mit seinen Würfen den nach Magdeburg zurückgekehrten Christoph Steinert ersetzen, der sich in der vergangenen Saison derart entwickelt hat, dass man ihn in Erlangen nicht halten konnte.

Das ist ja das Muster der Mittelfranken: Spieler zu entwickeln, "Sterne finden, die aufgehen und keine, die noch nicht untergehen", wie es der sportliche Leiter Kevin Schmidt beschreibt. Minel, Ivic und auch Kreisläufer Firnhaber (drei Tore), der sich beim Branchenprimus Kiel nicht durchsetzen konnte, hielten den prominenten Konkurrenten in der ersten Hälfte fast im Alleingang auf Distanz. Weil auch noch Torhüter Lichtlein, aus Gummersbach gekommen, in seiner 618. Bundesligapartie trefflich assistierte, gingen die Gastgeber mit einer verdienten 17:16-Führung in die Pause. Die hatte Ivic mit seinem bis dahin siebten Treffer erzielt (insgesamt kam er auf acht). Minel traf fünfmal, dazu fanden Rückraumschütze Nikolai Link und Rechtsaußen Sellin (je fünf) gerade rechtzeitig zu ihrer Bestform.

Weil aber auch die Mannheimer einen Anführer erster Güte in ihren Reihen haben, blieb die Partie eng. Andy Schmid fand immer wieder Kreisläufer Jannik Kohlbacher (sieben Tore), Gensheimer traf nahezu fehlerlos. Fünf Minuten vor dem Ende lag der große Favorit 28:25 vorne, "das müssen wir zumachen", ärgerte sich Trainer Andresson.

Zumal seine Mannschaft beste Chancen ausließ, was wiederum an Lichtlein lag. Der parierte in der spannenden Schlussphase zwei Siebenmeter von Gensheimer - die einzigen beiden Fehlwürfe des Nationalmannschaftskapitäns. Antonio Metzner traf zum 28:29, ehe Sellin den Endstand herstellte. Metzner ist im Übrigen vom Zweitligisten Lübeck-Schwartau gekommen und gilt als eine deutsche Rückraumhoffnung. Vielleicht der nächste Stern, der in Erlangen aufgeht.

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