Der Blick ist kein schöner, das ist Johannes Sellin schon klar: Tabellenletzter. Dennoch wundert sich der Trainer ein wenig über die Schärfe der Nachfragen. Ob er die 28:42-Niederlage in dieser Höhe erwartet habe? Natürlich nicht, man habe sich schon einiges vorgenommen, vieles aber sei nicht umgesetzt worden, er habe eine gewisse „Detailtreue“ vermisst. Außerdem war da ja noch der Gegner, die SG Flensburg-Handewitt, von Bundestrainer Alfred Gislason höchstselbst zum Meisterschaftsfavoriten ernannt. Trainer Nicolej Krickau geht in seine zweite Saison, hat einen exzellenten und nahezu unveränderten Kader, lediglich auf Halbrechts wurde der Isländer Teitur Einarsson durch den Dänen Niklas Kirkelökke ersetzt. Der trifft als Teil der Olympiasiegermannschaft in Flensburg auf viele Teamkollegen und benötigte daher kaum Eingewöhnungszeit. „Die spielen um die Meisterschaft“, sagte also Sellin, „wir nicht, das war uns schon bewusst.“
Erlangen selbst hat einen großen Umbruch zu bewältigen. Allein im Rückraum standen in Marek Nissen und Sander Överjordet zwei Novizen, der Halblinke dient recht gut zur Einordnung: Nissen kam vom Zweitligisten Lübbecke, traf in seinen ersten Bundesliga-Minuten gleich auf SG-Neuling Kirkelökke – Weltmeister und Olympiasieger. Als die Gäste also versuchten, das Tempo des Gegners in den Anfangsminuten mitzugehen, wurden sie regelrecht überrollt. „Wenn die ins Laufen kommen, wird’s brutal“, erkannte Sellin, schnell waren die Nordmänner zweistellig enteilt, das Spiel praktisch entschieden. Als die Erlanger allerdings Tempo aus dem Spiel nahmen, konnten sie mit den Flensburgern ganz passabel mithalten; sie lagen aber bereits zur Pause sehr deutlich (12:22) in Rückstand.
Am Freitag gastiert Eisenach: „Alle mal ruhig bleiben“, sagt Trainer Sellin
Sellin will sich vor den folgenden Aufgaben mit Analysen und Deutungen nicht weiter aufhalten: „Ob wir mit einem oder 14 Toren verlieren, ist egal, es bleiben zwei Punkte.“ Der Erlanger Trainer muss nun weiter zusehen, dass sich seine Mannschaft findet, die Olympiafahrer Christoph Steinert und Klemen Ferlin sind erst seit ein paar Wochen im Training, und Kreisläufer Tobias Wagner seit eineinhalb Trainingseinheiten. Es sei kein Wunder, dass er nicht immer „da steht, wo er stehen soll“. Wagner kam wegen der Verletzung des polnischen Nationalkreisläufers Maciej Gebala vom österreichischen Erstligisten Bregenz und beeindruckte zuletzt bei der EM mit starken Leistungen. Ihm fehlt aber noch, wie einigen im Team, die Bindung zum Spiel.
Am Freitag gastiert Eisenach, ein Gegner, der im Leistungsbereich von Erlangen zu verorten ist. Ob Sellin bereits Druck verspürt? „Jetzt wollen wir mal alle ruhig bleiben“, sagt der Europameister von 2016, es sei gerade mal ein Spiel bei einem Topfavoriten gespielt. Mit einer Mannschaft, die viel Talent habe, aber noch ein bisschen Zeit benötige. Also was soll die Frage?