Handball-Bundesliga:Die Serie reißt in Spiel 25

Ein Jahr und eine Woche lang hatte die Skandinavien-Auswahl des deutschen Handball-Meisters SG Flensburg kein Bundesligaspiel verloren - bis zum 23:24 beim SC Magdeburg.

Von Joachim Mölter, Magdeburg

So schnell geht's: Boden, Latte, rein - gewonnen! Mit seinem Tor in den letzten Sekunden verhalf der Handballer Robert Weber dem SC Magdeburg am Donnerstagabend zum 24:23 (11:12) im Bundesliga-Spitzenspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt. Der Aufsetzer des Rechtsaußen aus spitzem Winkel sprang vom Parkett an die Unterkante der Latte und von dort hinter die Linie. "Ich war bis dahin gar nicht wirklich im Spiel, aber ich musste ja werfen - es war keine Zeit mehr", erzählte der Matchwinner, der in der Tat unauffällig gewesen war - und im Hinspiel sogar noch der Matchloser. Beim 25:26 im November hatte der Österreicher ebenfalls den letzten Wurf gehabt, damals vergab er die Chance zum Ausgleich. "Verrückte Geschichte", fand sein Trainer Bennet Wiegert, 37: "Im Hinspiel trifft er nur den Pfosten und heute: Boden, Latte, rein."

Und damit nicht nur Spiel gewonnen, sondern auch: Serie beendet!

Ein Jahr und eine Woche lang hatte der deutsche Meister Flensburg kein Bundesligaspiel mehr verloren. In Spiel 25 der Serie kam die SG nach Magdeburg. Die erste Saisonniederlage fand aber keiner der Betroffenen schlimm. "Es war ja damit zu rechnen, dass die irgendwann kommt", sagte SG-Manager Dierk Schmäschke lakonisch: "In Magdeburg kann man verlieren, das haben schon andere getan."

Das lautstarke Publikum in der 6600 Zuschauer fassenden Getec-Arena kann jeden Gegner einschüchtern, und die meisten Schiedsrichter auch. Am Donnerstag bekamen diese jedenfalls schön was zu hören, nachdem sie zwei Treffer der SC-Profis nicht anerkannten. Womöglich pfiffen sie auch als Wiedergutmachung den letzten Angriff der Flensburger vorsichtshalber mal ab, als dabei ein Magdeburger Spieler zu Boden ging.

Angesichts der Umstände bilanzierte Flensburgs Trainer Maik Machulla, 42, trocken: "Jeder weiß, was die Magdeburger Mannschaft zu leisten imstande ist mit diesem Publikum." Abgesehen davon relativierte er generell die Bedeutung des Ereignisses: "Das war ein Bundesliga-Spiel, in dem es um zwei Punkte ging, nicht um mehr. Wir haben auswärts gegen eine starke Mannschaft verloren, mit einem Tor Differenz, das war am Ende unglücklich." Aber es war halt kein Drama.

SC Magdeburg v SG Flensburg-Handewitt - DKB HBL

Emotionales Kontrastprogramm: Flensburgs Trainer Maik Machulla vor Magdeburger Kulisse.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Das Spiel ging hin und her, kein Team führte mit mehr als zwei Toren Differenz; Michael Damgaard traf siebenmal für Magdeburg, Lasse Svan ebenso oft für Flensburg, am Ende lief es darauf hinaus, dass die Mannschaft gewinnt, die bei der Schlusssirene zufällig vorne lag. Das war dann halt Magdeburg.

"In Flensburg geht die Handball-Welt deswegen nicht unter", beruhigte Machulla. Mit nun 48:2 Punkten ist bloß der Vorsprung auf den ewigen Rivalen THW Kiel (46:6) geschrumpft. Die Magdeburger als Dritter (42:10) rechnen sich trotz ihres Erfolges kaum noch Chancen aus, die Spitze anzugreifen. Nachdem sie Ende 2018 ärgerlicherweise zwei Heimspiele gegen Göppingen (28:29) und Berlin (25:27) abgegeben hatten, richten Trainer Wiegert und sein Team den Fokus nun auf die Pokal-Endrunde am ersten April-Wochenende in Hamburg. Der bereits entthronte Cupverteidiger Rhein-Neckar Löwen (40:10) scheint sich nach dem 23:28 in Gummersbach nun auch aus dem Kampf um die Meisterschaft zurückzuziehen.

Trotzdem kann das Titelrennen noch spannend werden: Flensburg muss im April bei den Löwen in Mannheim antreten und im Mai beim Rekordmeister in Kiel. Dass die Niederlage in Magdeburg die Mannschaft verunsichert, glaubt ihr Kapitän Tobias Karlsson nicht: "Wir werden gewiss nicht unser Selbstvertrauen einbüßen", sagte der Schwede.

Magdeburgs Coach Wiegert konnte sich nachher einen Seitenhieb nicht verkneifen. Gegen sein Team hatten die Flensburger ja bereits vor einem Jahr und einer Woche verloren, 23:29, und dazwischen auch im Pokal-Achtelfinale, 28:31. "Ich glaube, wir sind drin in ihren Köpfen", vermutet er. Kollege Machulla will davon nichts wissen: "Wir haben so viele Spieler, die Olympia- und WM-Finals gespielt haben. Die machen sich da nicht so viele Gedanken."

In der Tat kann die SG Flensburg-Handewitt eine Sieben aufs Feld stellen, die komplett aus aktuellen WM-Finalisten besteht: Im Tor der Norweger Torbjörn Bergerud, auf Linksaußen sein Landsmann Magnus Jöndal, auf Halblinks der Däne Rasmus Lauge, im zentralen Rückraum und auf Halbrechts wieder zwei Norweger, Göran Sögard und Magnus Röd, auf Rechtsaußen der Däne Lasse Svan und am Kreis stehen zwei weitere Dänen zur Verfügung, Simon Hald und Anders Zachariassen. Am Donnerstag standen aber zunächst nur fünf der Genannten auf dem Parkett - das Tor hütete der Bosnier Benjamin Buric, von der Quote der abgewehrten Würfe her (36,7 Prozent) der beste Keeper der Liga; die Spielgestaltung in der Zentrale übernahm der Schwede Jim Gottfridsson, weil der noch besser ist als Sögard.

2 Meistertitel

hat die 1990 gegründete SG Flensburg-Handewitt bisher in der Handball-Bundesliga gewonnen: 2004 und 2018. Zum Vergleich: Rekordmeister THW Kiel gewann den Liga-Titel 20 Mal seit 1957 - zum bislang letzten Mal in der Saison 2014/'15.

Diese Skandinavien-Auswahl bleibt nordisch kühl, sobald es um die Saisonziele geht. "Dass wir hier stehen nach 25 Spieltagen mit nur einer Niederlage, ist sensationell", findet Trainer Machulla: "Das zeigt, dass wir gute Entscheidungen auf dem Transfermarkt getroffen haben." Die SG Flensburg steckt bekanntlich im Umbruch: Sie hat vor zwei Jahren drei Profis verloren, nach der Meisterschaft im vorigen Sommer noch mal sechs, und nach dieser Saison hört Kapitän Karlsson auf und Lauge wechselt nach Veszprem. "Das sind innerhalb von zwei Jahren elf Spieler, die wir getauscht haben", rechnet Machulla vor und betont: "Das sind Weltklasse-Spieler, die ein Niveau haben, das in Europa schwer wieder zu finden ist."

Manager Schmäschke hat es trotzdem halbwegs geschafft, was auch Magdeburgs Coach Wiegert anerkennt: "Großen Respekt vor dieser Personalpolitik, da haben sie nicht allzu viel verkehrt gemacht." Er rechnet jedenfalls damit, die SG über Jahre an der Liga-Spitze zu finden. So schnell geht's ja dann doch nicht abwärts, nach bloß einer Niederlage.

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