Handball-Bundesliga:Das Gift des Zweifels

Christopher Bissel (HC Erlangen 21) wirft sich in den Strafraum, Frisch Auf Goeppingen vs. HC Erlangen, 1. Bundesliga,

Christopher Bissel (vorne) trifft zum 8:8-Ausgleich in Göppingen, bis dahin war es ein Spiel auf Augenhöhe. Danach gerieten die Erlanger immer weiter ins Hintertreffen.

(Foto: Michael Schmidt/Eibner/Imago)

Die Handballer des HC Erlangen spielen in Göppingen verunsichert und verlieren zum dritten Mal in Serie. Trainer Michael Haaß erachtet das Pokalachtelfinale als ideale Chance zur Wende.

Von Ralf Tögel

"Wir haben gekämpft", sagt Michael Haaß bestimmt, "wir haben alles versucht". Es ist dem Trainer der Erlanger Handballer wichtig, das klarzustellen. Denn nach der deutlichen 25:34-Niederlage seiner Mannschaft bei Frisch! Auf! Göppingen vom Sonntag hatte Sportdirektor Raul Alonso beanstandet, die Mannschaft habe nicht "die notwendige Einstellung zum Spiel gefunden". Haaß präzisierte also, dass sein spanischer Kollege nicht etwa eine mangelnde Leistungsbereitschaft der Spieler monierte, deren Einsatz nämlich sei nicht zu beanstanden gewesen. Vielmehr habe es an "kollektiven Lösungen" gehapert, das Teamspiel sei in einem Mannschaftssport wie dem Handball nun einmal "der Schlüssel zum Erfolg". Oder in den Worten des Sportlichen Leiters Alonso: "Das Miteinander hat einfach gefehlt." Das Bemühen war ja da, aber "jeder hat es allein versucht", so Haaß.

Wie man es auch formulieren mag, eines war in Göppingen nicht zu übersehen: Die Erlanger Mannschaft ist verunsichert, die Spieler tragen das Gift des Zweifels in ihren Köpfen. "Die Jungs hadern mit sich, dann fehlt das Vertrauen, die Unsicherheit wächst und wir spielen verkrampft", erklärt Haaß die derzeitige Misere. Der ehemalige Weltmeister weiß natürlich, dass die Ursachen vielfältig und nicht so einfach abzustellen sind: "Ein einziges Rezept gibt es nicht, vielleicht sollten wir einfach mehr spielen und weniger nachdenken". Denn die Qualität im Kader sei unbestritten: "Diese Jungs können alle Handball spielen." Aber derzeit fehle es an "Lockerheit und in manchen Momenten auch an Entschlossenheit und Biss". In Göppingen war gut zu beobachten, wie die Erlanger sich so in eine Abwärtsspirale manövrierten: Bis zum 8:8-Ausgleich durch eine feine Einzelleistung von Christopher Bissel war es der Vergleich zweier gleichstarker Kontrahenten, "dann genügen ein paar Kleinigkeiten und wir verlieren komplett den Zugriff", so Haaß.

Erst sind es Kleinigkeiten, die die Spieler verunsichern. Dann wachsen die Zweifel und die Mannschaft gerät in eine Abwärtsspirale

Kleinigkeiten wie zwei Fehlwürfe, eine Zeitstrafe, ein Ballverlust, Göppingen nutzte die Schwächen konsequent aus und zog sukzessive davon. Zur Halbzeit lagen die Erlanger 12:16 hinten, längst hatten die Gastgeber das Momentum auf ihrer Seite. Mit jedem Fehler wuchs die Nervosität bei den Gästen - und das Selbstvertrauen der Gastgeber. Entsprechend konsequent und entschlossen agierten die Göppinger nach dem Wechsel, suchten die frühe Entscheidung und zogen auf 22:15 davon. Da waren noch knapp 20 Minuten zu spielen, der Glaube an die Wende schwand im Erlanger Team aber mit jedem weiteren Fehlwurf. "Neun Tore sind schon happig", sagt Haaß zur jüngsten Niederlage, zudem sei das Spiel "symptomatisch für unsere Situation" gewesen: "Wir haben ein großes mentales Problem." Das habe mit der unnötigen Heimniederlage gegen Stuttgart begonnen, seither wurde dreimal in Folge verloren. Von Krise will aber im Kreis der Verantwortlichen niemand reden, der HCE bleibt Zwölfter, der Abstand zu den Abstiegsplätzen ist längst nicht besorgniserregend. Der Ausfall von Klemen Ferlin ist dabei ein großer Malus, der slowenische Nationaltorhüter ist einer der Akteure, die "den Unterschied machen", wie Haaß erklärt. Sonderlich panisch wirkt der Trainer nicht, er weiß aus eigener Erfahrung, wie leicht eine solche Verkrampfung zu lösen ist: "Wir brauchen ein Erfolgserlebnis."

Der Weg dahin führe über harte Arbeit und viele Gespräche. Für beides ist nun Zeit, denn am Wochenende ist der HC Erlangen spielfrei, dann folgt am kommenden Dienstag das Pokal-Achtelfinale gegen die HSG Wetzlar. Jenen Gegner, gegen den das jüngste Heimspiel 24:27 knapp und unnötig in der Schlussphase verloren ging. Die ideale Gelegenheit also, um die Köpfe zu entgiften. Der Einzug ins Pokal-Viertelfinale wäre das benötigte Erfolgserlebnis - und der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte.

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