Handball in der Coronakrise:Dem Bäcker geht das Mehl aus

Balingen nach dem 25:25 Handball 1. HBL HBW Balingen-Weilstetten vs. TSV GWD Minden // 2020-03-07 // Handball 1. HBL HB

Letzter Applaus? Balingens Handballer nach dem Heimspiel gegen Minden am 7. März. Seitdem waren sie nicht mehr im Einsatz.

(Foto: imago)
  • Die Handball-Bundesliga wird ihre Saison wohl abbrechen und beenden - das trifft insbesondere die kleinsten Klubs hart.
  • Der finanzielle Druck ist enorm. "Es geht darum, ob es die Eulen im Herbst noch gibt", sagt Lisa Heßler vom Erstligisten Ludwigshafen.
  • Ihr Kollege Wolfgang Strobel aus Balingen erklärt: "Dann geht es uns wie dem Bäcker, der kein Mehl mehr hat."

Von Carsten Scheele

Eine Bäckerei und ein Handball-Bundesligist lassen sich gut vergleichen, findet Wolfgang Strobel, der Geschäftsführer des Erstligisten HBW Balingen-Weilstetten. Eine Bäckerei muss Brötchen, Brot und Kuchen verkaufen, ein Handballklub Tickets - so läuft das Geschäft. Wenn die Handball-Bundesliga (HBL) nun vermutlich ihre Saison abbricht, wonach es nach den Äußerungen von Liga-Präsident Uwe Schwenker vom Montag stark aussieht, erklärt Strobel: "Dann geht es uns wie dem Bäcker, der kein Mehl mehr hat." Dazu kommt, dass niemand weiß, wann es wieder Mehl geben wird, oder Tickets in diesem Fall. Im September, erst im nächsten Jahr? "Diese Ungewissheit", sagt Strobel, "ist das größte Problem".

Wie viele Unternehmen stehen die Klubs der Handball-Bundesliga in der Corona-Krise vor kaum stemmbaren Herausforderungen. Wovon leben, wenn die Spiele ausfallen und keine Einnahmen mehr reinkommen? Schon vor einer Woche hat der HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann gesagt, er könne nur hoffen, "dass wir im Herbst alle Klubs wiedersehen".

Im Herbst, wenn der Spielbetrieb vielleicht wieder läuft und bis dahin keine Klubs unter der finanziellen Last zusammengeklappt sind. In diesen Dimensionen muss gedacht werden, da sind sich Strobel aus Balingen und seine Kollegin Lisa Heßler von den Eulen Ludwigshafen einig. Sie verantworten zwei der kleinsten Klubs der Liga, Balingen ist in der Tabelle aktuell Drittletzter, die Eulen sind Vorletzter: zwei Klubs mit etwas mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und knappen Budgets, die in normalen Zeiten zwischen der ersten und zweiten Liga wandeln.

Doch gerade geht es um größere Fragen als den Klassenverbleib. "Es geht darum, ob es die Eulen im Herbst noch gibt", sagt Heßler. Ihr Kollege Strobel bestätigt: "Die Lage ist sehr, sehr ernst."

Alle zwei Tage treffen sich die Klubs zur Telefonkonferenz

Heßler, 30, ist die jüngste Managerin der Liga. Sie hat alle Mitarbeiter der Eulen nach Hause geschickt, an Training ist in Ludwigshafen ohnehin nicht zu denken. Kurzarbeit? Ist eine Option, doch aktuell ist das Loch, das sich auftut, noch "gar nicht messbar". Ticketing und Sponsoring machen bei den Eulen mindestens 70 Prozent des Etats aus - wenn die Kartenverkäufe vom einen auf den anderen Tag wegbrechen und gleichsam viele Sponsoren von der Krise betroffen sind, ist auf einen Schlag die komplette Existenz bedroht. Der Klub müsse abwarten, "wie viele Regressforderungen auf uns zukommen", sagt Heßler. Weil der Verein, der Handballspiele verspricht, gerade nicht Handball spielen kann.

So hangelt sich die Managerin, zwischen all den schlechten Nachrichten, von Lichtblick zu Lichtblick. "Ich freue mich über jede Mail, wenn einer schreibt, dass er den Ticketpreis für seine bereits gekauften Karten nicht zurückhaben will", sagt Heßler, "wir brauchen diese Solidarität, damit die Eulen das überstehen."

In Balingen ist die Lage ähnlich prekär. Dort machen Ticketverkäufe und Sponsoreneinnahmen sogar 90 Prozent des Etats aus, die TV-Einnahmen weniger als zehn Prozent. Geschäftsführer Wolfgang Strobel, der Bruder von Nationalspieler Martin Strobel, würde der Krise gerne noch tatkräftiger entgegentreten, aber: "Was soll ich momentan Fans erzählen, die eine Dauerkarte für die kommende Saison haben wollen?" Ähnlich ergeht es ihm mit den Sponsoren, auch die dringend nötigen Spielerverpflichtungen für die kommende Saison sind ausgesetzt.

"Einen Rettungsschirm wird es im Handball nicht geben"

Im Grunde wünscht sich der HBW seit Jahren eine größere Halle - jetzt ist Strobel froh über die kleine Arena auf der Schwäbischen Alb mit ihren 2350 Zuschauerplätzen. Andere Klubs sind schlechter dran, sie mieten für viel Geld größere Hallen, der HC Erlangen etwa, auch ein kleiner Verein, der seine Heimspiele in der Arena in Nürnberg mit einem Fassungsvermögen von 8300 Plätzen austrägt. Dort schlägt der Aufsichtsratschef Carsten Bissel schon Alarm: "Ohne Unterstützung von außen ist diese Situation nicht zu bewältigen."

Doch wie soll diese Unterstützung aussehen? Es kann nur über staatliche Hilfen und treue Sponsoren gehen, ähnlich wie im Eishockey, wo die Playoffs bereits abgesagt wurden, oder im Basketball, wo die Saison ebenfalls vor dem Abbruch steht. "Einen Rettungsschirm wird es im Handball nicht geben", sagt Strobel, dafür sind die Liga und alle Klubs ähnlich stark von der Krise betroffen, vom THW Kiel bis zur HSG Nordhorn-Lingen, weil die Vereine massiv auf Zuschauereinnahmen und Sponsorengelder setzen. Die Solidarität zwischen den Klubs sei trotzdem groß, betonen Heßler und Strobel. Alle zwei Tage werden Telefonkonferenzen abgehalten, Tipps ausgetauscht, Szenarien durchgespielt. Nur wirklich helfen kann niemand.

Für die kommende Saison wurde das Lizenzierungsverfahren ausgesetzt, alle Klubs erhalten zunächst die Lizenz unter Auflagen - eine kleine bürokratische Hilfe der HBL. Als nächstes steht die finale Entscheidung über die Absage der Saison an, dann zeigt sich, ob die großen Probleme der Klubs noch riesenhafter werden. Bob Hanning, der Geschäftsführer der Füchsen Berlin, kündigt bereits unheilvoll an: "Erst wenn der Staub sich gelegt hat, sieht man, wer noch steht."

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