Im Wegstecken von Rückschlägen sollten die Erlanger Handballer mittlerweile geübt sein. Jedenfalls vermittelte Antonio Metzner diesen Eindruck nach der jüngsten 25:31-Niederlage in eigener Halle gegen die MT Melsungen. Nach den jüngsten guten Auftritten war dieser mal wieder ein schlechter, aber die Mannschaft wisse schon, „dass wir nun liefern müssen“. Zumal die Hauptursache beim mittelfränkischen Handball-Erstligisten ebenso regelmäßig in Erscheinung tritt: die mangelhafte Chancenverwertung.
Denn auch gegen den Meisterschaftsanwärter aus Nordhessen schien die Lage nicht völlig aussichtslos zu sein, als sich die Erlanger zwölf Minuten vor dem Ende der Partie auf drei Tore herangekämpft hatten. Dann aber kam es wie so oft: Erst verwarf Metzner völlig frei, dann Christopher Bissel und schließlich Tim Gömmel. Statt den Gegner weiter unter Druck zu setzen, bekamen die abgezockten Gäste dank der gegnerischen Fehlversuche die Gelegenheit, ihre Aussichten auf den ersten deutschen Meistertitel hochzuhalten.
Und Erlangen? Bleibt weiter auf einem Abstiegsplatz. Natürlich ist ein Gegner wie Melsungen nicht von jenem Format, gegen den Punkte als Pflicht zu gelten haben. Gleichwohl haben die Erlanger in jüngerer Vergangenheit mit zwei Remis gegen Hannover-Burgdorf und die Füchse Berlin, beides ebenfalls Titelanwärter, bewiesen, dass sie auch dazu in der Lage sind. Zudem war Melsungen geschwächt angereist, im montenegrinischen Nationaltorhüter Nebojsa Simic und dem lettischen 2,14-Meter-Riesen Dainis Kristopans fehlten zwei Schlüsselspieler. Im Gegensatz zu den Gastgebern, denen im serbischen Rückraumschützen Milos Kos ebenfalls eine wichtige Stütze fehlte, kann ein Topteam derlei Ausfälle aber kompensieren.
Die Zuversicht auf eine weitere Saison in der Handball-Beletage bleibt beim HC Erlangen dennoch groß, allein der stets intakte Kampfeswille mache Trainer Johannes Sellin zufolge Mut. Die Abwehr funktionierte erneut passabel, und im Angriff würden ja genügend Chancen erarbeitet, ändern müsse sich eigentlich nur eines: „Am Donnerstag machen wir die Bälle rein und dann holen wir den Sieg.“ Die Moral jedenfalls sei nach wie vor intakt: „Auch heute war die Chance da“, fand Sellin, „das wissen die Jungs und deswegen lässt auch niemand groß den Kopf hängen.“ Nur: Irgendwann sollten die Bälle auch im Tor landen, Handball ist und bleibt Ergebnissport.
Im isländischen Nationalspieler Viggo Kristjansson hat der HCE einen Führungsspieler, der die Kollegen mitreißen kann
Immerhin folgen nun Konkurrenten, die eher im HCE-Bereich anzusiedeln sind, wie Göppingen, Leipzig oder Stuttgart. Selbst die Rhein-Neckar Löwen, die am Donnerstag (19 Uhr) in der Nürnberger Arena gastieren, scheinen nicht in unerreichbarer Ferne. Zwar sind die Gäste um das Nationalmannschaftstrio Juri Knorr, Jannik Kohlbacher und Torhüter David Späth zweifellos besser besetzt, aber gegen die Mannheimer sahen die Erlanger meist gut aus – das Heimspiel der Vorsaison wurde auch 33:30 gewonnen. Zudem spielen die Löwen im Tabellen-Niemandsland und haben ihr großes Ziel mit der Halbfinalniederlage im Pokal-Final-Four verpasst. Die Weichen sind längst auf Umbruch gestellt: Trainer Sebastian Hinze wechselt nach Eisenach, Juri Knorr zum dänischen Spitzenklub Aalborg.
Punkte gegen die Löwen würden die Lage der Erlanger deutlich verbessern, die bei sieben ausstehenden Partien bei 10:44 Punkten stehen. Bietigheim hat zwei Minuspunkte weniger (10:42), Stuttgart (14:38) ist noch in Reichweite, die davor platzierten Göppingen, Leipzig (je 17:37) und Wetzlar (18:36) dürfen sich ebenfalls noch nicht sicher fühlen. Der Trend spricht ebenfalls für die Mittelfranken, aus den vergangenen fünf Partien sammelte der HCE vier Punkte, also fast die Hälfte der Gesamtausbeute. Zudem hat das Sellin-Team noch direkte Vergleiche gegen Stuttgart, Bietigheim, Göppingen und Wetzlar, allerdings allesamt auswärts.
Von Rechenspielchen will Trainer Sellin aber nichts wissen, nun sei die Mannschaft gefragt. Und in Viggo Kristjansson weiß der Trainer einen Akteur in seinen Reihen, der nicht nur immer besser trifft, sondern auch die notwendige Mentalität mitgebracht hat. Von Rückschlägen lässt sich der isländische Nationalspieler schon gar nicht beeindrucken.