Süddeutsche Zeitung

Handball-Bundesliga:Mit Tape und Tempo

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Vorerst Tabellenführer: Der HC Erlangen ist auf die Regeländerung beim Anpfiff gut vorbereitet und startet mit einem 31:27-Sieg gegen Wetzlar in die Saison.

Von Heike A. Batzer

Den Schlusspunkt setzt Christopher Bissel. Nicht aus spitzem Winkel von ganz links draußen oder im Flug, wie er das sonst macht. Diesmal hämmert der Handballer den Ball mit einem wuchtigen Hüftwurf im Stile eines Rückraumspielers zum 31:27 ins Netz (57.). Es ist der überraschendste Treffer des Abends, vielleicht auch der schönste und gleichzeitig der Endstand. Bissel und der HC Erlangen gewinnen den Saisonauftakt in der Handball-Bundesliga gegen die HSG Wetzlar.

"Ein Superspiel und ein Superstart", freut sich Trainer Raul Alonso, für den es der erste Saisoneinstieg in Erlangen ist. Der 43 Jahre alte Spanier, der zunächst Sportdirektor war, übernahm im Januar, als die Vorjahressaison unter dem damaligen Trainer Michael Haaß nicht gut lief, zusätzlich noch das Traineramt. Ausreichend Expertise brachte er freilich aus seiner Zeit als Co-Trainer beim THW Kiel mit und aus internationalen Engagements bei Handball Tirol in Innsbruck und beim mehrfachen weißrussischen Meister Meshkov Brest, mit dem er das Viertelfinale der Champions League erreichte.

Diesmal konnte er sein Team wochenlang nach seinem Gusto auf eine neue Spielzeit einstellen. Mit einem ersten Erfolg. Beim Auftakt gegen Wetzlar gelingt dem HC Erlangen viel. Das Team findet schnell ins Spiel und gestattet dem Gegner nicht, in Führung zu gehen. Kein einziges Mal. Stattdessen machen die Gastgeber gleich zu Beginn viel Druck. Und das Handballspiel an sich hat - das ist auch Alonsos Eindruck - noch einmal zusätzlich Fahrt aufgenommen, seit der Anwurf aus einem Mittelkreis mit vier Metern Durchmesser erfolgt und keiner der Spieler dabei mehr wie bisher mit einem Fuß auf der Mittellinie stehen muss. "Ja, das Spiel ist schneller geworden", sagt Alonso über die Regeländerung des Handball-Weltverbandes, die von nun an auch in der Bundesliga gilt. Darauf hat Alonso die Seinen vorbereitet. Er muss ein bisschen schmunzeln, als er das erzählt: In der Trainingshalle habe man den Kreis eigens auf die nun geltenden Maße mit Tape abgeklebt, um die neue Situation zu simulieren.

Der Rückraum überzeugt, obwohl in Steffen Fäth ein ehemaliger Europameister fehlt

Die HSG Wetzlar tut sich schwerer, ins Spiel und in die neue Saison zu finden. Sichtbares Zeichen dafür ist, dass Trainer Ben Matschke seinen Mittelmann Magnus Frederiksen schon alsbald aus dem Spiel nimmt und durch den jungen Schweizer Jonas Schelker ersetzt. Der macht seine Sache besser und mit sechs Toren die meisten für sein Team, und auch auf Erlanger Seite darf später ein junger Schweitzer phasenweise die Mitte besetzen: Manuel Zehnder, 22-jähriger Neuzugang vom HSC Suhr-Aarau. Der Erlanger Rückraum ist stets in der Lage, viel Druck zu machen: durch Zehnder, durch den etatmäßigen Mittelmann Nico Büdel, durch den schwedischen Nationalspieler Simon Jeppsson sowieso. Der 2,04 Meter große Hüne auf der halblinken Position kann sich immer wieder durchsetzen, macht fünf Tore und arbeitet den Kollegen zu. Dabei fehlt dem Team in Steffen Fäth ein weiterer namhafter Mann im Rückraum. Der Europameister von 2016 hat sich vor ein paar Wochen bei einem Zusammenstoß im Training am Ellbogen verletzt und wird nach Worten von Trainer Alonso in ein bis zwei Wochen zurückkehren. Erlangens Tore bleiben auch so sehenswert: Büdels Alleingang zum 14:10 (25.) beispielsweise oder der Abpraller, den Rechtsaußen Olsson zum 29:22 (48.) ins Tor setzt.

Eine stabile Deckung und ein starker Torhüter Klemen Ferlin mit 15 Paraden machen der HSG Wetzlar das Leben schwer und schaffen die Voraussetzung für schnelle Gegenstöße. Dabei setzen sich vor allem die Außenspieler Christopher Bissel mit vier und Hampus Olsson mit acht Toren in Szene. Die Gastgeber führen vor mehr als 3700 Zuschauern in Nürnberg zur Pause 16:13 und phasenweise gar mit sieben Toren (24:17, 29:22). Dass ein Vorsprung dieser Größenordnung schnell schwinden kann im Handball, ist bekannt. Zwischenzeitlich schmilzt er auf drei Tore, doch richtig gefährlich werden kann Wetzlar dem HCE an diesem Abend nicht. Zwar lassen Olsson, Zehnder und Christoph Steinert am Ende gleich drei Siebenmeter ungenutzt, aber weil HCE-Torhüter Ferlin zwei Wetzlarer Strafwurfversuche pariert, bleibt der Schaden überschaubar.

Wo also wird sich der HC Erlangen in dieser Bundesliga-Spielzeit einfinden? Rückschlüsse vom Auftakt auf eine ganze Saison verbieten sich, zu viel kann passieren an 34 Spieltagen. "Eine bessere Saison als die letzte" wollen Erlangens Handballer laut Trainer Alonso spielen, womit er auf einen eher durchwachsenen zwölften Tabellenplatz anspielt. In Zahlen aber will er kein Ziel vorgeben: "Die Plätze zwischen fünf und 15 werden von extrem vielen Vereinen beansprucht." Im Pokal lief es besser vorige Saison, da zogen die Erlanger ins Final-Four-Turnier ein, "keine Selbstverständlichkeit", findet Alonso. Vielleicht reichen ja erst einmal die positiven Erkenntnisse vom Auftakt - und ein Blick auf die noch sehr unvollständige Tabelle: Da ist der HC Erlangen gerade Erster.

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