Süddeutsche Zeitung

Handball:Brucker Besonderheit

In Stefan Hanemann hat der TuS Fürstenfeldbruck einen gestandenen Erstliga-Torhüter verpflichtet.

Von Ralf Tögel

Es ist ja das Alleinstellungsmerkmal des Aufsteigers TuS Fürstenfeldbruck, dass sich der Kader, der den Klassenverbleib in der zweiten Handball-Bundesliga schaffen soll, ausschließlich aus Amateuren zusammensetzt. Polizist, Leittechniker, Lehrer oder Zahnarzt - die Mannschaft des TuS gibt ein buntes Bild an Erstberufen ab. Schüler und Studenten komplettieren das Team in einer Liga, die spätestens seit der Eingleisigkeit im Jahr 2011 als Profiliga fungiert. Nicht wenige Fachleute zählen sie zu den sechs, sieben stärksten in Europa. Nun aber schien der Brucker Besonderheit eine Ausnahme hinzugefügt worden zu sein, denn in Stefan Hanemann hat jetzt ein gestandener Erstliga-Torhüter beim Aufsteiger für ein Jahr unterschrieben.

Bei genauer Betrachtung aber ist auch der 24-Jährige nicht als Profi einzuordnen: Hanemann ist Lehramtsstudent. Und genau dieses familiäre Ambiente, weitab von der üblichen Professionalität habe den Ausschlag für seinen Wechsel gegeben: "Das ist ein Verein, ähnlich wie meine bisherigen Stationen", sagt der Zugang.

Hanemann kommt vom Erstligisten Eulen Ludwigshafen, wo er zwar die ersten sieben Partien der abgebrochenen Saison auf dem Feld stand, dann aber wegen einer Lungenembolie lange ausfiel. Der Bundesligist reagierte mit der Verpflichtung von Gorazd Skof vom österreichischen Erstligisten Ferlach. Der ehemalige slowenische Nationalkeeper, der vor seiner Zeit in der Alpenrepublik zwei Spielzeiten für Erlangen in der ersten Liga auflief, überzeugte trotz seines reifen Alters von 43 Jahren und verlängerte kürzlich sein Engagement um eine weitere Saison. Hanemann musste weichen - und hat in Fürstenfeldbruck eine neue Heimat gefunden, wo ihn "das Projekt überzeugt" habe.

Dass Trainer Martin Wild den 1,98 Meter großen Athleten als "spektakulären Neuzugang" bezeichnet, ist nicht verwunderlich. Hanemann war als U21-Nationalspieler in Algerien WM-Vierter, in der Bundesligasaison 2018/19 wurde er zum Siebenmeterkiller der Saison gekürt: 24 gehaltene Strafwürfe waren Bestwert der gesamten Handballbeletage. 2015 war er zunächst per Zweitspielrecht von der HSG Wetzlar zur HSG Konstanz gewechselt, stieg mit dem Team vom Bodensee in die zweite Bundesliga auf und spielte sich in die Junioren-Nationalmannschaft. Doch immer wieder wurde sein sportlicher Werdegang von schweren Verletzungen gebremst, in Konstanz setzte ihn eine Patellaluxation monatelang außer Gefecht, weshalb Wetzlar ohne ihn plante und Hanemann in Konstanz blieb. Er kämpfte sich nicht nur zurück in die deutsche Auswahl, sondern empfahl sich mit seien Leistungen für die Eulen. Mit der Lungenembolie folgte der nächste Rückschlag, weshalb nach der langen Pause und wegen der doch überraschende Zusage von Skof der Vertrag in Ludwigshafen nicht verlängert wurde. So stand der Torhüter plötzlich ohne Vertrag da, was sich bald als großes Glück des TuS herausstellte.

"Das hat uns natürlich in die Karten gespielt", sagt Trainer Wild. Das Gros der Zweitligakonkurrenz sei mit der Kaderplanung durch gewesen, angesichts der Corona-Krise würde das Geld auch "nicht mehr überall so locker sitzen". So ließ sich Stefan Hanemann vom Brucker Projekt überzeugen, zusammen mit Michael Luderschmid weiß Wild nun ein "absolut vorzeigbares Torhüter-Duo" im Team. "Das unterstreicht die Ernsthaftigkeit unseres Vorhabens, nicht nur ein Jahr in der zweiten Liga zu bleiben."

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SZ vom 06.08.2020
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