Handball:Abschied vom Häuptling der Gallier

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Matthias Obinger. (Foto: Frank Scheuring/imago)

Zum Saisonende lässt Zweitligist Rimpar Wölfe den Vertrag mit Trainer Matthias Obinger nach vier Jahren auslaufen.

Von Sebastian Leisgang

Im Grunde ist es doch eine gute Nachricht für die Rimpar Wölfe, dass sie in dieser Saison Spiel für Spiel gegen den Abstieg ankämpfen müssen. Es macht zwar nicht allzu viel Spaß, vor einer jeden Partie diesen Druck zu spüren und sich nach einer jeden Partie diesen immergleichen kritischen Fragen stellen zu müssen. Man stelle sich aber nur mal vor, die Mannschaft mische in der zweiten Handball-Bundesliga in anderen Sphären mit: Wie ließe sich da bloß diese Nachricht verkaufen, die Rimpar am späten Dienstagabend mit ein paar nüchternen Zeilen in Umlauf gebracht hat?

Matthias Obinger ist nach dieser Saison nicht mehr Trainer der Wölfe. Geschäftsführer Roland Sauer vertritt die Meinung, es brauche eine neue Ansprache, einen neuen Impuls. Deshalb hat er Obinger am Sonntag mitgeteilt, dass er den auslaufenden Vertrag nach vier Jahren nicht verlängern werde. "So sind halt die Mechanismen des Sports", sagt Obinger, "ich finde es schade. Ich hätte gerne weitergemacht."

Hat er aber nicht Anfang Juni selbst noch Grundsatzfragen aufgeworfen? Hat er nicht die Metapher einer gemolkenen Kuh bemüht und Geschäftsführer Roland Sauer dazu angehalten, eine zweite Kuh zu beschaffen? Hat er nicht ein paar Sätze gesagt, die doch sehr danach geklungen haben, als sehe er seine Aufgabe in Rimpar schon bald als erfüllt an? "Ja", sagt Obinger, "aber man weiß ja nicht, was der Verein vielleicht noch im Köcher hat."

Im Grunde ist es aber so: Bislang hat man angenommen, dass sich die Wölfe glücklich schätzen können, diesen versierten, in der Branche hoch angesehenen Coach in ihrem Haus zu wissen. Schließlich hat Obinger die Trainerstelle in Rimpar vor etwas mehr als drei Jahren angetreten und dem Klub überhaupt erst zu einem Namen verholfen. Mehr noch: Er hat ihn vor gut eineinhalb Jahren an die Schwelle zur Bundesliga geführt und ihn über Pflichtspiele gegen die SG Flensburg-Handewitt sinnieren lassen, obwohl er eigentlich - legt man die Finanzkraft zugrunde - eher an der Schwelle zur dritten Liga stehen und sich auf Duelle mit dem SV Salamander Kornwestheim einstellen müsste.

Und am Saisonende setzt Rimpar seinen besten Mann vor die Tür. Das ist die erstaunliche Facette dieser Trennungsgeschichte: dass Sauer, nicht Obinger, der Akteur der Scheidung ist.

Das in ein paar Monaten bevorstehende Ende der Ära lenkt den Blick nun auch auf den Kader, der bereits vor dieser Saison in Stefan Schmitt und Sebastian Kraus zwei Führungskräfte eingebüßt hat - und im Zuge von Obingers Abschied womöglich einen zweiten bedeutsamen Einschnitt über sich ergehen lassen muss. Nach dieser Spielzeit enden ja die Verträge einiger Leistungsträger, die Obinger nach all den gewonnenen Schlachten auch emotional nahe sind. Es eint schließlich, als Gallier schier übermächtigen Gegnern auf der Nase herumzutanzen.

Torwart Max Brustmann, die Rückraumspieler Steffen Kaufmann und Patrick Schmidt sowie Kreisläufer Patrick Gempp: Auf dieser Achse und Benjamin Herth fußt Rimpars Spiel - und diese Achse könnte nun zum Saisonende entzweibrechen und dem Klub ebenso abhanden kommen wie Fin Backs. Der Linksaußen ist vor dieser Saison ja auch deshalb auf Obingers Initiative hin leihweise aus Melsungen nach Rimpar gekommen: weil er gespürt hat, dass er sich unter diesem versierten Trainer bestens entwickeln kann. Und in ein paar Monaten ist dieser versierte Trainer nicht mehr da.

Mit der Trennung haben sich die Wölfe sehenden Auges auf einen Markt begeben, auf dem sie nicht gerade eine exquisite Position einnehmen. Sie können weder mit üppigen, monetären Anreizen locken noch mit einer allzu verheißungsvollen, sportlichen Perspektive. Im Gegenteil: Rimpar scheint seinen Zenit bereits in der Saison 2016/17 erreicht zu haben. Platz vier - das ist das Höchste der Vorstellungskraft.

Das zeigt auch die bisherige Saison, in der sich die Wölfe nicht mehr in erster Linie als Gallier begreifen, die sich gegen die Vorherrschaft der anderen erfolgreich zur Wehr setzen - sondern als Außenseiter, der gucken muss, wo er bleibt. Nach sieben Spielen steht Rimpar mit 6:8 Punkten da und findet sich im letzten Tabellendrittel wieder. "Es war schon vor der Saison klar", sagt Obinger, "dass wir um jeden Punkt kämpfen müssen." Er findet aber auch: "Man muss die bisherigen Ergebnisse realistisch einschätzen." Schließlich habe seine Mannschaft schon gegen vier jener fünf Teams gespielt, die die Tabelle anführen.

Am Sonntag (15 Uhr) spielt Rimpar gegen den HSV Hamburg, einen Aufsteiger, der bislang 6:10 Punkte vorzuweisen hat. "An einem guten Tag können wir sie schlagen", sagt Obinger. Und: "Da rechnen wir uns etwas aus." Die Angriffslust hat ihn nicht verlassen. Trotz der am Saisonende bevorstehenden Trennung.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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