Verstappen vs Hamilton in der F1:Am Limit und darüber hinaus

Verstappen vs Hamilton in der F1: Max Verstappen vor Lewis Hamilton - dieses Bild gibt es derzeit öfter in der F1.

Max Verstappen vor Lewis Hamilton - dieses Bild gibt es derzeit öfter in der F1.

(Foto: AFP)
  • Das Rennen in Ungarn beweist, dass die Formel 1 weiterhin spannend ist.
  • Das liegt vor allem am neuen Zweikampf zwischen Verstappen und Hamilton.
  • Dem Niederländer gehört die Zukunft, doch dieses Jahr dürfte noch der Brite die WM gewinnen.

Von Elmar Brümmer, Budapest

Vor der Schlüsselszene, 20 Runden vor Ende des Rennens, fragte Lewis Hamilton lieber noch mal nach beim Kommandostand: Meinten sie das wirklich ernst? 20 Runden, 20 Sekunden? Denn im Schnitt eine Sekunde pro Runde müsste Hamilton nach der von Mercedes berechneten Harakiri-Taktik nun gutmachen, um den Großen Preis von Ungarn noch zu gewinnen. Doch, ja, sie meinten es ernst.

Hamilton bekam frische Reifen und verlor beim Wechsel zunächst etwas Zeit. Anders als der Führende Max Verstappen, der seine alten Pneus behalten musste und bald die Gefahr ahnte, weshalb er sich wiederum bei seinem Kommandostand beschwerte, warum man ihn nicht auch reingeholt habe. Jetzt müsse er das ausbaden.

Am Ende schaffte Hamilton das Überholmanöver zum achten Saisonsieg sogar früher als von den Strategen berechnet. Er entschuldigte sich bei Cheftaktiker James Vowles, der sieben Runden lang mit Teamchef Toto Wolff und den Daten-Analysten zuhause in der Rennfabrik beraten und sich schließlich für den zusätzlichen Reifenwechsel entschieden hatte. Ausschlaggebend war der Mut der Verzweiflung in Kombination mit den außergewöhnlichen Fähigkeiten Hamiltons.

Der Titelverteidiger fuhr darauf präzise am Limit und ein paar Mal darüber hinaus, genauso wie Gegenspieler Max Verstappen, der aber mit immer schlechteren Reifen zu kämpfen hatte. Es war nicht einfach nur ein Zweikampf der derzeit Branchenbesten, der den üblichen Langweiler-Grand-Prix in Ungarn vor der Sommerpause der Formel 1 aufgepeppt hat - es war ein Duell der Generationen. Eine Probe aufs Exempel für die nahe Zukunft der Königsklasse.

Die beiden Kontrahenten trennen nun vor den letzten neun Saisonrennen nicht einfach nur jene 69 WM-Punkte, die ein komfortables Polster für Hamilton auf dem Weg zum sechsten Titelgewinn sind. Es sind auch 13 Jahre, die zwischen dem Briten, 34, und dem Niederländer, 21, liegen, und Hamilton dürfte sich schon öfter in dem Gegenspieler aus dem Red-Bull-Cockpit wiedererkannt haben: Das schnelle Tempo der Karriere, die Rüpeleien gegen das Establishment, der Trotz und schließlich die Kehrtwende zu Besonnenheit und Erfolg.

Was in der Saison 2007/08 galt, gilt 2019/20 wieder. Hamiltons früherer Gegner Fernando Alonso schickte per Twitter fünf Klatschehändchen an beide: "Dankeschön für die gute Show über 70 Runden." Aber auch der Spanier hat erkannt, was die Zuspitzung in diesem Sommer auf Sicht bedeutet. Hamilton und Verstappen haben in den letzten vier Ausnahme-Rennen jeweils zweimal gewonnen und jeder einmal die Pole-Position geholt, Verstappen hat in dieser Zeitspanne ein Punkteverhältnis von 81:63 im direkten Duell erreicht, obwohl die Autos unterschiedlich stark sind. Noch.

Denn Red Bull Racing holt nach dem verschlafenen Saisonstart auf, setzt Mercedes unter Druck und den eigenen Motorenpartner Honda auch - die Japaner versprechen für den Herbst 25 PS mehr, der Spritlieferant dazu ein Wunderbenzin.

Vorerst ruhen die Hoffnungen aber ganz auf Verstappen, der am Ende des hitzigen Nachmittags nicht nur auf den zweiten Platz, sondern auch im Mittelpunkt des aktuellen Formel-1-Themas gelandet war - dem Altersunterschied der Besten und dem bevorstehenden Generationswechsel. In der Pressekonferenz ging es hin und her, aber in der allgemeinen Frotzelei war auch ein gewisser Ernst durchzuhören.

Verstappen hat noch viele Jahre vor sich

Zunächst fragte ein Journalist, wie sich Verstappen denn auf einem Podium fühle, auf dem er neun Weltmeistertiteln (Lewis Hamilton fünf, der Drittplatzierte Sebastian Vettel vier) so ganz nah komme. Verstappen stotterte zunächst etwas, dann sagte er: "Ich habe noch ein paar Jährchen vor mir, sodass ich hoffentlich eines Tages einen Titel hinzufügen kann." Sofort hakte Hamilton unschuldig nach: Wie alt denn genau? Worauf Verstappen brav "21" entgegnete und überaus genüsslich hinzufügte: "Viele Jahre noch, eine ganze Menge an Jahren", und schließlich die nächste Zahl an Hamilton richtete, nur mit einem Fragezeichen: "34?"

Es blieb den beiden Älteren nichts übrig, als sich in Selbstironie zu flüchten. "Fast 35", antwortete Hamilton, der im Januar Geburtstag hat. Und Vettel, 32, sagte: "Wenn wir von einem Jungen geschlagen werden, der in den 2000ern geboren wurde, dann wissen wir, dass es Zeit wird." So einer ist zwar noch nicht in Sicht, aber fast: Mick Schumacher, der mit seinem ersten Formel-2-Sieg am Wochenende auf dem Hungaroring neue deutsche Erfolgsfantasien weckte, ist Jahrgang 1999, und über seinen Aufstieg sagt er nur: "Ob nächstes Jahr, in zwei Jahren oder in drei - die Zeit wird es zeigen."

Schon jetzt weiß Hamilton, dass er mit Verstappen einen neuen großen Gegner gefunden hat, nachdem Vettel wegen der Unpässlichkeiten seines Ferraris zuletzt kaum dazu taugte. Hamilton muss sich auf Verstappen konzentrieren, auf die jüngere Konkurrenz, anstatt sich von den Sticheleien der Älteren, zum Beispiel des Ex-Kollegen Nico Rosberg, ablenken zu lassen.

Hamilton gegen Verstappen - dieses beim Großen Preis von Ungarn allen davonfahrende Duell - deutete an, welch überlegenes Team bei Mercedes womöglich fast zustande gekommen wäre. Aber bis Ende 2020 wird es beim Gegeneinander in verschiedenen Rennställen bleiben. "Viele haben uns beide ja immer nur verglichen. Deshalb bin ich froh, dass wir mal miteinander kämpfen konnten. Ich hoffe, es gibt noch viele solche Duelle", wünschte sich Hamilton, "ehrlich gesagt gibt es als Rennfahrer kein besseres Gefühl, wenn du ein Rennen gegen einen starken Fahrer in Bestform fährst."

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