Lewis Hamilton:Acht Ringe, drei Uhren und eine riesige Halskette

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Behängt und beringt: Lewis Hamilton vor dem Großen Preis von Miami. (Foto: Ricardo Arduengo/Reuters)

Vor dem Großen Preis in Miami legt Lewis Hamilton so viel Schmuck wie möglich an - offensichtlich aus Protest gegen eine nun schärfer durchgesetzte Regel. Doch das ist eigentlich gerade das kleinste Problem des ehemaligen Weltmeisters.

Von Philipp Schneider, Miami

Zum Auftakt dieses Rennwochenendes in Miami, an dem nun plötzlich alle über Lewis Hamiltons Piercings, Halsketten und Ringe diskutieren, war er Golf spielen. Mit Tom Brady, dem schillernden Footballer. Die Zusammenkunft bot sich selbstverständlich an. Da treffen sich halt die zwei erfolgreichsten Repräsentanten ihrer jeweiligen Sportarten, um gemeinsam ein paar Löcher zu gehen. Und außerdem: Wenn die Formel 1 doch schon mal in den USA weilt, ist es ja naheliegend, dass die Rennfahrer all die anderen berühmten Sportler treffen, die in dem weiten Land wohnen.

Max Verstappen und Sergio Perez warfen ein paar Baseballs bei den Miami Marlins. Pierre Gasly machte in einem Restaurant Bekanntschaft mit dem Basketballer Michael Jordan, mit dem er sich sogar unterhalten durfte ("bei Weitem die beste Erfahrung meines Lebens"), was wiederum seinen 21-jährigen Teamkollegen Yuki Tsunoda einerseits neidisch machte ("Ich hätte gern, er hat mich aber nicht eingeladen"), andererseits bemerkenswert unterwürfig: "Pierre ist schon fünf Jahre länger in der Formel. Er verdient es mehr, Michael Jordan zu treffen. Ich muss erst Resultate liefern."

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Den Footballer Brady und den Rennfahrer Hamilton eint die Erfahrung, die nötigen Resultate für ein Treffen mit Jordan schon geliefert zu haben. Sieben Weltmeisterschaften hat Hamilton gewonnen, sieben Super-Bowl-Trophäen hat Brady gestemmt. "Ich will noch einen achten Titel holen", sagte der 44-jährige Amerikaner am Rande der Golfrunde, und der sieben Jahre jüngere Hamilton erwiderte: "Das will ich auch." Hach... immer herrlich, so viel Gemeinsamkeiten zu sehen. Und auch spannend. Lenken sie doch den Blick auf die Unterschiede.

Brady hatte im Februar nach einer sicherlich sehr ärgerlichen Niederlage gegen die L.A. Rams sein Karriereende verkündet, um wenige Wochen später zu vermelden, er spiele doch noch weiter. Hamilton wiederum hatte nach der garantiert noch sehr viel ärgerlicheren Erfahrung beim vergangenen Saisonfinale, als ihn der Rennleiter Michael Masi mit seiner anarchisch-kuriosen Safety-Car-Steuerung in der letzten Runde einer langen Saison um den Titel gebracht hatte, beschlossen, weiterzufahren, ohne zuvor seinen Rücktritt ganz real anzutäuschen.

Gut gelaunte Größen: Lewis Hamilton und Tom Brady. (Foto: Hasan Bratic/dpa)

Und damit zum letzten Unterschied: Brady hat bislang wohl noch keinen derartigen Spruch von der Konkurrenz zu hören bekommen wie kürzlich Hamilton: "Vielleicht hätte er vergangenes Jahr aufhören sollen", kommentierte Helmut Marko hämisch, der sportliche Berater von Team Red Bull, nachdem sein Schützling Max Verstappen im vergangenen Rennen in Imola Hamilton überrundet hatte. Es läuft gerade nicht sonderlich. Auf der Strecke für Hamilton, neben der Strecke für Marko. Und als der Rennfahrer am Freitag in Miami um einen Kommentar gebeten wurde zur verbalen Attacke aus dem Team Red Bull, da antwortete er seinerseits spitz: "Ich höre nicht auf solche dummen Kommentare."

Es gibt an diesem Rennwochenende in Florida noch eine andere Einlassung, die Hamilton bis Freitagnachmittag nicht zu hören schien. Sie ist Teil einer Debatte, die ihn nun in Zeiten diverser sonstiger Schwierigkeiten heimsucht: Da ist ja zunächst einmal sein Rennwagen, der nach der umfassenden Regelnovelle in dieser Saison "unfahrbar" und "eines Weltmeisters nicht würdig" ist, und der wegen aerodynamischer Probleme so sehr auf und ab hoppelt, dass "die Fahrer einen Osteopathen brauchen, um alles wieder richtig zu ordnen", wie sein Teamchef Toto Wolff zugab. Da ist, zweitens, sein 13 Jahre jüngerer Teamkollege George Russell, der in Imola neun Plätze vor ihm durchs Ziel rollte und der in Miami im zweiten Training in einem stark verbesserten Silberpfeil die beste Zeit vorlegte. Und nun also droht ihm, drittens, auch noch juristisches Ungemach von Seiten der Rennaufsicht, das manch einer für kleinkariert halten mag: Niels Wittich, seit dieser Saison Nachfolger von Michael Masi, drängt darauf, dass zwei uralte Regeln der Formel 1 endlich von allen Fahrern geachtet werden: Kein Schmuck im Cockpit! Und auch keine andere Unterwäsche als feuerfeste!

Hamilton trägt drei Uhren, verteilt an zwei Armen, dazu eine Kette, Armbänder und acht Ringe und sagt: "Mehr Schmuck hätte ich heute nicht anziehen können!"

Seit 2005 befindet sich zu beiden Verboten ein Eintrag im Reglement. Nur hatte der bislang niemanden interessiert. Solange, bis Wittich zunächst vor dem Australien-Grand-Prix wie Kai aus Kiste auf die bestehende Regel hinwies und nun in Miami verkünden ließ, eine Übergangsfrist sei abgelaufen, ab sofort sei Gehorsam zu leisten, alle Teams müssten bestätigen, dass ihre Fahrer die Regeln einhalten: "Das Tragen von Schmuck in Form von Piercings oder Halsketten aus Metall ist während des Wettbewerbs verboten", hieß es in Wittichs Mitteilung.

Als Hamilton der Zuspitzung seiner Situation gewahr wurde, packte er offenbar sämtlichen Schmuck, der mit ihm nach Florida geflogen war, begab sich in die Pressekonferenz, und dort saß er nun und blinkte und glitzerte wie einst die Queen, als sie am Ende ihrer Krönungszeremonie aus Westminster Abbey auszog: Eine gigantische Halskette, acht Ringe an den Fingern, diverse Piercings, dazu Armbänder und, Achtung, insgesamt drei (!) Uhren, verteilt auf beide Arme. Eine Botschaft an Wittich? Ach was, sagte Hamilton. Die drei Uhren seien notwendig für das Management der Anrufe, die ihn in Miami aus unterschiedlichen Zeitzonen erreichen würden. Aber es sei tatsächlich so, gab er zu: "Mehr Schmuck hätte ich heute nicht anziehen können!" Riesenlacher, klar.

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Und dann ging er ins Detail, manch einem mehr, als ihm lieb war. Es gehe ihm um seine Persönlichkeit, darum, zu zeigen, wer er ist. Und es sei auch so: "Mindestens zwei" Schmuckstücke könne er gar nicht mehr abnehmen, erklärte Hamilton: "Und bei einem kann ich nicht sagen, wo es sich befindet." Ein Sicherheitsproblem sei der Schmuck sowieso nicht. Selbst im Fall einer Kernspintomographie (MRT) drohe ihm keinerlei Ungemach, sei der Schmuck doch aus Platin, und "das ist nicht magnetisch".

Es gebe "wichtigere Dinge", auf die sich die Formel 1 konzentrieren solle, sagt Hamilton. "Das ist sehr, sehr dumm."

Wittich, ein Bauingenieur aus Erlensee bei Frankfurt, hatte gar nicht nur mit Störungen beim MRT argumentiert, sondern auch damit, dass das Tragen von Schmuck während des Wettkampfs "sowohl medizinische Eingriffe als auch die Diagnose und Behandlung erschweren" könne, "sollte dies nach einem Unfall erforderlich sein". Sollte der Wagen beispielsweise Feuer fangen, könnte sich der Schmuck erhitzen oder gar schmelzen. Oder irgendwo verhaken und die Rettung des Fahrers erschweren. "Unnötig" sei die ganze Debatte, findet dagegen Hamilton. Es gebe "wichtigere Dinge", auf die sich die Formel 1 konzentrieren solle. "Das ist sehr, sehr dumm." Er werde zu dem Thema das Gespräch mit Mohammed Ahmed bin Sulayem, Präsident des Weltverbandes Fia, suchen: "Ich habe ihm eine Nachricht geschickt." Und sollte er juristisch unterliegen und sanktioniert werden, so sei das kein Problem. "In dieser Stadt gibt es sowieso viel zu tun", sagte Hamilton: "Wir haben einen Ersatzfahrer."

Einige Kollegen im Fahrerlager solidarisierten sich sogleich mit Hamilton. "Es ist gut, dass die Fia auf unsere Sicherheit achtet, aber Lewis hat das jetzt schon so lange an sich, da wäre es gut, Kompromisse zu finden", sagte etwa Red-Bull-Fahrer Sergio Perez. Eine kuriose Protestaktion, die sozusagen die Kunstinstallation streifte, wagte Sebastian Vettel: Er zog sich beim Training eine graue Boxershorts über den grünen Renn-Overall, womit er demonstrativ gegen die Auflage verstieß, ausschließlich feuerfeste Unterwäsche zu tragen, und sagte: "Es ist unnötig, dieses Thema aufzublasen. Das fühlt sich nach einer persönlichen Sache an, die auf Lewis abzielt."

In derselben Übungseinheit lenkte Hamilton ein und entfernte sämtliche Piercings, die er entfernen konnte. Für jenes in der Nase erhielt er für dieses Wochenende und das folgende Rennen in Barcelona eine Sondergenehmigung. "Ich werde für die Zukunft auch eine Ausnahme bekommen", kündigte er bereits kämpferisch an. "Eheringe sind ja auch erlaubt." Und garantiert hat er nun eine Erfahrung gemacht, die er nicht teilt mit Quarterback Tom Brady.

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