Formel 1:Warum Hamilton der beste Fahrer der Welt ist

F1 Grand Prix of Mexico

Feiert den Rennsieg, ist aber noch nicht ganz Weltmeister: Lewis Hamilton

(Foto: Getty Images)
  • Das Rennen in Mexiko zeigt im Kleinen, weshalb Mercedes und Lewis Hamilton auch in diesem Jahr ihre WM-Titel in der Formel 1 verdient haben.
  • Die ganze Mannschaft ist auf und neben der Strecke ausgeglichen besetzt

Von Elmar Brümmer, Mexiko-Stadt

Das letzte Stück auf dem Weg zum Podest beim Großen Preis von Mexiko ist das einfachste für Lewis Hamilton, nach einem der härtesten Rennen seiner Karriere. Er muss nichts mehr tun, außer still zu stehen. Obwohl dem alten und fast schon wieder neuen Weltmeister der Formel 1 das vermutlich am schwersten fällt nach so einem Rennen. Der Brite ist nach seinen 71 Runden im Autodromo Hermanos Rodriguez, 47 davon auf einem am Ende runtergefahrenen Satz harter Reifen, verschwunden. Auf dem Podium werden der Dritte Valtteri Bottas und der Zweite Sebastian Vettel gekürt, dann öffnet sich ein Schacht, und Hamilton fährt samt Silberpfeil aus der Unterwelt nach oben, begleitet von Nebelkanonen und berieselt von Konfettiregen. So kürt man Champions, und das war jetzt die Generalprobe.

Es ist der zehnte Saisonsieg für den Briten, es ist der 100. für Mercedes in der Formel-1-Geschichte, es sind jetzt insgesamt mehr als 5000 WM-Punkte für das Silberpfeil-Team. Beeindruckend, aber es kommt noch auf jene vier Pünktchen an, die Hamilton am kommenden Wochenende in Austin braucht, um zum dritten Mal in Serie und zum sechsten Mal insgesamt Weltmeister zu werden. Bottas, der einzige verbliebene Widersacher, hatte mit seinem Qualifikationscrash am Samstag seine ohnehin dünne Chance fast schon verspielt, und liegt jetzt 74 Punkte zurück. Hamilton reicht in Texas der achte Platz.

"Es ist eine Kombination von Talent und Erfahrung"

Dabei hat schon dieser Gran Premio gezeigt, warum der 34-Jährige erneut der beste Fahrer der Welt ist. Zweimal konnte er sich am Start aus haarigen Situationen mit Vettel und dem Trotzkopf Max Verstappen winden, dann musste er gegen seinen Willen früh an die Box und einen Reifenmarathon starten. Ach ja, und nebenbei noch die Führung über zwei Drittel des Rennens verteidigen. Selbst Mercedes-Teamchef Toto Wolff zweifelte an dem Strategiepoker: "Wir wussten nicht, ob es reicht. 47 Runden hörten sich fast unmöglich an. Aber ich habe komplettes Vertrauen in ihn. Es ist eine Kombination von Talent und Erfahrung, die ihn zu einem großen Rennfahrer macht. Anscheinend besitzt er die großartige Fähigkeit, das Auto in kritischen Szenen in die richtige Position zu bringen."

Exakt das, was Ferrari fehlt, um trotz des vielleicht besseren Autos an die Spitze zu kommen. Die Entscheidung, Spitzenreiter Charles Leclerc, der am Ende von der Pole-Position aus nur Vierter wurde, als ersten hereinzuholen und auf eine Zweistoppstrategie zu setzen, zeigt eine fortgesetzte Schwäche in der Scuderia. Teamchef Mattia Binotto musste zugeben: "Als wir entscheiden mussten, hatte es sich richtig angefühlt. Am Ende des Rennens sieht man es aus einer anderen Perspektive." Sebastian Vettel hatte sich den Anweisungen der Box widersetzt, die Strategie selbst in die Hand genommen, sich für eine Einstopptaktik mit einem sicherheitshalber sehr späten Halt an der Box entschieden - und wurde Zweiter: "Wir dachten, dass die harten Reifen bei Lewis nachlassen, was sie nie getan haben. Das hat uns überrascht. Sie waren schneller, sie waren mutiger, aber sie hatten auch Glück."

Ausbalancierte Fahrweise, leidenschaftliche Gefühlsausbrüche

Ähnliches, nur auf persönlicher Ebene, gilt für Max Verstappen, der es in der zweiten Saisonhälfte generell an Konstanz hat fehlen lassen und sich in Mexiko durch dumme Sprüche im überlegenen Auto um die Pole-Position gebracht hat, als er sich selbst lobte, gelbe Warnflaggen ignoriert zu haben: "Ich bin Formel-1-Fahrer, ich weiß, was ich tue." Die Rennkommissare versetzten ihn trotzdem um drei Plätze zurück. Von Position vier aus kam er dann erst Hamilton in die Quere und kollidierte dann auch mit Bottas, von ganz hinten musste der Red-Bull-Pilot im an diesem Wochenende überlegenen Auto neu beginnen - und wurde Sechster. Hamilton und Vettel gaben später zu, dass sie, wenn möglich, dem Trotzkopf mehr Platz lassen als anderen - als Sicherheitsabstand. Hamilton ahnt: "Irgendwann wird er mich torpedieren. Es gibt kluge Fahrer, sehr kluge, und einige verhalten sich dumm."

So ausbalanciert Hamiltons Fahrweise ist, so leidenschaftlich sind seine Gefühlsausbrüche über den Boxenfunk. "Viel zu früh, das ist ein ziemlich langer Weg auf diesen Reifen", grummelte er nach seinem Stopp in der 24. von 71 Runden und erneuerte die Kritik praktisch minütlich, er klang fast hysterisch: "Wir bekommen große Schwierigkeiten." Vierter werden, mehr sei nicht drin, das hatte er gedacht. Dann schaltete sich James Vowles ein, der Chefstratege von Mercedes: "Ja, Lewis, es wird schwierig, aber nur so kannst du gewinnen." Und: "Du schaffst es!"

Der Renningenieur fehlt ihm

Die Erwähnung von Siegen, das zieht immer bei ihm. 83 hat Hamilton jetzt, nur noch Michael Schumacher liegt mit 91 in der ewigen Bestenliste vor ihm. Später gestand er: "Dieses Rennen war eine emotionale Achterbahn, als ich nach Mexiko angereist bin, hätte ich nicht gedacht, hier gewinnen zu können." Das Fehlen seines Renningenieurs Peter Bonnington, der sich in England einer Operation unterziehen muss, hatte ihn mehr aus der Bahn geworfen, als er zugeben wollte: "Er fehlt das erste Mal in sieben Jahren. Er ist der Mann, der beim Rennen am nächsten an mir dran ist, die wichtigste Bezugsperson."

Bonnington tat, was er konnte, schickte per SMS Tipps zur Fahrzeugabstimmung - er weiß, wie sensibel sein Schützling ist. Man weiß daher nicht, wer nach der Zieldurchfahrt mehr erleichtert war, der Sieger oder der nachgerückte Techniker Marcus Dudley an der Boxenmauer, dessen "Yes" ungefähr zwölf "s" hatte: "Was für ein Rennen, was für ein Job!" Hamilton dankte allen, aber besonders einem: "Dieser Sieg ist für Bono!" Der Ersatzmann aber ist der Grund, warum Mercedes schon zum sechsten Mal Konstrukteursweltmeister ist: weil die Mannschaft auf und neben der Strecke ausgeglichen stark besetzt ist.

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