Hamburger SV:Zusammen mit dem weißen Ritter

Bei seiner Vorstellung als Vorstandschef bemüht sich Heribert Bruchhagen um Harmonie. Selbst eine Weiterbeschäftigung seines Vorgängers Dietmar Beiersdorfer als Sportdirektor ist ein Thema.

Von JÖRG MARWEDEL, Hamburg

Waren das wirklich Worte über den Hamburger SV? Da war von "Professionalität" die Rede, von "Harmonie", einem "Willkommensgefühl" und schließlich von "vermeintlichen Turbulenzen", was ja bedeutet: Im Grunde gibt es diese Turbulenzen beim HSV gar nicht. Gesagt hat all diese schönen Worte am Mittwochmorgen der neue Vorstandsvorsitzende des Klubs, Heribert Bruchhagen. Auf diese Weise beschrieb er bei der Vorstellungs-pressekonferenz die Vertragsverhandlungen mit dem Aufsichtsrat seines neuen Arbeitgebers.

Selbst für die Indiskretion - seine Installation sollte erst nach dem letzten Punktspiel des Jahres gegen Schalke am 20. Dezember bekannt gegeben werden - hatte der mit Einstecktuch, aber ohne Krawatte auftretende 68-Jährige eine Erklärung des Wissenden. Bei einem solchen dreiwöchigen Prozess seien außer den Aufsichtsräten so viele Menschen involviert, vom Juristen bis zum ehemaligen Arbeitgeber, dass es schwierig sei, das Thema geheim zu halten. Dabei verschwieg Bruchhagen, dass neben der Plaudertasche Reiner Calmund auch einige Aufsichtsräte in Gesprächen mit Journalisten am Werk waren.

Hamburger SV Unveils New Executive Director Sport Heribert Bruchhagen

Wieder ein Lotse an Bord: Interims-Aufsichtsrats-Chef Jens Meier (links) begrüßt Heribert Bruchhagen zurück beim Hamburger SV.

(Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Bruchhagen, der seit seiner Managerzeit von 1992 bis 1994 HSV-Mitglied ist und dessen Töchter in Hamburg leben, hat dann den Wahl-Hanseaten gegeben, der die Sympathie für Stadt und Klub nicht extra betonen muss. Er komme nicht damit, "dass ich die Raute im Herzen habe und Hamburg die schönste Stadt der Welt ist"; seine Aufgabe sei eher, das mal wieder zersplitterte Rautenmosaik nach der Beurlaubung seines Vorgängers Dietmar Beiersdorfer und dem Rücktritt des Chefaufsehers Karl Gernandt zusammenzukehren. Erste Aufgabe sei "in der prekären Situation des Abstiegskampfes" die Suche nach einem Sportdirektor. Seine Idee, Beiersdorfer in dieser Funktion zu behalten, hat er weder dementiert noch bestätigt. Beiersdorfer habe aber "kein Signal" gegeben, dass er unter diesen Vorzeichen als Herabgestufter weitermachen wolle.

Man habe vereinbart, dass Beiersdorfer nun bis zum 30. Dezember noch seine Aufgaben wahrnimmt, um mögliche Winter-transfers festzuzurren. Er soll bei den Spielen in Mainz und daheim gegen Schalke bei der Mannschaft sein. Bruchhagen selbst wird am Wochenende sein letztes Spiel als TV-Experte bei Sky in Wolfsburg bestreiten, wo der krisengeplagte VfL gegen seinen ehemaligen Klub Eintracht Frankfurt spielt. Erst Anfang des neuen Jahres werde er sich beim Team vorstellen. Ob die Variante Bruchhagen/Beiersdorfer wirklich schon vom Tisch ist? Die Suche nach einem neuen sportlichen Leiter sei vorerst noch eine "Blackbox", sagte der neue HSV-Chef. Vielleicht hofft er darauf, dass Beiersdorfer doch noch Geschmack an der neuen Konstellation findet.

Immerhin verstehen sich die beiden gut, obwohl Bruchhagen als HSV-Manager den Spieler Beiersdorfer 1992 aus finanziellen Gründen an Werder Bremen verkaufen musste. Die Mannschaft, ein Fan-Vertreter ("Mit Didi verliert der HSV sein Herz") und vor allem Trainer Markus Gisdol haben sich für Beiersdorfer starkgemacht. Und da es Bruchhagen wichtig ist, "dass wir die Wünsche von Herrn Gisdol" möglichst erfüllen und der neue Sportchef zu "100 Prozent kompatibel" mit dem Trainer sein soll, wäre diese Lösung wohl die bessere als etwa mit Horst Heldt. Dem wird aus Schalker Zeiten nicht das beste Verhältnis zu Gisdol nachgesagt. Und was ist mit dem Verhältnis des neuen Klubchefs zum Investor Klaus-Michael Kühne? Bruchhagen hatte als Frankfurter Vorstandschef etliche Male den Milliardär kritisiert, weil der mit seinen Millionen für den fast bankrotten Klub den Kampf um die Plätze für die TV-Gelder quasi manipuliert habe. Das habe er als Interessenvertreter der Eintracht gesagt, beschwichtigte Bruchhagen jetzt, wobei er zweimal versehentlich HSV statt Eintracht sagte. Er habe aber auch immer wieder betont, dass Kühne "Großartiges für den HSV" tue und ein "Glücksfall" sei. "Ich werde ganz sicher auf Herrn Kühne zugehen und ein gutes Verhältnis zu ihm entwickeln", versicherte Bruchhagen. Der HSV benötigt ja auch Kühnes Moneten, um im Winter das Team um die fehlenden Defensivspieler zu ergänzen. Angeblich hat Kühne für das Winter-transfergeschäft noch einmal 20 Millionen Euro zugesagt.

Frankfurts Marketing-Vorstand Axel Hellmann, der dazu beitrug, dass Bruchhagen den Klub im Frühjahr nach 13 Jahren verließ, konnte sich eine Spitze nicht verkneifen. Zur Bild sagte er: "Es verging kein Tag in unserem gemeinsamen Büro-Bereich, wo er nicht auf Kühne und das HSV-Modell losgegangen ist. Aber jetzt kann er mit einem weißen Ritter zusammenarbeiten." Dass Bruchhagen nach einem halben Jahr Auszeit zurück im Geschäft ist mit dem Satz: "Es gibt nichts Schöneres als Bundesliga-Fußball", habe aber nichts mit der Meinung seines Freundes Willi Lemke zu tun, der ihn als "süchtig" nach der Bundesliga bezeichnet hatte. Bruchhagen drückt es lieber so aus: "Ich war schon ein bisschen unruhig in meinem Heimatort."

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