Hamburger SV:Wichtige Erkenntnisse für den Revoluzzer

Hamburger SV v SG Dynamo Dresden - Second Bundesliga

"Wir haben uns nicht belohnt“: HSV-Stürmer Robert Glatzel vergibt eine von vielen Chancen seiner Mannschaft gegen Dresden.

(Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Der HSV kommt beim ersten Heimspiel unter dem neuen Trainer Tim Walter vor 17 100 Zuschauern nicht über ein 1:1 gegen Dynamo Dresden hinaus.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Rund um Fußballwochenenden in Hamburg werden üblicherweise einige Fragen beantwortet, die für eine breite Öffentlichkeit von großer Bedeutung sind: Wie geht es Uwe Seeler? Und, fast genauso wichtig: Wie steht es seiner Ansicht nach gerade um den HSV?

Die beste Nachricht zuerst: "Uns Uwe" geht es wieder bestens, nachdem er vor über einem Jahr in seinem Haus in Norderstedt gestürzt war und sich nach einer Notoperation an der Hüfte auch noch einer langwierigen Reha unterziehen musste. Der genesene Ehrenbürger der Hansestadt Hamburg hatte deshalb auch sein Erscheinen im Volkspark angekündigt, wo sein geliebter HSV am Sonntagmittag Dynamo Dresden zum ersten Heimspiel der neuen Zweitliga-Saison empfing - erstmals wieder vor einer Kulisse von 17 100 Zuschauern, was Seeler deutlich mehr gefreut haben dürfte als das Ergebnis: trotz teils drückender Überlegenheit kamen die Hamburger gegen den Aufsteiger am Ende nicht über ein 1:1-Unentschieden hinaus.

Vor dem Anpfiff wurde aber erst mal ein anderer ehemaliger HSV-Spieler geehrt, der, trotz seiner unbestreitbaren Verdienste, für einige Anhänger auch symbolisch für die bislang dunkelste Episode in der Geschichte des Traditionsklubs steht: Mittelfeldmann Aaron Hunt, der mit dem Traditionsklub vor drei Jahren zwangsversetzt worden war und später als Kapitän an der mehrfach gescheiterten Mission Wiederaufstieg mitwirkte. Kräftigen Applaus gab es natürlich trotzdem.

HSV-Coach Tim Walter hat einen komplett neuen Fußball implementiert

Dass Hunt und der Klub fortan getrennte Wege gehen, war auch die Entscheidung des neuen HSV-Trainers Tim Walter, der gleich zu Beginn radikale Änderungen im Gefüge und im Spielsystem angestoßen hat. Bereits in der Vorwoche, beim 3:1-Sieg auf Schalke, deuteten die Hamburger Spieler an, dass sie seine komplizierte Lehre bereits in ordentlichem Maße verinnerlicht haben - und im Spiel gegen Dresden war, wenn man so wollte, die nächste Eskalationsstufe des Walter-Fußballs zu sehen: Der Coach schickte die selbe Startelf wie gegen Königsblau aufs Feld, die HSV-Spieler aber vollzogen noch häufiger diese irren Rochaden, bei denen zum Beispiel der Außenverteidiger Tim Leibold auf einmal mit einem defensiven Mittelfeldspieler die Stellung wechselt oder der Innenverteidiger und neue Kapitän Sebastian Schonlau auf die linke Angriffsseite vorrückt.

Dieses Konzept ist nicht frei von Risiko, weil der permanente Vorwärtsdrang hinten Lücken reißt - es kann einen Gegner aber auch in den Wahnsinn treiben, und vermutlich hätten sich die Dresdner in manchen Phasen auch gerne selbst eingewiesen. Ein Angriff nach dem anderen rollte in der ersten Hälfte auf die Gäste-Elf zu, den frühen Führungstreffer erzielte der HSV aber auf recht konventionelle Weise: Angreifer Manuel Wintzheimer setzte sich in der vierten Minute auf dem linken Flügel durch und passte in den Rückraum der Dynamo-Abwehr, von wo Mittelfeldmann Ludovit Reis mit seinem starken linken Fuß zum 1:0 traf.

Die Führung war zu wenig, wenn es nach Walter ging: "Wir haben uns in der ersten Halbzeit nicht belohnt", sagte er bei Sky. "Da muss man effizienter sein. Wir haben die Konter nicht sauber ausgespielt." Und der Chancenwucher erwies sich als folgenreich, weil Dynamo den Sturmläufen nach dem Wiederanpfiff all seine Robustheit und ein höheres Pressing entgegensetzte - und nach einem Eckball durch einen Kopfball von Verteidiger Tim Knipping zum Ausgleich kam (68.).

HSV-Coach Walter, der Revoluzzer, dürfte an diesem Sonntag also wichtige Erkenntnisse aus dem Volkspark mitgenommen haben: Ein Spiel, bei dem zunächst alles nach einem Sieg aussieht, muss deswegen am Ende noch lange nicht gewonnen werden. Und, mindestens genauso wichtig: am Größten ist die Enttäuschung dann bei Uwe Seeler.

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