Hamburger SV:Über die zweite Mauer

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Gut gebückt ist halb getroffen: HSV-Zugang Sonny Kittel (ganz li.) schlenzt einen Freistoß über die sich duckenden Kollegen ins Tor.

(Foto: imago images / ActionPictures)

Die Hanseaten siegen überzeugend beim 1. FC Nürnberg und glänzen beim 4:0-Erfolg mit einer Freistoß-List durch Zugang Sonny Kittel.

Von Thomas Gröbner, Nürnberg

Dass sich im streng reglementierten Fußball immer wieder neue Räume für überraschende Streiche auftun, das führte Sonny Kittel am Montagabend beim Duell der beiden Zweitliga-Schwergewichte Nürnberg und Hamburg vor. Die Regelhüter hatten ja beschlossen, dem Geschubse und Gedränge in der Freistoßmauer ein Ende zu setzen, und erklärten sie daher zur Verbotszone für alle Angreifer. Also postierte der HSV drei Spieler ein paar Meter vor der Mauer - und die verdeckten dem Club-Torwart Mathenia die Sicht. Als dann Kittel den Ball aufs Tor trat, bückten sich die Hamburger - und der Ball schlug neben dem erstaunten Keeper im sogenannten Torwart-Eck ein. Dieses frühe 2:0 (30.) versetzte Nürnberg einen Schlag, von dem sich die Gastgeber nicht mehr erholten. Nach der HSV-Führung durch Dudziak (12.) und Kittels listigem Freistoß legte Khaled Narey (72.) nach, bevor Tim Handwerker ein Eigentor fabrizierte (81.). 4:0 gewann damit der Aufstiegsfavorit HSV beim Erstliga-Absteiger Nürnberg, der sich vor dem Spiel auf Augenhöhe wähnte.

Die Lorbeeren für die Freistoßlist wollte HSV-Trainer Dieter Hecking nicht annehmen - Standardsituationen auszutüfteln falle nicht in seinen Aufgabenbereich. Das vorentscheidende 2:0 hatte zwei andere Urheber: zum einen den Tüftler Dirk Bremser, der schon seit 18 Jahren und mehr als 680 Spielen als Co-Trainer an der Seite von Hecking ist. Zum anderen Sonny Kittel, einen von sieben Zugängen in der Startelf, der sich nun beim HSV um die "ruhenden Bälle" kümmern soll, und von dem sie sich in Hamburg auch sonst viel versprechen.

Den Grundstein für seine Schusskunst hatte Kittel in seiner Jugend gelegt. Seine Mutter hatte er oft warten lassen, als sie ihn vom Training abholte, weil der Sohn noch Freistöße einüben wollte, so erzählte es einmal der Jugendtrainer Alexander Schur, der Kittel in Frankfurts U 17 förderte. Bei der Eintracht galt Kittel schnell als begnadeter Fußballer, beidfüßig, mit guter Technik, ein großes Versprechen. "Kategorie Özil und Marin", so ordnete ihn Frankfurts Nachwuchsleiter Armin Kraaz 2011 einmal ein. Vor seinem Debüt als Profi musste Kittel aber erst einmal eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im Fanshop machen. Unter Trainer Michael Skibbe debütierte er mit 17 in der Bundesliga, doch einlösen konnte er die Hoffnungen nie richtig - auch weil er früh schwere Verletzungen verarbeiten musste.

Zweimal riss Kittel ein Kreuzband, zweimal erlitt er einen Knorpelschaden. 2016 musste er Frankfurt verlassen, er wechselte nach Ingolstadt, und erst in der zweiten Liga blühte er dort wieder so richtig auf. Doch den Ingolstädter Abstieg konnte auch er nicht verhindern.

Nun soll er die Mission Wiederaufstieg des HSV vorantreiben. Mit 26 trägt er die Hamburger Nummer "10" und ist ein wichtiger Teil des vom Verein geforderten Umbruchs. "Du hast immer eine Idee im Kopf, wenn du einen Spieler bringst", sagte Hecking nach dem Spiel. Bei Kittel seien es dessen Ballsicherheit und die Standards gewesen. Er sei ein Spieler, der viel Zuspruch brauche, aber den Unterschied machen könne, sagte Hecking vor dem Spiel. Er sollte recht bekommen.

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