Süddeutsche Zeitung

0:3 gegen Ingolstadt:Panik in Hamburg - aber Trainer Wolf darf bleiben

  • Der Hamburger SV verliert zu Hause mit 0:3 gegen den FC Ingolstadt.
  • Sportvorstand Ralf Becker hält nach übereinstimmenden Medienberichten trotzdem an Trainer Hannes Wolf fest.
  • Kommendes Wochenende spielt das Team gegen den Aufstiegskonkurrenten SC Paderborn.

Von Johannes Kirchmeier

"Hey", schrien die Fans im Stadion, immer wieder "Hey". Jeden Pass bejubelte das Hamburger Publikum so. Und weil sich die Menschen oben auf der Tribüne so freuten, reihten die Spieler unten auf dem Rasen weitere Zuspiele aneinander, womit ihnen ein toller Konter gelang. An dessen Ende legte Thomas Pledl den Ball im Strafraum quer zu Darío Lezcano, der den Ball aufs Tor schoss, Torwart Julian Pollersbeck konnte ihn gerade noch zur Ecke klären. Was die Zuschauer wiederum nur so mittelmäßig erfreute. Trotzdem schienen wenige Minuten vor dem Ende fast alle der 50 000 Anhänger zufrieden zu sein im Stadion, schließlich lag die angefeuerte Mannschaft ohnehin schon 3:0 vorne.

Doch der Schein trog, wie man an den handelnden Protagonisten erkennen kann: Pollersbeck ist der Torwart des Hamburger SV, Lezcano und Pledl stürmen für den abstiegsbedrohten FC Ingolstadt, der sich 3:0 (1:0) durchsetzte beim großen Aufstiegsfavoriten und sich damit auf den Relegationsplatz 16 schob. Hamburg bleibt nach dem siebten Ligaspiel ohne Sieg dagegen auf dem vierten Platz, der nicht einmal mehr zur Aufstiegsrelegation berechtigt. Glück hatten der HSV noch, dass im Parallelspiel der SV Sandhausen überraschend 3:2 beim 1. FC Heidenheim gewann, der bei einem Sieg bis auf einen Zähler an die Hamburger herangekommen wäre. Nach der Verhöhnung zum Ende des Spiels pfiffen die Fans die Spieler nach dem Schlusspfiff gnadenlos aus. "Ich kann den Unmut der Fans total nachvollziehen, auch in der Gesamtbetrachtung der letzten Wochen", sagte HSV-Trainer Hannes Wolf. "Aber wir haben immer noch alle Möglichkeiten, um aufzusteigen."

Wolf, den der HSV im Oktober als Nachfolger von Christian Titz verpflichtete, um die schnelle Rückkehr in die Bundesliga zu schaffen, erhält jedoch erst einmal keine Rückendeckung. "Wir haben jetzt 0:3 verloren. Bevor ich mich hinstelle, muss ich mir in Ruhe Gedanken machen, müssen wir die Situation besprechen. Am Ende geht es immer nur um das Beste für den Verein", sagte Sportvorstand Ralf Becker. Das klang nicht mehr so, als würde die HSV-Führung vollends daran glauben, mit Wolf aufzusteigen, der den VfB Stuttgart vor zwei Jahren in die Bundesliga führte. Bei einem Gespräch nach dem Spiel haben Vorstandschef Bernd Hoffmann und Sportvorstand Ralf Becker jedoch Wolf das Vertrauen ausgesprochen. Er geht als Trainer in das vielleicht entscheidende Duell beim Tabellenzweiten SC Paderborn am kommenden Wochenende. Eine Niederlage in Paderborn könnte ja schon den unliebsamen Klassenverbleib in Liga zwei bedeuten.

Zudem ist zuletzt viel passiert beim HSV. Nach den sieben sieglosen Partien belegt der HSV gerade einmal Rang 16 in der Rückrundentabelle. Wolf hatte vor einer Woche Lewis Holtby suspendiert, als der sich weigerte, zum Auswärtsspiel nach Berlin mitzureisen. Holtby wird den Klub nach der Spielzeit verlassen. Wenige Tage darauf schrieb die SportBild, dass auch der mit 13 Ligatreffern beste Torschütze Pierre-Michel Lasogga nach der Saison gehen soll. Um sich nun in dieser Gemengelage auf den zuvor schon vier Spiele unbesiegten FC Ingolstadt vorzubereiten, brach Wolf aus der Hansestadt aus - in die niedersächsische Provinz: Im Trainingslager in Rotenburg/Wümme probierte es der 38-Jährige mit Geheimtraining und Teambuilding bei einem Darts-Turnier. Doch sah man seinen Spielern dann am Samstag zu, blieb die Frage, was dabei seine Trainingsinhalte waren.

"Wir haben eine ganz junge Mannschaft. Fakt ist, sie kann mit dieser Drucksituation, die entstanden ist, nicht umgehen", meinte Becker. Besonders das Fehlen des verletzten Aaron Hunt, 32, als erfahrenen Spielmacher machte sich dabei bemerkbar. Der HSV zog sein Spiel ohne Tempo, ohne Ideen und eben auch ohne Führungsfigur auf. Die meiste Zeit stockte es daher gewaltig.

Die Hamburger offenbarten eine fast schon kuriose Abwehrschwäche: Bei allen drei Gegentoren halfen sie den brillant konternden Ingolstädtern, denen das Gastspiel erschreckend einfach vorgekommen sein muss. Es schien so, als schlugen sich erst die Spieler auf die Seite der Oberbayern, bevor es später auch die Fans taten. Früh im Spiel konnte Innenverteidiger Leo Lacroix einen langen Ball des FCI im Mittelfeld nicht klären, Lezcano nutzte dies zur Führung per 20-Meter-Schuss (8. Minute). Vor dem 2:0 missglückte dem Außenverteidiger Josha Vagnoman die Ballannahme kurz hinter dem Strafraum der Ingolstädter. Pledl nahm den Ball auf, sprintete über das gesamte Feld und schoss den Ball an Pollersbeck vorbei ins Tor (68.).

Wenige Minuten danach kombinierten Lacroix und Vagnoman beim Patzen sogar: Erst köpfte Lacroix den Ball Ingolstadts Marcel Gaus vor die Füße, der den Ball volley Richtung Tor schoss, Vagnoman fälschte ihn für Pollersbeck unhaltbar ab. Während die Spieler trotz des Abstiegs aus der Bundesliga vor einem Jahr noch eine Ehrenrunde absolvierten, um sich von ihren jubelnden Fans zu verabschieden, marschierten sie nun tief getroffen in die Kabine, was für noch mehr Unmut auf den Rängen sorgte. Den Zusammenhalt im Aufstiegsrennen in Hamburg fördert dieser bittere Samstagnachmittag sicher nicht.

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