Hamburger SV:Probleme beim Charakterwechsel

VfL Osnabrueck v Hamburger SV - DFB Cup

Ratlos in Osnabrück: die Spieler des HSV.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach dem peinlichen Pokal-Aus beim Drittligisten muss sich der Hamburger SV auf den nächsten Abstiegskampf vorbereiten.
  • Die Mannschaft hat Probleme mit der Mentalität, einige Spieler wollen weg, andere sollen verkauft werden.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Der Stammtisch hat mal wieder die Hoheit übernommen über Hamburg. In Leserbriefen und Internet-Foren kündigen Fans an, das Sky-Abo zu stornieren. In Osnabrück habe man das letzte HSV-Spiel überhaupt gesehen, behaupten einige. Der Traum des HSV, in der Bundesliga kommende Saison zwischen Rang acht und zwölf einzulaufen, wird mit Sarkasmus beantwortet: "Platz acht bis zwölf könnt ihr in der Zweiten Liga erreichen." Und die Morgenpost machte auf Seite eins mit der Zeile auf: "Ich möchte nicht drüber reden!" Zusatz: diesen Satz könnten alle HSV-Anhänger ausschneiden und am Arbeitsplatz aufhängen.

Nach der 1:3-Pleite des HSV beim Drittligisten VfL Osnabrück in der ersten Runde des DFB-Pokals und vor dem ersten Bundesligaspiel am Samstag gegen den ebenfalls schlecht gestarteten FC Augsburg (0:2 beim Drittligisten 1. FC Magdeburg) stellt sich Hamburg schon jetzt auf den nächsten Abstiegskampf ein - den sechsten in sieben Jahren. Am Montag fingen gleich zehn Kamerateams die Statements und die Stimmung rund um das Volksparkstadion ein. So viele kommen sonst nur, wenn mal wieder ein Trainer vor der Ablösung steht oder gerade entlassen wurde.

Augsburgs Stafylidis soll kommen

Markus Gisdol, jener Fußballlehrer, der den HSV im September 2016 auf dem letzten Tabellenplatz übernahm und erneut vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit bewahrte, ist aber noch nicht das Thema - trotz der desaströsen Leistung in Osnabrück. Einerseits, weil er beim HSV-Investor Klaus-Michael Kühne einen Stein im Brett hat, andererseits, weil er schon in Hoffenheim und Hamburg bewiesen hat, wie man eine schlingernde Mannschaft wieder auf Kurs bringen kann. In Hoffenheim installierte er damals die umstrittene "Trainingsgruppe 2", in die alle kamen, auch prominente Spieler, mit denen er nicht mehr arbeiten wollte.

Das Team wuchs ohne die Aussortierten zusammen. Beim HSV sorgte er im Winter für die Auflösung des Vertrages mit Emir Spahic, weil er eine negative Ausstrahlung des rabiaten Verteidigers auf das Team ausgemacht hatte. Auch Kapitän Johan Djourou wurde entmachtet und musste den Klub verlassen.

Und jetzt? Kündigte Gisdol wieder Konsequenzen an: "Wenn ein Spieler nicht zu hundert Prozent bei der Sache ist, dann werde ich ihn nicht aufstellen und auch nicht in den Kader nehmen", sagte er. Zudem fordert er von Sportdirektor Jens Todt schnellere Lösungen - sowohl bei Verkäufen als auch bei weiteren Zugängen. Er wünscht sich etwa den Augsburger Verteidiger Konstantinos Stafylidis. Der Transfer könnte möglich sein, weil der HSV seinen Plan, den Etat von 56 auf 48 Millionen Euro abzuspecken, wieder fallen ließ, wie Klubchef Heribert Bruchhagen am Dienstag bestätigte.

Todt: "Wir verfallen nicht in Panik"

Gleichwohl leidet das Team unter zwei prekären Gruppen. Da sind jene Profis, die den Klub am liebsten noch verlassen wollen. Dazu gehören die beiden brasilianischen Olympiasieger Wallace (ZSKA Moskau hat Interesse) und Douglas Santos (ist angeblich mit PSV Eindhoven einig) sowie Flügelspieler Nicolai Müller. In Wolfsburg könnte Müller deutlich mehr verdienen. In Osnabrück trat er so auf, als könne er seine Freigabe durch fehlende Leistung erzwingen. Der andere Block besteht aus jenen, die der HSV loswerden möchte, weil sie den Etat über Gebühr belasten. Dazu zählen Aaron Hunt und Lewis Holtby ebenso wie Stürmer Pierre-Michael Lasogga, der nicht einmal nach Osnabrück mitreiste. Doch das erwartete Angebot von Leeds United ist immer noch nicht eingegangen.

Das Schlimme ist: Der von Gisdol angeschobene Charakterwechsel, der aus einem eher phlegmatischen HSV-Team eine Elf mit Leidenschaft machen sollte, ist ins Stocken geraten. Wie kann es sonst sein, dass man selbst gegen einen 72 Minuten lang durch eine rote Karte dezimierten Drittligisten so ratlos ist? Gisdols Suche nach sogenannten "Mentalitätsspielern" mit viel Willen ist nur die Hälfte wert, wenn diese über ein so überschaubares technisches Rüstzeug verfügen wie der bisherige Gladbacher André Hahn. Dem Kämpfer fiel kein Trick ein, um die unterklassigen Gegner auszuspielen. Und wenn selbst die von Gisdol geholten Innenverteidiger Kyriakos Papadopulos (Spitzname "Mentalitätsmonster") und Mergim Mavraj plötzlich ihre Form suchen, verliert das Team sofort jene Stabilität, die es sich teilweise angeeignet hatte.

Erstrunden-Niederlagen des HSV im DFB-Pokal

1963/64 SpVgg Fürth - HSV n.V. 2:1, 6.

1967/68 Hertha BSC - HSV n.V. 1:0, 13.

1984/85 SC Geislingen - HSV 2:0, 5.

1985/86 VfL Bochum - HSV 3:2, 7.

1989/90 HSV - MSV Duisburg 2:4, 11.

1995/96 Arminia Bielefeld - HSV 2:1, 5.

2004/05 Paderborn 07 - HSV * 4:2, 8.

2006/07 Stuttgarter Kick. - HSV n.V. 4:3, 7.

2012/13 Karlsruher SC - HSV 4:2, 7.

2015/16 FC Carl Zeiss Jena - HSV n.V. 3:2, 10.

2017/18 VfL Osnabrück - HSV 3:1

Rechts außen die Bundesliga-Platzierung am Ende der jeweiligen Saison.

*: Das Spiel wurde von Schiedsrichter Hoyzer manipuliert.

Was bringt Bobby Wood?

Aber auch an Stürmer Bobby Wood kann man den Widerspruch der Personalpolitik festmachen, zwischen angeblicher neuer Sparsamkeit des verschuldeten Klubs und altem Großmanns-Gehabe. Mit seinem neuen Berater Volker Struth (der ein besonderes Verhältnis zum HSV-Gönner Kühne unterhält) hat der Amerikaner einen Vertrag ausgehandelt, der ihm das Doppelte seines bisherigen Salärs einbringt, angeblich drei Millionen Euro pro Jahr. Der sportliche Erfolg bleibt seitdem aus. Das Elfmetertor in Osnabrück zum 1:3 war das erste seit März. In der Saison-Vorbereitung erzielte er wie in den letzten 809 Bundesliga-Minuten keinen Treffer.

Noch gibt sich Sportdirektor Todt trotz der "indiskutablen Leistung" öffentlich optimistisch. "Wir verfallen nicht in Panik", sagte er am Montag. Derzeit steht er damit wohl ziemlich allein.

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