Hamburger SV: Neuer Sportchef?:Einstimmig pro Sammer

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Der Aufsichtsrat des Hamburger SV will Matthias Sammer als neuen Sportdirektor holen. Offen bleibt die Frage, ob der auch kommen möchte - und ob der DFB ihn überhaupt ziehen lässt.

Jörg Marwedel

Mancher Beobachter hatte sich auf einen längeren Abend im Stadionrestaurant "Die Raute" eingestellt, wo der zum Teil neu gewählte Aufsichtsrat des Hamburger SV zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen war. Das Gremium, in dem neuerdings etliche Oppositionelle ein Mitspracherecht haben, hätte ja auch endlos debattieren können wie einst bei den Grünen oder zuvor bei den Studenten der 68er Generation.

Matthias Sammers Verpflichtung könnte HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann den Job retten - sein Vertrag würde dann wohl verlängert werden. (Foto: dpa)

Es musste ja immerhin ein neuer Aufsichtsratsvorsitzender gewählt werden. Und vor allem war da noch ein Thema, das ursprünglich gar nicht auf der Tagesordnung stand, das aber für die Zukunft des Klubs von immenser Wichtigkeit ist - die Personalie Matthias Sammer.

Doch der Abend wurde erstaunlich kurz. Es hat nicht viel länger gedauert als zweieinhalb Stunden, bis der neue Boss Ernst-Otto Rieckhoff, 59, einst Schatzmeister beim HSV, vor die Pressevertreter trat und sagte: "Wir sind vollkommen von Sammers Konzept überzeugt. Ich glaube, dass wir die Sache in wenigen Tagen dingfest machen können."

Und sein neuer Stellvertreter, der Unternehmer Alexander Otto, der bislang die Vorverhandlungen mit dem DFB-Sportdirektor Sammer geführt hatte, hob hervor: "Wir haben einen einstimmigen Beschluss gefasst. Wir sind von Sammers konzeptionellen Stärke, der sportlichen Vision und seiner Leidenschaft in und für den modernen Fußball überzeugt." Nun müsse Sammer, der beim HSV anstelle des bisherigen Sportchefs Bastian Reinhardt in den Vorstand rücken soll, nur noch die Auflösung seines Vertrages mit dem DFB erwirken.

Damit aber scheint der frühere Meistertrainer (2002 mit Dortmund) noch Probleme zu haben. Am Mittwoch sagte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach sogar, es sei "der erklärte Wunsch des DFB", dass Sammer "uns als Sportdirektor mit seinem Engagement und seiner Kompetenz erhalten bleibt". Auch nach einem Telefonat habe sich nichts geändert: "Es gibt für uns kein Signal, dass der bis 2013 laufende Vertrag aufgelöst werden soll."

Sammer selbst hat sich öffentlich nicht geäußert - er wird aber mit Sicherheit keinen Schnellschuss machen. Vor Freitag, wenn beim DFB eine Präsidiumssitzung ansteht, wird keine Entscheidung erwartet. Sammer wird sich die Zeit nehmen, die er braucht, um abzuwägen, ob er den einen Job gegen den anderen tauschen soll. Es heißt, er habe sich noch nicht entschieden.

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Sein Zögern überrascht insofern, weil aus Hamburg zu hören ist, die Verhandlungen für einen Dreijahresvertrag seien weit fortgeschritten. Zudem hat Sammer beim DFB nicht mehr den Einfluss, den er gern hätte, seitdem ihm Bundestrainer Löw die Befehlsgewalt über die U21 abspenstig machte. Beim HSV dagegen könnte er der starke Mann werden. Vorstandschef Bernd Hoffmann würde ihm zuliebe ein großes Stück Macht abgeben. Dadurch könnte der Boss, dem man oft nachsagte, keinen einflussreichen Mann neben sich zu dulden, seinen Job retten. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts könnten - wenn Matthias Sammer kommt - schon bald die am Jahresende auslaufenden Verträge mit Hoffmann und Vorstandsmitglied Katja Kraus verlängert werden.

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Die neue Eintracht beim HSV ist erstaunlich. Der neue Chef der Kontrolleure Rieckhoff lobte den "konstruktiven Geist", mit dem das Gremium seine Arbeit aufgenommen habe. Bei der einjährigen Suche nach dem Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer, bei der man sich nach der Absage von Urs Siegenthaler verzweifelt für Reinhardt entschieden hatte, waren die Räte so wenig eine Mannschaft wie zuletzt meist auch das Bundesligateam des HSV.

Nun vergaß sogar der frühere Präsident Jürgen Hunke, der zum Vorsitzenden des Finanz-Ausschusses gewählt wurde, trotz des großen Pakets - Sammers Jahresgehalt würde bei deutlich über zwei Millionen Euro liegen - seine Oppositionsrolle. Auch Hunke scheint den Coup für die beste Entscheidung seit dem Manager Günter Netzer zu halten.

Bastian Reinhardt, über dessen Posten seit zwei Wochen debattiert wird, hat zu diesem Teamgeist auf seine Weise beigetragen. Reinhardt habe sich "in den vergangenen Tagen sehr loyal dem HSV gegenüber verhalten", sagte Otto. Man möchte, dass der dann ausgebootete Sportchef weiter "eine wichtige Rolle im sportlichen Bereich spielt". Ob als Sammers Assistent oder mit eigenem Aufgabengebiet, wäre noch zu klären.

Auch beim zweiten großen HSV-Thema der Woche - dem Wunsch von Stürmer Ruud van Nistelrooy, zu seinem früheren Klub Real Madrid zurückzukehren - haben sich die Verantwortlichen als Team gezeigt. Sowohl Hoffmann als auch Reinhardt und Trainer Armin Veh können den Niederländer zwar verstehen, möchten aber die Chance auf einen Europa-League-Platz nicht verspielen, indem man den immer noch gefährlichsten Angreifer abgibt. Ob sie ihr Vorhaben durchhalten - trotz van Nistelrooys Forderung nach Freigabe bis zum 31. Januar - ist die eine Frage.

Die andere Frage ist: Was passiert, wenn Sammer doch absagen würde? Dann wäre nicht nur der Neustart verhindert, sondern der Ruf des HSV noch mehr beschädigt. Schon die vergangenen Fahndungen nach einem Sportchef haben dem Klub manch selbst verschuldete Posse beschert. Oliver Kreuzer, der per SMS absagte und DFB-Chefscout Urs Siegenthaler, der erst zu- und nach Monaten wieder absagte, waren bislang die schlimmsten Fälle.

© SZ vom 20.01.11 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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