Hamburger SV:Neuer alter Präsident

Mitgliederversammlung Hamburger SV

Zwei Männer, ein Ziel: Präsident Marcell Jansen (rechts) und Jonas Boldt, Vorstand in der HSV Fußball AG, wollen die zweite Liga hinter sich lassen.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Marcell Jansen wird auf der Mitgliederversammlung des HSV das Vertrauen ausgesprochen. Damit geht eine Posse zu Ende, die beim Traditionsklub monatelang für Unruhe gesorgt hatte.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Die Stammesältesten waren leider unpässlich. Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger SV wurden am Samstag auch zwei Herren geehrt, die seit stolzen 75 Jahren ein beitragszahlender und emotionaler Bestandteil des Klubs sind. Anwesend waren sie aber nicht, vielleicht wegen des Alters, vielleicht weil sie ohnehin nichts mehr überraschen könnte: Bei Mitgliederversammlungen des HSV war in der Vergangenheit oft richtig was los, es wurden Erfolge gefeiert, es wurden nach heftigen Streitereien aber auch schon die Presse des Stadions verwiesen oder die ganze Veranstaltung ergebnislos abgebrochen.

Hitzige Debatten standen beim Zweitligisten auch dieses Mal zu befürchten, weil das Vorgeplänkel alles andere als geräuschlos verlaufen war. Die Aufmerksamkeit im Hamburger Volkspark lag auf Tagesordnungspunkt 16, "Wahl des Präsidiums": Zur Abstimmung stand allerdings nur ein Team um den Ex-Profi und Aufsichtsratsvorsitzenden Marcell Jansen, weil der Beirat des Vereins, der über die Zulassung der eingehenden Kandidaturen bestimmt, eine weitere Bewerbung und damit eine alternative Wahlmöglichkeit per Beschluss von vornherein ausgeschlossen hatte. In der Hansestadt war zuletzt von einer demokratischen Farce die Rede gewesen, weshalb Jansen selbst im Vorfeld im Interview mit dem Hamburger Abendblatt eine Satzungsreform vorgeschlagen hatte.

Jansen betonte, dass "Zwietracht und Misstrauen" passé seien

Die Wahl am Samstag musste jedoch noch unter den geltenden Bestimmungen über die Bühne gebracht werden, was keineswegs frei von Hindernissen war, da Jansen für die Bekleidung des Präsidentenamts eine einfache Mehrheit benötigte - und nicht wenige im Vorfeld befürchtet hatten, dass die HSV-Mitglieder an der digitalen Wahlurne ihren Protest zum Ausdruck bringen würden. Nach einer souveränen Bewerbungsrede, in der Jansen betonte, dass "Zwietracht und Misstrauen" beim HSV passé sein sollen, reichte es dann aber für fast 70 Prozent der Stimmen. Jansen ist damit Präsident des HSV e. V., mit ihm ins Präsidium rücken der frühere HSV-Spieler und Europapokalsieger Bernd Wehmeyer als Vize sowie Michael Papenfuß als Schatzmeister.

Damit geht eine Posse zu Ende, die im Umfeld des Vereins seit Monaten für Unruhe gesorgt hatte: Jansen war im Januar 2019 schon einmal zum Präsidenten des Traditionsklubs gewählt worden, aber im Februar dieses Jahres nach einem Machtkampf mit seinen damaligen Präsidiumskollegen Thomas Schulz und Moritz Schaefer geschlossen zurückgetreten. Bis zur Mitgliederversammlung am Samstag wurde der HSV deshalb interimsmäßig von einem Notvorstand regiert. Für eine harmonischere Zukunft hat Jansen nun einen Vier-Jahres-Plan vorgelegt und ein interdisziplinäres Beraterteam angekündigt, dem unter anderem HSV-Legende Horst Hrubesch und der Vorsitzende des Hamburger Hafens, Jens Meier, angehören werden.

Beim häufig zerstrittenen HSV scheint derzeit Eintracht vorzuherrschen

Das Mitgliedervotum kann auch als Stärkung der sportlichen Führung des HSV interpretiert werden. Jansen gilt als Intimus von Jonas Boldt, der als Vorstand der HSV Fußball AG das operative Geschäft rund ums Profiteam führt. Der e. V. mit seinen insgesamt fast 85 000 Mitgliedern, dem Jansen nun erneut vorsteht, ist wiederum Hauptgesellschafter der AG. Obwohl auch unter Boldt die anvisierte Rückkehr in die Erstklassigkeit wiederholt gescheitert war, wird seine auf Kontinuität angelegte Arbeit innerhalb der Anhängerschaft durchaus wertgeschätzt. "Unser Ansporn ist es weiterhin, die zweite Liga zu verlassen", sagte Boldt in Richtung der Mitglieder und erntete dafür den erwartbaren Applaus.

Und so blieb am Ende der stundenlangen Veranstaltung der Eindruck, dass die Fronten beim häufig so zerstrittenen HSV derzeit geglättet sind. Das passende Bild dazu lieferte Tim Walter, der neue Hamburger Trainer, der mit seiner Mannschaft einen insgesamt überzeugenden Saisonstart hingelegt hat: Er schwang unter der Osttribüne begeistert die Hüften, während die Rockband "Abschlag!" ihren Gassenhauer "Wir sind der HSV" spielte.

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