Süddeutsche Zeitung

Rekordstürmer Terodde beim HSV:"Simon ist außergewöhnlich"

Der Hamburger SV gewinnt ein wildes Spiel 4:3 in Paderborn - auch dank Simon Terodde, der einen Rekord bricht. Aber der interessiert ihn erst in ein paar Jahren.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Unter allen Besonderheiten, die dieser Fußballabend zu bieten hatte, war diese Nachricht nicht unbedingt überraschend: Simon Terodde ist jetzt besser als Sven Demandt. Sven wer? Demandt war Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre so etwas wie der personifizierte Zweitligastürmer, er spielte unter anderem bei Hertha BSC, Mainz 05 und Fortuna Düsseldorf, wo er in einer Saison mal stolze 35 Treffer erzielte. Inzwischen ist Demandt Trainer bei einem Verein namens Frechen 20 aus der Mittelrheinliga und hat womöglich vor dem Fernseher zugesehen, wie ihn Terodde ganz frech von Platz eins der Bestenliste geschossen hat.

Terodde, 32, erzielte am Montag seine Treffer Nummer drei und vier in dieser Saison, in der zweiten Liga waren es seine Tore Nummer 121 und 122. Dass der neue Stürmer des Hamburger SV damit neuer Rekordhalter der seit 1981 eingleisigen zweiten Liga ist, war für ihn aber nicht mehr als eine "schöne Randnotiz", wie er hinterher sagte. Viel wichtiger sei: "Jetzt stehen wir an der Tabellenspitze nach einem richtig schweren Auftaktprogramm gegen zwei Bundesliga-Absteiger."

Am ersten Spieltag hatte der HSV dank zweier Terodde-Tore mit 2:1 gegen Fortuna Düsseldorf gewonnen, was knapper klingt, als die Kräfteverhältnisse auf dem Platz letztlich verteilt gewesen waren. Der 4:3-Erfolg am Montagabend beim SC Paderborn hingegen war zwar am Ende zwar ebenfalls verdient, aber nun ja: Ob Hamburg so ein Spiel in seinen vergangenen beiden Zweitligajahren auch gewonnen hätte?

Angreifer Manuel Wintzheimer brachte den HSV in der 14. Minute mit einem schönen Fernschuss in Führung, wenig später stand es schon 2:0, weil ein Paderborner Verteidiger den Ball im Strafraum unfreiwillig gegen Teroddes Kopf schoss, von wo aus der Ball im Netz landete (24.). Es sah alles nach einem souveränen Auswärtssieg aus, die Hamburger spielten in ihrem 4-3-1-2 System einen gefälligen Ball, Paderborn wirkte sowohl ziel- als auch mittellos gegen die stabile Defensive der Gästeelf. Bis Kapitän Tim Leibold völlig unnötig den SC-Angreifer Chris Führich im Strafraum foulte, den fälligen Elfmeter verwandelte Dennis Srbeny (34.).

Innerhalb von vier Minuten von 2:0 auf 2:3

Was dann folgte, erinnerte stark an jene Spiele in der vergangenen Saison, in denen die Hamburger Mannschaft nach Rückschlägen stets in ihre Einzelteile zerfiel. Mittelfdabräumer Klaus Gjasula, erst vor wenigen Wochen aus Paderborn gekommen, leistete sich gegen seinen Ex-Klub zwei schlimme Nachlässigkeiten im Spielaufbau, Paderborns Chris Führich bestrafte jede davon postwendend (36./38.). Innerhalb von vier Minuten hatten die Hamburger ihre komfortable Führung verspielt, zur Halbzeit stand es 3:2 für die Heimelf. "Der Trainer hat nur gesagt, dass wenn wir eine Mannschaft sein wollen, dann heute für mich", berichtete Gjasula hinterher von der Ansprache in der Kabine, "das mir sehr imponiert."

HSV-Trainer Daniel Thioune ließ den unglücklichen Gjasula weiterspielen, natürlich auch im Wissen, in Terodde auf einen Angreifer vertrauen zu können, der "den Puls hat und auch die Ruhe, um in der Box präsent zu sein", wie es Thioune später ausdrücken sollte. Terodde jedenfalls veredelte in der 57. Minute eine schöne Kombination über Spielmacher Jeremy Dudziak und Wintzsheimer - per Hacke - zum 3:3-Ausgleich. "Simon ist außergewöhnlich", sagte Thioune, "das kann gerne so weitergehen." Was aber auch für den spielstarken Wintzsheimer gelten dürfte, der an der letztlich entscheidenden Szene wieder maßgeblich beteiligt war: Der 21-Jährige war nach einem Dribbling im Strafraum nur per Foul zu stoppen. Den fälligen Strafstoß verwandelte der eingewechselte Mittelfeldmann Aaron Hunt (84.).

Auch das war eine kleine Pointe: Hunt, 34, war vor der Saison als HSV-Kapitän abgesetzt worden, als früherer Spieler des Erzrivalen Werder Bremen begegneten ihm die Anhänger immer mit Skepsis, die sportlichen Erwartungen konnte er nie so recht erfüllen. Und der neue Zweitliga-Rekordtorschütze Terodde, der eigentlich ein legitimes Hoheitsrecht bei Elfmetern für sich beanspruchen könnte, freute sich unverhalten für seinen Teamkollegen mit.

Er habe im Spiel "keine Sekunde" an seine neue Bestmarke gedacht, sagte Terodde. Diese ganze Rekordgeschichte sei höchstens in ein paar Jahren was wert, "im Partykeller mit ein paar Kumpels und ein paar Bier". Als bester Zweitligatorschütze kann man schon mal in Vergessenheit geraten, das mag stimmen. Aber eher nicht als der Mann, der den großen Hamburger SV am Saisonende vielleicht zurück in die Erstklassigkeit geschossen hat.

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