Hamburger SV:Gesichter des Niedergangs

Wer trägt Schuld, wenn der Hamburger SV absteigt? Viele Personen haben ihren Anteil daran, dass das Bundesliga-Urgestein in Richtung zweite Liga taumelt. Rafael van der Vaart ist erlahmt, Oliver Kreuzer wirkt überfordert - und dann sind da auch noch die alten Verträge von Bernd Hoffmann.

Von Carsten Eberts, Hamburg

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Oliver Kreuzer

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(Foto: dpa)

Wer trägt Schuld, wenn der Hamburger SV absteigt? Viele Personen haben ihren Anteil daran, dass das Bundesliga-Urgestein in Richtung zweite Liga taumelt. Rafael van der Vaart ist erlahmt, Oliver Kreuzer wirkt überfordert - und dann sind da auch noch die alten Verträge von Bernd Hoffmann. Oliver Kreuzer: Seine Aufgabe ist sehr schwer, ohne Zweifel. Spötter sagen dennoch, die beste Tat von Oliver Kreuzer für den HSV sei gewesen, dass er dem Klub Hakan Calhanoglu verkaufte - als Manager des Karlsruher SC. Nach einem Jahr Wirkungszeit als Sportchef hat Kreuzer mehr Dinge fabriziert, die eher gegen ihn sprechen als für ihn. Zwei Trainer hat er gefeuert, erst Thorsten Fink, dann Bert van Marwijk. Vor allem aber wirkt Kreuzer im Alltaggeschäft überfordert. Er trägt Anteil daran, dass der HSV nach der Ausleihe von Artjoms Rudnevs und der Verletzung von Pierre-Michel Lasogga keinen echten Stürmer mehr aufbieten kann. Gerne wählt Kreuzer auch die laute Ansprache: Gegen Ex-Trainer Fink trat er medienwirksam nach ("soll endlich den Mund halten"), auch die Mannschaft musste eine Wutrede über sich ergehen lassen ("sie hat es auf die Spitze getrieben"). Nach dem 1:4 gegen den FC Bayern attestierte Kreuzer dem Team dann plötzlich eine "sehr, sehr gute Leistung". Vereinsmäzen Klaus-Michael Kühne wird sich bestätigt fühlen, der Kreuzer schon bei Amtsantritt als "Drittliga-Manager" begrüßte.

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Der Aufsichtsrat

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(Foto: dpa)

Der Aufsichtsrat: Der Aufsichtsrat des Hamburger SV ist das sagenumwobenste Gremium der Bundesliga. Nirgendwo dürfen so viele Personen mitreden, nirgends gelangen Informationen schneller an die Presse, als wenn sich die HSV-Aufsichtsräte zu einer sehr geheimen Sitzung treffen. Das lähmt den Klub. Vor allem hat sich der HSV damit über Jahre hinweg den Ruf erarbeitet, dass kaum ein Verein schwieriger zu führen ist als der Bundesliga-Dino aus der Hansestadt. Setzt sich das HSV-Reformprojekt mit dem - leicht irreführenden - Namen "HSV Plus" durch, soll die Zahl der Aufsichtsräte (im Bild der aktuelle Vorsitzende Jens Meier) von zwölf auf sechs reduziert werden. Das bedeutet auch: Weniger Aufsichtsräte, die etwas ausplaudern können.

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Bernd Hoffmann

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Bernd Hoffmann: Lange galt der HSV als Paradies für Spielerberater. Weil der Klub auch für mittelprächtige Profis Gehälter zahlte, die sonst in der Liga nicht mehr zu bekommen waren. Häufig fällt diesbezüglich der Name von Ex-Vereinsboss Bernd Hoffmann. Seit 2011 hat dieser zwar nichts mehr zu sagen. Unter den Verträgen, die Hoffmann abschloss, ächzt der HSV jedoch bis heute. Unerwünschte Profis wollen ihre Verträge lieber aussitzen als zu wechseln. Richtig kurios wurde es, als Thorsten Fink im Frühjahr 2013 Gojko Kacar in die zweite Mannschaft abschob. Just in derselben Woche griff eine von Hoffmann eingebaute Klausel ibn Kacars Vertrag, die sein Jahresgehalt von 1,5 auf 1,8 Millionen Euro erhöhte. Um die Lizenz für die kommende Spielzeit zu erhalten, muss der HSV - egal für welche Spielklasse - seine Personalkosten deutlich reduzieren. Ein paar Mal werden die Verantwortlichen bestimmt noch an Hoffmann denken.

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Frank Arnesen

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(Foto: dpa)

Frank Arnesen: Mit seinen Sportdirektoren hatte der HSV zuletzt wenig Glück, auch nicht mit Frank Arnesen (rechts im Bild), der vom FC Chelsea kam. Meist ging es um die Personalpolitik des Dänen. Arnesen wolle den HSV zu einem zweiten Chelsea umbauen, hieß es. Außerdem kenne Arnesen die Bundesliga nicht, was bei seiner Einstellung jedoch niemandem aufgefallen war. Bis zu seinem Rauswurf im Mai 2013 wurden Arnesen dennoch weitreichende Befugnisse eingeräumt. Er durfte 37 Millionen Euro ausgeben, gleich fünf Spieler holte Arnesen von seinem Ex-Klub (Töre, Sala, Mancienne, Bruma, Rajkovic). Keiner von ihnen schlug richtig ein. Arnesen musste gehen, kurioserweise gehören seine Einkäufe aktuell noch zu den besten HSV-Akteuren. Hakan Calhanoglu, René Adler, Milan Badelj, auch Ivo Ilicevic und Petr Jiracek - sie alle wurden von Arnesen geholt.

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René Adler:

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

René Adler: Eigentlich will René Adler mit zur WM. Doch der Torwart weiß wohl selbst, dass daraus nichts werden wird. Seit Wochen ist Adler nicht der Rückhalt, den der HSV in seiner schwierigen Lage bräuchte. Acht mittelschwere bis schwere Patzer haben die Statistiker in dieser Saison gezählt, zuletzt gegen Augsburg, als Adler sich den Ball selbst ins Netz boxte. "Leider Gottes macht er zu viele Fehler", krittelt auch Sportdirektor Kreuzer. Sollte der HSV absteigen, wäre Adler einer der ersten Verkäufe. Zum einen, weil sich der Klub das Jahressalär seines Torwarts (geschätzte 2,75 Millionen Euro) nicht mehr leisten kann. Zum anderen, weil ein potenzieller WM-Torwart nicht in der zweiten Liga spielt. Ein klares Bekenntnis zum HSV verweigert Adler seit Wochen. Er wird wissen, warum.

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Ernst-Otto Rieckhoff

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(Foto: N/A)

Ernst-Otto Rieckhoff: Bis Anfang 2013 führte Rieckhoff den Aufsichtsrat an. In seine Zeit fiel etwa das Kommunikationsdesaster um Matthias Sammer, der dem HSV plötzlich absagte, und den Klub ratlos zurück ließ. Nun organisiert Rieckhoff die größte Opposition im Klub. Mit seinem Reformprojekt "HSV Plus" will Rieckhoff die Profiabteilung des HSV ausgliedern und für externe Investoren öffnen, die erste Hürde hat das Konzept bei der Mitgliederversammlung bereits genommen. Entscheiden sich Ende Mai 75 Prozent der Mitglieder für das Modell, wird der Verein umstrukturiert. Rieckhoff sagt, er wolle die finanzielle Handlungsfähigkeit des Vereins wahren. Das geht jedoch mit einer Spaltung der Anhängerschaft einher, da viele Fans sich einfach nicht vorstellen wollen, dass ihr altehrwürdiger HSV bald zum Spekulationsobjekt für Investoren wird. Ist Rieckhoff nun der Retter? Oder das Schlimmste, was dem Klub passieren kann?

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Klaus-Michael Kühne

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(Foto: Axel Heimken/dpa)

Klaus-Michael Kühne: Keine Figur polarisiert so beim HSV wie Klaus-Michael Kühne. Für die einen ist er ein betagter Mann, der in seiner Villa auf Mallorca sitzt und ungefragt seinen Senf dazu gibt. Für die anderen ist er die einzige Hoffnung, die dem HSV noch bleibt. Schon vor zwei Jahren spendierte der Milliardär dem HSV Rafael van der Vaart, seine nächste große Stunde könnte kommen, wenn sich die Mitglieder für das Reformprojekt "HSV Plus" entscheiden sollten. Dann braucht der Klub externe Geldgeber wie den schwerreichen Kühne - doch bisher ist kein weiterer in Erscheinung getreten. Kühne wird seinem HSV auch ein weiteres Mal helfen, jedoch wohl nur zu seinen eigenen Bedingungen. Ob dann der Name Felix Magath wieder fällt?

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Rafael van der Vaart

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Rafael van der Vaart: Nach dem 1:4 gegen den FC Bayern wurden die HSV-Spieler gefeiert, nur einer bekam bei seiner Auswechslung Pfiffe ab: Rafael van der Vaart. Als der Niederländer vor zwei Jahren zurück nach Hamburg kam, stand er für eine bessere Zukunft. Mittlerweile ist jedem klar, wie alt van der Vaart geworden ist. Spielt der 31-Jährige, zeigt er ein Laufpensum, das dem modernen Profifußball nur selten angemessen ist. Häufig spielt er auch überhaupt nicht, zuletzt wegen einer Wadenzerrung. Seit dem 17. Spieltag hat er nicht mehr getroffen, ihm gelangen 2014 nur zwei Torvorlagen. "In der Rückrunde spiele ich nicht das, was ich eigentlich abrufen müsste", sagt van der Vaart selbst. Die Stabilität und Ruhe, die die Mannschaft im Abstiegskampf so dringend benötigt, kann sie von van der Vaart nicht erwarten. Er könnte der erste HSV-Kapitän der Geschichte sein, der seinen Verein in die zweite Liga führt.

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Carl-Edgar Jarchow

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(Foto: dpa)

Carl-Edgar Jarchow: Es gibt wohl keinen Vereinsvorsitzenden in der Bundesliga, dessen Zeichen mehr auf "Abruf" stehen, als Carl-Edgar Jarchow (rechts im Bild). Und Jarchow kennt sich mit bescheidenen Aussichten aus - er ist schließlich FDP-Politiker. Seit 2011 ist Jarchow in leitender Position, er hat es jedoch nicht geschafft, dem HSV ein stimmiges Gesamtkonzept zu verpassen. Jarchow tritt stets sympathisch und hanseatisch-verbindlich auf, in seine Zeit fallen aber auch fünf Trainerwechsel und zwei geschasste Sportdirektoren. Am aktuellen Manager Oliver Kreuzer hält Jarchow indes überraschend lange fest. Beim Aufsichtsrat ist Jarchow ebenfalls wenig gut gelitten, weil er sich nicht ausreichend informiert fühlt. Setzt sich das Reformprojekt "HSV Plus" durch, wird Jarchow gehen müssen, obwohl sein Vertrag bis 2015 läuft.

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