Süddeutsche Zeitung

Hamburger SV:Gerade noch Nationalspieler, jetzt Präsident

Gewählt mit 799 von 1289 Stimmen: Marcell Jansen ist der jüngste Präsident, den der HSV jemals hatte. Sein Versprechen: Er will das Lagerdenken überwinden.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Der neue Präsident des Hamburger SV gab sich schon ganz präsidial. Der 33-jährige Ex-Nationalspieler Marcell Jansen umriss die Tätigkeit seines neuen Ehrenamtes so: "Die operativen Entscheidungen trifft der Vorstand, aber der Präsident muss diese bewerten." 799 von 1289 anwesenden Mitglieder hatten den früheren HSV-Profi am Samstag gewählt. Für Kontrahent Ralph Hartmann stimmten 490. Der dritte Kandidat, der frühere Klubchef Jürgen Hunke, trat nicht mehr an, nachdem das Publikum seine Rede nicht sehr respektvoll aufgenommen hatte.

Jansen bekam vor allem für eine Aussage Applaus: Es komme für ihn "nicht infrage, noch mal ein anderes Wappen als unsere Raute zu küssen", sagte er. Vor allem hatte er damit geworben, man müsse wieder mit einer Stimme sprechen. "Hier die AG, da der e.V. - das muss aufhören", forderte der gebürtige Mönchengladbacher, der weiter in der sechsten Liga für die dritte Mannschaft des Klubs spielen will. Der jüngste HSV-Präsident der Geschichte steht nun 87 000 Mitgliedern in 35 Abteilungen vor, wobei die "Supporters", bei denen 78 000 Fans organisiert sind, die tonangebende Sparte sind.

Einer freute sich über den Ausgang des Votums besonders, auch wenn er zunächst neutral formulierte, das Ergebnis habe er nicht zu kommentieren. Später sagte er dann doch, Jansen werde "ein guter Präsident für den HSV sein". Das war der lächelnde Vorstandsboss Bernd Hoffmann, der vor einem Jahr noch selbst äußerst knapp auf diesen Posten gewählt worden war. Kurz darauf wurde er zum AG-Vorsitzenden bestimmt und musste das Amt aufgeben. Jansen gilt als dem Hoffmann-Lager zugehörig, obwohl er genau damit angetreten war, das Lagerdenken zu beenden. Das Hoffmann-Lager findet bei weitem nicht die Zustimmung aller Mitglieder; für den früheren Schatzmeister Hartmann haben auch deshalb so viele votiert, weil er in einer kämpferischen Rede von einer "Richtungswahl" gesprochen hatte: "Auf der einen Seite die Verfechter der Machtkonzentration um Bernd Hoffmann, auf der anderen Seite die Mitglieder, die sich mehr Kontrolle, mehr Neutralität und mehr Ausgewogenheit in e.V. und AG versprechen."

Weitere Anteile zu verkaufen, um an Geld zu kommen, ist schwierig

Jansen, der nicht unbedingt auf das Amt des Aufsichtsratschefs wert legt, wie er sagte, muss vor allem den Kampf gegen die missliche Finanzlage des HSV begleiten. Sie wird von Hoffmann als "schwierig, aber nicht desolat" bezeichnet, während Finanzvorstand Frank Wettstein einen weiteren "erheblichen Jahresfehlbetrag" in zweistelliger Millionenhöhe ankündigte, zusätzlich zu den zuletzt veröffentlichten Verbindlichkeiten von 85 Millionen. Für die Fananleihe von 17,5 Millionen, die 2019 zurückgezahlt werden muss, soll eine neue Anleihe in gleicher Höhe aufgelegt werden.

Jansen wurde als HSV-Präsident von der Mehrheit beauftragt, in der Hauptversammlung der AG durchzusetzen, dass die HSV AG nicht mehr als 24,9 Prozent vom Verein verkaufen darf, ohne die Mitglieder zu befragen. Bisher sind 23,81 Prozent an Anteilseigner abgegeben worden, wovon Klaus-Michael Kühne mit 20,57 Prozent das größte Stück besitzt. Die Möglichkeit, auf diese Weise an frisches Geld zu kommen, wird also für den HSV schwieriger.

Immerhin gab es auch noch, wie von Jansen erwünscht, ein einheitliches Votum bei der Versammlung: Dem Gemeinschaftsantrag, der HSV müsse sich klar gegen Rassismus und diskriminierendes Verhalten positionieren, wurde ohne Gegenstimme stattgegeben.

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Quelle:
SZ vom 21.01.2019
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