Hamburger SV:Gekommen um zu gehen

FC Ingolstadt 04 - Hamburger SV

Die HSV-Spieler lassen sich von ihren Fans für den Auswärtssieg beim Tabellenletzen im Ingolstädter Sportpark feiern.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der HSV scheint sich in der zweiten Liga eingerichtet zu haben, das zeigt die Stimmung beim Auswärtsspiel in Ingolstadt. Doch der 2:1-Sieg beweist einmal mehr: Der Tabellenführer dürfte die Liga bald wieder verlassen.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt

Ein paar Ingolstädter Wägen bogen ein, ein Pfaffenhofener, ein Münchner, ein Freisinger. Schon staute es sich am Samstagmittag auf der Zufahrt auf den Stadionparkplatz des FC Ingolstadt. Was nicht sonderlich überraschend war, es stand ja später ein Zweitliga-Fußballspiel an. Überraschender war, dass die oberbayerischen Autofahrer alle auf Parkplatz P4 wollten. Es ist der Gästeparkplatz. Aus den Wägen stiegen Menschen in dicken HSV-Kutten und mit Schals um den Hals und die Arme. Sie hörten Songs wie das zugegebenermaßen wenig geistreiche Lied eines Sängers mit dem Namen "Killermichel": "Auswärts sind wir asozial". Und, das sei noch erwähnt, es waren natürlich auch Autos mit Hamburger Kennzeichen da. In den Gesichtern der Fans entdeckte man tatsächlich ein Lächeln. Sie freuten sich auf dieses Spiel beim Tabellenletzten.

So schlimm der Abstieg im Mai noch war, inzwischen scheinen sich die Hamburger Anhänger also ganz gut zu arrangieren in der zweiten Liga. Sie erleben gerade als Tabellenführer einen lange nicht mehr gekannten Höhenflug, wenn auch eine Liga unter dem eigenen Selbstverständnis. Und nach dem 2:1 (1:0) beim FC Ingolstadt bleibt der HSV weiter ganz oben. "Wir sind froh, dass wir diesen Auswärtssieg holen konnten", sagte Trainer Hannes Wolf. Oder sollte man ihn schon "Aufstiegstrainer" nennen? 2017 stieg er mit Stuttgart auf, im Sommer könnte der Aufstieg mit dem HSV folgen. So ein bisschen sieht es ja jetzt schon so aus, als würde der HSV der Liga ganz schnell wieder entwachsen.

Dabei tut sein Verein der Liga durchaus gut. In Ingolstadt schauten 13 500 Zuschauer zu, so viele wie seit April beim Spiel gegen den späteren Aufsteiger 1. FC Nürnberg nicht mehr. Und das eben auch dank der Hamburger Anhänger, die ähnlich wie Mönchengladbacher oder Münchner Fußballanhänger aus ganz Deutschland kommen. Sie verfolgten lange eine ebenbürtige Partie, in der zuerst gar nicht lange klar war, wer denn jetzt der Tabellenletzte ist. Sowohl die Hamburger als auch der FCI taten sich schwer mit dem Spielaufbau: Im Grunde landete der Ball stets nach drei Pässen wieder beim Gegner. Ingolstadts Interimstrainer Roberto Pätzold - am Sonntag übernimmt der als Nachfolger des entlassenen Alexander Nouri verpflichtete Jens Keller - baute auf vier Debütanten aus der Ingolstädter U19, die er eigentlich trainiert, und der U21 (Torwart Fabijan Buntic, Fatih Kaya, Jonatan Kotzke und Georgios Pintidis) - und die warfen sich rein, wenn auch ihre spielerischen Defizite in dieser Liga erkennbar waren.

"Es hat mich stolz gemacht, dass wir als Einheit verteidigt haben", sagt HSV-Verteidiger van Drongelen

Erst nach knapp einer halben Stunde stellte sich dann heraus, dass der HSV zu Recht der Tabellenführer ist: Er agierte schlauer. Buntic stellte eine etwas wacklige Mauer beim Freistoß, was der erfahrene Bundesliga-Spieler Aaron Hunt nutzte. Er zirkelte den Ball um die Ingolstädter herum und traf ins linke Eck. Es war der erste Schuss aufs Tor. Kurz darauf scheiterte Bakery Jatta an der Latte mit dem zweiten Schuss. Und den dritten hatte dann kurz nach der Pause der von Red Bull Salzburg ausgeliehene Hee-Chan Hwang. Nach einem starken Pass von Lewis Holtby ließ er mit einem Haken den Ingolstädter Verteidiger Benedikt Gimber stehen und traf zum 2:0 - ein fein herausgespielter Treffer.

Dann zeigte sich, dass der in der Bundesliga am Ende so zittrige HSV zeitweise auch in der zweiten Liga ein zittriges Gebilde bleibt: Fatih Kaya traf gleich darauf per Kopf zum 1:2 und eröffnete den Gastgebern die unverhoffte Chance auf einen Punktgewinn. "Auch wenn es vor dem Spiel von der Tabelle her klar aussah, wussten wir, dass Ingolstadt besser ist, als der 18. Platz", sagte der kantige Innenverteidiger Rick van Drongelen, der wie sein Nebenmann David Bates fast alle Ingolstädter Angriffe zunichtemachte. "Es hat mich stolz gemacht, dass wir als Einheit verteidigt haben, um ein erneutes spätes Gegentor zu verhindern."

Das war ja eben noch das Problem im Spitzenspiel gegen Union Berlin am Montag, als die Berliner nach der 90. Minute noch das 2:2 erzielten. Das hätte dieses Mal Konstantin Kerschbaumer schießen können, doch Hamburgs Torwart Julian Pollersbeck hielt. "Wir müssen für die nächsten Spiele daran arbeiten, dass es bei Führungen am Ende nicht mehr so spannend wird", sagte Trainer Wolf. Nicht, dass seine Fans auch in einem Jahr noch den Gästeparkplatz in Ingolstadt, Magdeburg oder Paderborn anfahren müssen.

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