Hamburger SV:Gegen die Spötter

Hamburger SV

HSV-Trainer Dieter Hecking.

(Foto: Stuart Franklin/dpa)

Beim Hamburger SV wird offenbar schon über einen Plan nachgedacht, wie in der nächsten Saison mit weniger Etat der Aufstieg zu schaffen wäre. Doch erst mal soll die Mannschaft die letzte Chance nutzen, dass es diesen Plan nicht braucht.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Die Spötter und die missgelaunten Fans haben mal wieder Hochkonjunktur beim Hamburger SV. In einem unwirschen Leserbrief hat sich ein Anhänger nach der letztsekündlichen 1:2-Niederlage in Heidenheim in der Hamburger Morgenpost so beschwert: "Der HSV wurde geschaffen, um Fans zu enttäuschen und zu demütigen." Und der Schreiber hat auch eine Idee, wie die Saison ausgehen wird - so wie viele anderer Rautenfreunde, die nach Jahren des Abwärtstrends kaum noch an das Gute im Fußball glauben. Man werde zwar noch die Relegation zur Bundesliga erreichen, stellt er sich vor, aber dann würden die Hamburger - natürlich - im Elfmeterschießen scheitern.

Damit es aber überhaupt so weit kommen kann, muss der HSV am Sonntagnachmittag am letzten Spieltag erst einmal daheim den SV Sandhausen schlagen, während der 1. FC Heidenheim, momentan Drittplatzierter in der zweiten Liga, nicht gewinnen darf in Bielefeld beim Meister und sicheren Bundesliga-Aufsteiger Arminia. Nur wenn die Baden-Württemberger verlieren, reicht den Hanseaten sogar ein Unentschieden, um die zwei Extra-Spiele um den Bundesliga-Aufstieg gegen den Drittletzten der höchsten Klasse zu erreichen, die am 2. und 6. Juli ausgetragen werden.

HSV-Trainer Dieter Hecking hat das Spiel gegen das No-Name-Team aus Sandhausen zur "Charakterfrage" erklärt. Wobei er, anders als viele Kritiker, glaubt, die Mannschaft habe schwierige Situationen immer als Kollektiv gelöst. Aber: "Mit jedem Misserfolg wächst die Anspannung, daher sind die Spieler nicht so frei, wie sie es sein könnten", gestand Hecking, der sich in Patrick Esume, dem deutsch-amerikanischen Football-Coach, vor einigen Monaten einen Mentaltrainer ins Team geholt hat. "Zwei, drei Tage" hätten seine Profis nach Heidenheim gebraucht, "um die Köpfe wieder hochzunehmen".

Der HSV bekommt Mitleid aus Stuttgart

Auch er selbst und Vorstand Jonas Boldt haben eine Weile nach dem erneuten Tiefschlag gebraucht, der ihnen die dritte Zweitliga-Saison bescheren könnte. Marcel Reif frotzelte gar, nun brauche der HSV eine Zweitliga-Uhr, nachdem der Chronometer nach 55 Jahren Erstliga-Zugehörigkeit 2018 abmontiert wurde. Mitleid hatte dagegen Sven Mislintat, der Sportdirektor des direkten Aufsteigers VfB Stuttgart, der als mehrmaliger deutscher Meister eine ähnliche Geschichte hat wie der norddeutsche Traditionsklub: "Wenn man in der zweiten Liga beim VfB oder beim HSV arbeitet, kann man nichts gewinnen, nur verlieren. Es ist gefühlt die Fortsetzung des Abstiegskampfes."

Ob der HSV aus diesem gefühlten Abstiegskampf herauskommt, könnte auch mit Boldt zu tun haben - falls er es anders macht als die vielen HSV-Chefs davor. Die haben stets den Trainer entlassen und den nächsten engagiert. Jedesmal hatte der neue Mann ein anderes Konzept als der Vorgänger, niemals konnte eine Mannschaft wachsen. Es waren (ohne Interimslösungen) allein 14 in zehn Jahren. Nun kann sich Boldt angeblich vorstellen, mit Dieter Hecking weiterzumachen, selbst wenn dieser das erklärte Aufstiegs-Ziel verfehlt. Auch der Coach, dessen Vertrag sich nur bei einer Rückkehr in die erste Liga automatisch verlängert, hat Bereitschaft erkennen lassen, auch in der zweiten Liga weiterzumachen.

Der Knackpunkt bei den Verhandlungen aber könnte sein, dass Boldt den Etat für die dritte Zweitliga-Saison sehr zusammenstreichen muss. Hecking, der zuletzt dafür sorgte, dass Routiniers wie Ewerton und Martin Harnik verpflichtet wurden, würde dann fast nur noch mit Talenten einen neuen Anlauf unternehmen müssen. Er müsste sich darauf einlassen, dass der einst große HSV auch finanziell zunehmend zu einem Zweitligaklub wird.

Ein großer Unterstützer des HSV spielt am Sonntag für Gegner Sandhausen: Dennis Diekmeier. Der Verteidiger, der zwischen 2010 und 2018 in Hamburg aktiv war, hatte sich den kommenden Sonntag eigentlich anders vorgestellt. Er wollte seinem Lieblingsklub zum schon perfekten Aufstieg gratulieren. Nun muss er als SVS-Kapitän versuchen, dem HSV die letzte Chance zum Aufstieg zu verbauen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: