Hamburger SV:Der HSV ist schon wieder ratlos

  • Der VfL Osnabrück hat in der dritten Liga in vier Spielen noch keinen Sieg gelandet.
  • Doch dann wirft er den Hamburger SV aus dem DFB-Pokal.
  • Der Bundesligist gilt nun schon vor Saisonbeginn als Abstiegskandidat.

Von Jörg Marwedel, Osnabrück

Markus Gisdol war im September 1984 im Stadion, als der Hamburger SV in seinem schwäbischen Geburtsort Geislingen an der Steige beim Viertligisten SC mit 0:2 aus dem DFB-Pokal ausschied. 15 Jahre war er damals alt und freute sich diebisch. Als er am Sonntag nach der 1:3-Niederlage beim Drittligisten VfL Osnabrück gefragt wurde, warum die Hamburger immer wieder so früh gegen unterklassige Teams in diesem Wettbewerb den Kürzeren ziehen, gab sich der inzwischen für den HSV tätige Fußballlehrer ratlos: "Ich weiß es auch nicht."

In der Tat: Seit dem letzten DFB-Pokalsieg 1987 ist kein Bundesligaklub so oft wie der hanseatische Traditionsverein in der ersten Runde ausgebootet worden, nämlich nunmehr neunmal.

"Die rote Karte war der Knackpunkt"

Es sieht so aus, als habe der Coach, der den HSV in der Saison 2016/17 vor der erneut drohenden Zweitklassigkeit bewahrt hatte, noch kein Mittel gefunden, den Bundesliga-Abstiegskandidaten wirklich weiter zu entwickeln. Und das, obwohl er bei den Zugängen vor allem auf sogenannte "Mentalitätsspieler" wert gelegt hatte. Zuletzt etwa auf den bisherigen Gladbacher André Hahn, der zwar über ein überschaubares technisches Rüstzeug verfügt, dafür aber kämpfen kann wie nur wenige. Aber Hahn musste nach der Partie eingestehen: "Verteidigen und kämpfen können die auch." Dabei hat der VfL Osnabrück in der dritten Liga in vier Spielen noch keinen Sieg gelandet.

Der HSV dagegen hatte besonders schlecht verteidigt. Und so kurios es klingt: Das Übel nahm in der 19. Minute seinen Lauf, als der VfL-Verteidiger Marcel Appiah nach einer Notbremse gegen Bobby Wood vom Platz gestellt wurde und die Osnabrücker sich fortan nur noch mit zehn Mann dem Erstligisten entgegenstemmten. "Die rote Karte war der Knackpunkt", sagte Gisdol, "danach haben wir nicht mehr konsequent verteidigt." So blamierten sich quasi alle HSV-Profis, die in der Offensive durch "träges Passspiel" (Gisdol) aufgefallen waren, besonders in der Defensive. Und das rächte sich bei den wenigen, aber gezielten Angriffen der Niedersachsen.

In der 39. Minute ließen sich die Innenverteidiger Mergim Mavraj und Kyriakos Papadopoulos vom aufgerückten Verteidiger Nazim Sangare übertölpeln, der dann Kapitän Halil Savran die Vorlage zum 1:0 auflegte. Vor dem 2:0 durch Marc Heider (60. Minute) schoss Konstatin Engel dem Hamburger Nicolai Müller im Strafraum den Ball durch die Beine. Und beim 3:0 in der 71. Minute durch Ahmet Arslan versagte praktisch die gesamte HSV-Abwehr. Arslan, der sich als "Hamburger Jung" bezeichnet, bis 2016 für die zweite Mannschaft des HSV auflief und mit dem HSV-Profi Gideon Jung gut befreundet ist, hat sich zwar inmitten des Osnabrücker Jubels zurückgehalten. Aber später sagte er: "Innerlich habe ich Party gemacht." Er hätte sogar Geld für ein Tor gegen seinen früheren Verein bezahlt.

Und während sich die Osnabrücker von den Fans an der mit 16 000 Zuschauern ausverkauften Bremer Brücke (mit Ausnahme der 1500 HSV-Anhänger) feiern ließen und nun auch auf eine Steigerung in der dritten Liga hoffen, wird der HSV im ersten Bundesligaspiel gegen den ebenfalls ausgeschiedenen FC Augsburg wohl den Abstiegskampf fortsetzen.

Mit "Mentalitätsspielern" wie Mavraj, Papadopoulos und Hahn, die bisher ihre Form nicht fanden. Mit einem Flügelspieler Müller, der so spielte, als wolle er seinen Wechsel nach Wolfsburg doch noch durch Nicht-Leistung erzwingen. Und mit einem Stürmer Wood, der zwar mit seinem neuen Vertrag künftig das Doppelte verdient (etwa drei Millionen Euro), aber außer einem Elfmeter zum 3:1 (74. Minute) so wenig zustande brachte wie in der gesamten Vorbereitung und den 809 letzten Liga-Minuten: nämlich keinen einzigen Treffer.

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