Hamburger SV:Das Schlechteste, was die Liga zu bieten hat

Hamburger SV - 1. FC Köln

Schwer enttäuscht: Mergim Mavraj vom Hamburger SV.

(Foto: dpa)

Von Thomas Hahn, Hamburg

Auf der Nordtribüne des Volksparkstadions standen immer noch ein paar Menschen, die trotzig ihre HSV-Fahne schwenkten. Aber eigentlich war nichts mehr los in der Kurve der Hamburg-Fans am Ende des Samstagabend-Duells gegen den 1. FC Köln. An seinen Fans wird es nicht liegen, wenn der HSV am Ende dieser Saison zum ersten Mal in seiner Geschichte aus der Bundesliga absteigen sollte. Sie waren da, sie bangten bei kriechender Kälte und applaudierten freundlich, wenn ihrer Mannschaft doch mal etwas gelang. Die vergangenen Jahre im Abstiegskampf haben die HSV-Fans genügsam und leidensfähig gemacht.

Aber diese 0:2 (0:1)-Heimniederlage gegen den Tabellenletzten nach vielen unbeholfenen Sturmversuchen war doch ein Tiefschlag der besonderen Art. Die Kölner Kollegen sangen. Die Hamburger Fans schwiegen zunächst ratlos. Dann pfiffen und schimpften sie, als die Spieler vorsichtig in ihre Richtung schlichen. Die Mannschaft drehte ab. Es war, als wollte sie sich dem Zorn der Leute nicht aussetzen.

Horn rettet zweimal gegen Kostic

Die Partie trug verschiedene Namen, die alle nicht richtig passten. Beim Bezahlsender Sky lief sie als "Top-Spiel", obwohl eigentlich "Bottom-Spiel" die richtige Bezeichnung gewesen wäre. Die Kölner nannten sie Endspiel, obwohl noch fast die ganze Rückrunde zu absolvieren ist. Aber welcher andere Ausdruck hätte die Dramatik dieser Begegnung deutlich machen können? Keller-Gipfel? Abstiegskampf-Knaller? In Wahrheit öffnete sich der Vorhang für das Schlechteste, was die Bundesliga dieser Tage zu bieten hat: Vorletzter gegen Letzter. Die Besten von unten im Widerstreit. Die Werbe- und Vorberichterstattung durfte nicht davon ablenken, dass der HSV und der 1. FC Köln eher keine Gala für kunstsinnige Fußballfreunde vorführen würden.

Kämpferisch ging es zu, von Anfang an. Vor allem die Hamburger wollten dabei mit Einsatz wettmachen, was ihnen an spielerischer Qualität fehlt. Und fast hätten sie den Gästen auch zugesetzt mit ihrem rumpeligen Offensivstil. Schon in der ersten Minute prüfte André Hahn den FC-Keeper Timo Horn. Kurz darauf blockte die Kölner Abwehr eine gefährliche Hereingabe von Filip Kostic ab. Vor der Pause musste Horn noch zwei Mal seine Reaktionsschnelligkeit zeigen. Beide Male war Kostic der Absender der Torschüsse.

Allerdings wurde auch früh deutlich, dass der Brechstangen-Stil des HSV seinen Preis hatte. In der Verteidigung klafften Lücken, die der FC zu nutzen wusste. Kölns japanischer Offensivmann Yuya Osako durfte zwei Mal allein aufs Hamburger Tor zulaufen. Beim ersten Mal schubste ihn Abwehrspieler Kyriakos Papadopoulos auf Kosten einer Gelben Karte aus der Bahn. Beim zweiten Mal verdribbelte sich Osako ohne Einwirkung des Gegners.

Es passte deshalb durchaus zum Spielverlauf, dass die Kölner mit einem 1:0-Vorsprung in die Pause gingen. Torschütze: natürlich Simon Terodde, der lebendige Beweis dafür, dass Winter-Transfers sich auszahlen. Schon bei seinem ersten Einsatz nach der Rückkehr vom VfB Stuttgart gegen Borussia Mönchengladbach hatte er getroffen, jetzt wieder. Ein Eckball von Milos Jojic segelte, verlängert von Osako, an hochhüpfenden Hamburgern vorbei genau in den Lauf des heranstürzenden Stürmers. Dennis Diekmeier versuchte noch, Terodde gewinnbringend zu bedrängen, vergeblich. Der Ball ging aus kurzer Distanz durch die Beine von Kostic.

"Wir kriegen den Ball nicht über die Linie"

Die Hamburger stürmten mit dieser Verzweiflung, die den Mutigen anfällig macht. Trainer Markus Gisdol hatte nach längerer Zeit mal wieder den früheren Nationalspieler Lewis Holtby in die erste Elf genommen. Damit hatten die Hamburger einen fleißigen Mittelfeldspieler mehr, aber spielerisch trotzdem nicht viel gewonnen. Weiter rannten die Hamburger auf den Kölner Strafraum zu, prallten zurück, versuchten es wieder. Mangelnden Einsatz konnte ihnen niemand unterstellen.

Trainer Gisdol lobte ihren Einsatz sogar, die Niederlage schrieb er vor allem zu großem Schusspech zu. "Wir kriegen den Ball nicht über die Linie", sagte Gisdol, "es ist irgendwie verflixt." Die Kölner wiederum schienen sich eingerichtet zu haben in ihrer Rolle als defensiver Spielverderber. Sie brauchten dazu nicht einmal ihren neuen Franzosen, den technisch beschlagenen Mittefeldspieler Vincent Koziello, der diese Woche aus Nizza gekommen war; er saß 90 Minuten lang auf der Bank.

"Ich arbeite gerne mit der Mannschaft", sagt Gisdol

Unaufgeregt verteidigten die Kölner ihren Strafraum und warteten auf Konter. Die fahrige, ungeordnete Spielweise der Hamburger lag ihnen sehr. "Es gab schon noch Momente, in denen wir Probleme gehabt haben", sagte Kölns Trainer Stefan Ruthenbeck und verwies bescheiden auf "ein bisschen Spielglück", das seine Leute gehabt hätten. Aber es hatte durchaus auch etwas mit Können zu tun, wie sie den Raum nutzten, den der HSV ihnen ließ. Vor allem in der 67. Minute, als Özcan Jojic auf die Reise schickte, der wiederum einen hohen Pass in die Spitze spielte. Direktabnahme. 2:0. Torschütze? Natürlich Terodde.

Köln ist in der Tabelle plötzlich doch nicht mehr so abgeschlagen. Beim HSV hingegen ist die Stimmung schlecht, was prompt die üblichen Krisen-Mechanismen in Gang setzte. Hinter Coach Gisdol stand nach dem Spiel ein riesiges Fragezeichen. Sportchef Jens Todt sagte, er könne einen Trainerwechsel nicht ausschließen: "Wir lassen die Niederlage noch einmal sacken, morgen wird entschieden, wie es weitergeht." Vorstandschef Heribert Bruchhagen sagte gar nichts. Und Gisdol? Der verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass er bleiben darf trotz einer "sehr, sehr schwierigen Situation". "Ich arbeite gerne mit der Mannschaft, die ich jetzt habe", sagte er freundlich, "von meiner Seite her ist die Zusammenarbeit nach wie vor gut."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: