Der Satz war jetzt in der Welt, aber war er auch glaubhaft? Das Hamburger Volksparkstadion, so hatte es der HSV-Trainer Merlin Polzin unter der Woche formuliert, sei an diesem bedeutsamen Sonntag „kein Ort für Zweifel“. Eine herrliche Wortwahl, zumal mit Blick auf ein Wochenende, an dem nicht nur Zweitligafußball gespielt, sondern auch der Papst in der Basilika Santa Maria Maggiore beigesetzt werden sollte. Die Sache war nur, dass der Volkspark schon eine ganze Weile von finsteren Mächten heimgesucht wird. Sie treiben insbesondere in entscheidenden Saisonmomenten ihr Unwesen, sie wühlen in der Psyche der Hamburger Spieler und stiften diese zum größtmöglichen Irrsinn an.
Ja, zumindest zarte Zweifel wären somit durchaus plausibel gewesen. Und weil der HSV in seinen nun sieben Zweitligajahren nun mal der HSV geblieben ist, war pünktlich zum Anpfiff dann auch alles weggeblasen, was eine stabile und prinzipienfeste Fußballmannschaft auszeichnet: Hamburg verlor 1:2 gegen den Karlsruher SC, nach einem desolaten Auftritt, der in einer normalen Liga noch einmal deutlich böser bestraft worden wäre. Diese kuriose zweite Liga weist den HSV zwar immer noch auf dem direkten Aufstiegsplatz zwei aus, mit drei Punkten vor dem Drittplatzierten 1. FC Magdeburg. Die Frage ist nur, ob diese flatterige HSV-Elf überhaupt noch zu weiteren Punktgewinnen in der Lage ist. Nach einer Heimniederlage gegen den Abstiegskandidaten Braunschweig und einer gefühlten Niederlage in der Vorwoche auf Schalke, wo man 88 Minuten in Überzahl spielte und trotzdem nicht über ein 2:2 hinauskam, hat sich die Hamburger Mannschaft am Sonntag erneut unterboten. Oder wie es Stürmer Robert Glatzel hinterher formulierte: „Es ist der letzte schwere Schritt, der alles so kompliziert macht.“

FC Bayern:Schale holen ohne Harry
Ausgerechnet im vielleicht entscheidenden Spiel um seinen ersten Titel fehlt Harry Kane dem FC Bayern gelbgesperrt, wofür der Stürmer Schiedsrichter Bastian Dankert deutlich kritisiert. Ersetzen könnte ihn Thomas Müller – in seinem drittletzten Bundesligaspiel.
Bereits in der ersten Halbzeit ging schief, was schiefgehen konnte; sogar verlässliche Akteure wie Defensivmann Daniel Elfadli präsentierten die wohl schlechteste Version ihrer selbst. Und andere machten einfach da weiter, wo sie zuletzt aufgehört hatten: Außenverteidiger Silvan Hefti, ein eher eindimensionaler Fußballer, rückte zur Unterstützung des Spielaufbaus ins Mittelfeldzentrum – wobei fraglich blieb, ob diese Maßnahme nun eher den Hamburgern oder den Karlsruhern nutzen sollte. Hefti fiel dann in der 17. Minute noch dazu als einer von mehreren Hamburgern auf, die zwar nicht wie Moses das Meer spalteten, aber freie Bahn für den Karlsruher Louey Ben Farhat auf dem Weg zu dessen 1:0-Führungstreffer gewährleisteten.
Man müsse jetzt „Bock haben auf diese Situation“, sagt HSV-Coach Polzin
Und sonst? Flogen Flanken ins Nirwana, Pässe landeten in den Füßen der Gegenspieler, und aus heiterem Himmel stolperte dann Spielmacher Adam Karabec im Strafraum übers Knie eines Karlsruher Spielers. HSV-Stürmer Davie Selke, der beim 2:2 auf Schalke aus unerfindlichen Gründen auf der Bank hatte verharren müssen, verwandelte den Elfmeter zum 1:1-Ausgleich (42.). Doch wer nun meinte, dass dies der Heimelf wenigstens einen Hauch von Sicherheit verpassen würde, musste nicht lang warten, bis das exakte Gegenteil zu besichtigen war. Marvin Wanitzek durfte ungehindert in den Hamburger Strafraum dribbeln; sein Querpass prallte von zwei Gegenspielern zurück vor die eigenen Füße, woraufhin der KSC-Kapitän aus fünf Metern locker einschieben durfte (45.).
Zweifel im Volksparkstadion? Ja, die gab es, und sie waren unbedingt berechtigt: Die Hamburger Mannschaft wurde mit Pfiffen in die Halbzeitpause begleitet und quälte das Publikum auch danach munter weiter. Ein Ballverlust reihte sich an den nächsten, die Hamburger schossen, wenn sie hätten passen müssen, sie schienen sich Gegnerbeine zu suchen, nur um sich in ihnen festdribbeln zu können. Das lag auch daran, dass sich der KSC nicht als willfähriger Punktelieferant anbiedern wollte. Es lag aber vor allem am kollektiven Nervenzusammenbruch der Spieler mit dem Rautenlogo auf der Brust – ein Logo, das in dieser Saisonphase wieder als zentnerschwere Last erscheint. Hamburg wirkte auch in der zweiten Hälfte wie gelähmt, außer einem Pfostenschuss durch den eingewechselten Glatzel brachte die Elf nichts mehr zusammen.
Dem jungen HSV-Coach Polzin, der lange wie eine segensreiche Fügung gewirkt hatte, kommt nun die komplizierte Aufgabe zu, diese zutiefst verunsicherte Mannschaft wieder an ihre Stärken zu erinnern. Nach Schlusspfiff wagte er einen ersten Versuch: Man müsse jetzt „Bock haben auf diese Situation“, sagte er. Man müsse den Gedanken an das vertreiben, „was schiefgehen kann“ – und stattdessen in den Fokus nehmen, was es „zu erreichen“ gibt.