Süddeutsche Zeitung

Hamburger SV: Armin Veh:"So kann man nicht arbeiten"

Hamburgs Trainer Armin Veh hat genug und verkündet seinen Abschied zum Saisonende. Kurz vor dem wichtigen Spiel beim FC Bayern verschärft er die Krisenlage des HSV damit massiv.

Jörg Marwedel

Die Nachricht zur späten Mittagszeit am Dienstag war keine Überraschung mehr, und sie passt zur Situation beim Hamburger SV: Trainer Armin Veh, 50, wird den Verein spätestens nach Ende dieser Spielzeit nach nicht einmal einem Jahr wieder verlassen. Dies verriet der Schwabe in einer kleinen Presserunde. Auch diese Personalie hat indirekt mit dem Aufsichtsrat zu tun.

Der hatte bekanntlich am Sonntag beschlossen, die Verträge mit Vorstandschef Bernd Hoffmann und dessen Stellvertreterin Katja Kraus nicht über den 31. Dezember 2011 zu verlängern - zudem hatte das Gremium durchsickern lassen, dass auch Veh kein Mandat für eine zweite Spielzeit bekommen solle, obwohl das Vertragswerk theoretisch eine Verlängerung vorsah. Nun aber setzte Veh den nächsten Zug, verbunden mit der Botschaft: "Ich stehe dem Verein ab Sommer nicht mehr zur Verfügung." Und weiter: "So kann man teilweise nicht arbeiten. Es ist eine gefährliche Situation für den HSV."

Vehs freiwillige Absage hat das Durcheinander beim HSV nur noch ein wenig größer werden lassen. Schon vorher war offenbar das verloren gegangen, was den Hanseaten seit dem Mittelalter zugesprochen wird: Weltläufigkeit, kaufmännischer Wagemut, Verlässlichkeit, Zurückhaltung und die Fähigkeit zur Selbstironie.

Anders lässt sich die Beschwerde des Aufsichtsratsvorsitzenden Ernst-Otto Rieckhoff nicht interpretieren: "Ich verurteile die öffentlichen Verleumdungen, Unterstellungen und Beleidigungen gegen einzelne Aufsichtsräte", sagte er am Dienstag. Hier werde versucht, "mit Halb- und zum Teil Unwahrheiten die persönliche Integrität Einzelner zu beschädigen". Man könnte sagen: Dem Kontrollgremium schlugen nach der nur bedingt hanseatischen Entscheidung sehr unhanseatische Reaktionen entgegen.

Doch weil der frühere Schatzmeister Rieckhoff und sein Aufsichtsrat weder offizielle Gründe für das Nein zu Hoffmann und Kraus anführten noch "einen Plan B" haben (nämlich eine Art Schattenkabinett für die Zeit nach Hoffmann), schaukeln sich die internen Auseinandersetzungen langsam zum HSV-Bürgerkrieg hoch. Schon bildete sich eine Gruppe pro Hoffmann, die den Aufsichtsrat kippen will. Im Paragraf 17, Punkt 2 der Vereinssatzung stehe, das Gremium könne abberufen werden, wenn zehn Prozent der Mitglieder dafür stimmten, heißt es im HSV-Forum. Diese "Initiative der Basis" müsste also von etwa 7000 Mitgliedern unterstützt werden.

Hauptkritikpunkt ist nicht allein die Trennung von Hoffmann, sondern mehr noch das amateurhafte Vorgehen. "Es ist eines Aufsichtsrates unwürdig, nur eine Entscheidung gegen etwas zu treffen, ohne eine Alternative zu haben", heißt es in dem Aufruf. Daran zeige sich, dass es hier "nur um Eigeninteressen geht und nicht um das Wohl des Vereins". So wird beispielsweise dem neuen Rat Marek Erhardt unterstellt, er habe mit seinem Nein zu Hoffmann nur Rache nehmen wollen, weil ihn der Vorstand 2008 als Stadionsprecher abgesetzt habe.

Erhardt, Schauspieler und Enkel des Komikers Heinz Erhardt, brachte es auf diese Weise sogar zum Aufmacher der Hamburger Morgenpost. Hätte er - anders als die offenen Hoffmann-Gegner Jürgen Hunke, Manfred Ertel, Hans-Ulrich Klüver und Björn Floberg - für eine Verlängerung mit Hoffmann/Kraus wenigstens für ein Jahr gestimmt, wäre die derzeitige Konfusion ausgeblieben - denn dann hätte das Duo die notwendige 8:4-Mehrheit gehabt. Nun aber ist es schwer vorstellbar, dass Hoffmann und Kraus noch das Feld für ihre Nachfolger nachhaltig bestellen wollen.

Vermutlich ist Rieckhoff also ziemlich allein mit der Vorstellung, die "Alten" würden die Sache "hoch professionell" abarbeiten, wie er am Dienstag wiederholte. Seine ehrliche Antwort, man habe derzeit keine Alternative und man wolle "irgendwann im Laufe des Jahres einen Nachfolger präsentieren", ist nicht viel anders als die Aussage eines Magiers, der behauptet, der Ball finde auch ohne Regisseur ins gegnerische Tor.

Der Spielerberater Volker Struth sieht bei der derzeitigen Situation "längerfristigen Schaden" auf den Verein zukommen. Die meisten Klubs seien in ihren Planungen für die nächste Saison schon weit, sagte er, aber beim HSV sei derzeit "das Schwierige, dass man keinen konkreten Ansprechpartner hat". Nicht nur, weil man den bisherigen Sportchef Bastian Reinhardt entmachtet hat und der wichtigste Mann der Zukunft, der künftige Sportchef Frank Arnesen, noch beim FC Chelsea weilt. Sondern auch, weil es mit dem Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden "nicht einfacher" werde.

Der zuletzt mäßig erfolgreiche Fußballlehrer Armin Veh wird sich mit derlei Problemen bald nicht mehr herumschlagen. Er sagte nur: "Hier herrscht Unruhe, die ich so noch nie erlebt habe." Sein Team steht derzeit auf Rang sieben, zum angestrebten Europa-League-Platz fehlen in der Bundesliga fünf Punkte. Am Samstag geht's zum FC Bayern, wo der HSV auf eine interessante Parallele trifft. Auch der dortige Trainer, Louis van Gaal, weiß wie Veh, dass er in Kürze gehen wird.

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SZ vom 09.03.2011/ebc
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