Hamburger SV:Alle Jalousien unten

Viele Verletzte, zu wenig Punkte und keine Stützpfeiler für die labile Mannschaft: Der Hamburger SV geht nervös ins Abstiegs-Nordderby gegen Werder Bremen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

An den 19. April 2015 erinnert sich Bruno Labbadia genau. Es war sein erstes Spiel als "HSV-Retter" und es ging mit 0:1 beim SV Werder Bremen verloren. Die Hamburger hatten danach als Tabellenletzter vier Punkte Rückstand auf den rettenden 15. Tabellenplatz. Kritiker bescheinigten dem HSV auch in diesem Nordderby eine kaum bundesligataugliche Leistung. Und der Trainer Labbadia wusste, dass er außer enormen Anstrengungen auch eine Extraportion Glück benötigen würde, um den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte zu verhindern.

Kürzlich hatte Labbadia also sein erstes Jubiläum als HSV-Trainer. Er ist immer noch Coach in der ersten Liga, ihm wurde nach dem glücklichen Sieg in der Relegation gegen den Karlsruher SC symbolisch sogar ein Denkmal von HSV-Boss Dietmar Beiersdorfer errichtet. Und nun, an diesem Freitagabend, muss er wieder gegen den Erzrivalen Werder antreten, diesmal im Volksparkstadion. Wieder ist es ein Abstiegs-Derby der einstigen norddeutschen Spitzenklubs, die sich aus der Abwärtsspirale der vergangenen Jahre bisher nicht befreien konnten. Doch weil ein Trainer positiv denken muss, sagt Labbadia vor dem 104. Liga-Duell der Klubs: "Ich bin lieber in der jetzigen Situation als in der vor einem Jahr. Wir haben alles in der Hand."

Training Hamburger SV

Hamburgs Hoffnungsträger gegen Bremen: Trainer Labbadia beobachtet Aaron Hunt beim Üben.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Immerhin hat der HSV diesmal drei Punkte mehr auf dem Konto als Bremen, der Drittletzte. Wie aber kommt es, dass die Hamburger, die in dieser Saison zwischenzeitlich deutlich ansehnlicher auftraten als in den Jahren davor, doch wieder in die Bredouille gekommen sind? Am 14. Spieltag hatte man als Tabellensiebter schon mal elf Punkte mehr als der Drittletzte. Doch Labbadia, der sich gern als Architekt einer Mannschaft versteht, hat offenbar auf ein paar Bauelemente gesetzt, die nicht stabil genug sind. Das beginnt schon bei der Kerngruppe, um die er das Team bauen wollte: Adler, Spahic, Ekdal, Lasogga. Gegen Werder werden nur zwei der vier Pfeiler mitwirken, und einer davon hat sich bisher überhaupt nicht als Stütze erwiesen: Der als Torjäger vorgesehene Pierre-Michel Lasogga hechelt die gesamte Saison seiner Bestform hinterher und ist in der Rückrunde ohne Treffer. Und weil Keeper René Adler rot-gesperrt und der gewünschte Mittelfeld-Anker Albin Ekdal erneut verletzt ist, bleibt nur der 35-jährige Emir Spahic als Abwehr-Säule.

So setzt Labbadia gegen Werder vor allem auf den früheren Bremer Aaron Hunt, der 13 Jahre an der Weser verbrachte und nach seiner Karriere wieder in der kleineren Hansestadt wohnen will. Der Regisseur aber ist verletzungsanfällig, schon acht Mal fiel er aus gesundheitlichen Gründen aus, zuletzt bei den Niederlagen gegen Darmstadt und in Dortmund wegen muskulärer Probleme. Da wurde Labbadia wieder bewusst, wie "extrem wichtig Aaron für uns ist". Er mache Dinge, "die andere nicht machen" und könne "der entscheidende Mann" sein. Da Hunt diese Fähigkeiten im HSV-Dress aber meist nur andeutete, schrammt er bisher nur knapp am Urteil "Fehleinkauf" vorbei.

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31. Spieltag

Hamburger SV - Werder Bremen Fr. 20.30

FC Ingolstadt 04 - Hannover 96 Sa. 15.30

VfB Stuttgart - Borussia Dortmund Sa. 15.30

VfL Wolfsburg - FC Augsburg Sa. 15.30

Hertha BSC - FC Bayern München Sa. 15.30

1. FC Köln - SV Darmstadt 98 Sa. 15.30

FC Schalke 04 - Bayer Leverkusen Sa. 18.30

Mönchengladbach - TSG Hoffenheim So. 15.30

Eintracht Frankfurt - FSV Mainz 05 So. 17.30

1 (1) FC Bayern München 30 25 3 2 72:14 78

2 (2) Borussia Dortmund 30 22 5 3 72:30 71

3 (4) Bayer Leverkusen 30 15 6 9 47:33 51

4 (3) Hertha BSC 30 14 7 9 40:36 49

5 (5) Mönchengladbach 30 14 3 13 59:47 45

6 (6) FSV Mainz 05 30 13 6 11 42:39 45

7 (7) FC Schalke 04 30 13 6 11 41:43 45

8 (8) VfL Wolfsburg 30 10 9 11 42:41 39

9 (9) FC Ingolstadt 04 30 10 9 11 27:33 39

10 (11) 1. FC Köln 30 9 10 11 32:39 37

11 (13) SV Darmstadt 98 30 8 11 11 34:44 35

12 (10) Hamburger SV 30 9 7 14 35:43 34

13 (14) TSG Hoffenheim 30 8 10 12 35:45 34

14 (15) FC Augsburg 30 8 9 13 38:48 33

15 (12) VfB Stuttgart 30 9 6 15 46:60 33

16 (16) Werder Bremen 30 8 7 15 42:61 31

17 (17) Eintracht Frankfurt 30 6 9 15 29:49 27

18 (18) Hannover 96 30 6 3 21 26:54 21

32. Spieltag: Freitag, 29.4., 20.30 Uhr: Augsburg - Köln; Samstag, 30.4., 15.30 Uhr: FC Bayern - Mönchengladbach, Hoffenheim - Ingolstadt, Hannover - Schalke, Mainz - Hamburger SV, Dortmund - Wolfsburg, Darmstadt - Frankfurt; 18.30 Uhr: Leverkusen - Hertha BSC; Montag, 2. 5., 20.15 Uhr: Bremen - Stuttgart.

Während Werder versucht, sich gesund zu schrumpfen, hat der mit 90 Millionen Euro verschuldete HSV das von Anteilseignern eingesammelte Geld (mehr als 37 Millionen Euro) beim Neuaufbau des maroden Teams nur bedingt gut angelegt. Und Spieler, die das Niveau auf Dauer hätten heben können - etwa das in Leverkusen zum A-Nationalspieler aufgestiegene Eigengewächs Jonathan Tah oder der nun im spanischen Vigo tätige Marcelo Diaz, der den Klub mit seinem Freistoßtor in der Relegation 2015 in letzter Sekunde in der Liga hielt - wurden von Beiersdorfer und Manager Peter Knäbel verscherbelt.

Wie dramatisch die Lage inzwischen wieder ist, kann man daran erkennen, dass Labbadia in dieser Woche fast nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert hat. Sogar im Restaurant "Raute", von dem man einen guten Blick auf den Stadionrasen hat, waren die Jalousien komplett heruntergefahren - damit kein ungebetener Gast aus Bremen die Übungen beobachten konnte wie es HSV-Scout Michael Schröder diese Woche bei Werder getan hat.

Was die Hamburger ermutigt: Werder tritt nur 70 Stunden nach dem Pokalspiel beim FC Bayern an. Das "Uwe-Seeler-Zimmer" im Fußball Park Malente, das Labbadia 2015 bei den Trainingslagern zwischen den Spielen im Abstiegskampf bezog, blieb indes noch ungenutzt. Dafür fällt der echte Uwe Seeler als Maskottchen im Stadion aus. Er erlitt einen Bandscheibenvorfall und bleibt daheim - für HSV-Folkloristen ebenfalls ein tragischer Ausfall.

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